Warum werden die hohen verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot nicht in der Weise gesenkt, dass ein AfD-Verbotsverfahren ohne das Risiko einer Zurückweisung durch das Bundesverfassungsgericht eingeleitet werden kann?
Am 06.09.2024 erschien in den Elmshorner Nachrichten der Artikel „Wo die AfD „gesichert extremistisch“ ist - Flensburger Verfassungsrechtlerin zeigt den Weg zum Verbotsverfahren auf“.
Darin wird von Anna Katharina Mangold überzeugend dargestellt, dass die Voraussetzungen für ein AfD-Verbot erfüllt sind. Am 30.09.2024 berichteten die EN, dass Abgeordnete von SPD, CDU/CSU, Grünen und Linken einen Gruppenantrag zum Verbot der AfD ausgearbeitet haben. Die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind jedoch hoch.
Fragen dazu:
1. Unterstützen Sie diesen Gruppenantrag?
2. Warum ändern die demokratischen Parteien mit ihrer (noch vorhandenen) 2/3-Mehrheit das Grundgesetz bzw. die Verfassung nicht so, dass das Verfassungsgericht einem Verbotsantrag zustimmen MUSS? Anders formuliert: Warum werden die hohen verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot nicht in der Weise gesenkt, dass ein AfD-Verbotsverfahren ohne das Risiko einer Zurückweisung durch das Bundesverfassungsgericht eingeleitet werden kann? Sollte die AfD – wie bereits in zwei Bundesländern – auch auf Bundesebene eine Sperrminorität erzielen, wird es dafür zu spät sein.

Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an einem möglichen Parteiverbot der AfD. Ihre Sorgen über die zunehmende Radikalisierung und den Einfluss dieser Partei teilen wir als SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag uneingeschränkt.
Ich habe den Gruppenantrag gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fraktionen eingebracht und unterstütze ihn nachdrücklich. Das Ziel des Antrags ist es, die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen. Die AfD hat in den letzten Jahren durch zahlreiche Äußerungen und Handlungen immer wieder gezeigt, dass sie unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt. Diese besorgniserregende Entwicklung verlangt von uns als Demokratinnen und Demokraten entschlossenes Handeln, um unsere Demokratie zu schützen.
Die hohen verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind ein wesentlicher Bestandteil unserer wehrhaften Demokratie. Sie dienen dem Schutz des politischen Pluralismus und verhindern, dass Parteien aufgrund ihrer Inhalte verboten werden, ohne dass nachweislich aktive Bestrebungen zur Beseitigung der demokratischen Ordnung vorliegen. Eine Absenkung dieser Hürden könnte langfristig zu einem Missbrauch führen, der demokratische Prinzipien gefährden könnte.
Ein Parteiverbot ist ein drastischer Schritt, der nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes nur möglich ist, wenn eindeutige Beweise vorliegen, dass eine Partei planvoll und aktiv die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen will. Dies setzt umfangreiche Ermittlungen und eine lückenlose Beweissammlung voraus, die durch Institutionen wie das Bundesamt für Verfassungsschutz unterstützt werden. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zuletzt bestätigt, dass die AfD zu Recht als Verdachtsfall eingestuft wird, was die Grundlage für weitere Ermittlungen bietet.
Unabhängig von einem Parteiverbotsverfahren ist es entscheidend, rechtsextremes Gedankengut politisch zu bekämpfen. Wir setzen auf politische Bildung, demokratische Streitkultur und die Entkräftung von Verschwörungstheorien, um den Einfluss der AfD einzudämmen. Verbote allein reichen nicht aus, um gegen rechtsextreme Ideologien vorzugehen – es braucht eine breite gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung.
Der Gruppenantrag zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD wurde bereits eingebracht und hat meine volle Unterstützung. Dieser Schritt leitet einen komplexen Prozess ein, der umfangreiche Beweissammlungen und die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht erfordert. Angesichts der verbleibenden Zeit in dieser Legislaturperiode ist ein Abschluss des Verfahrens jedoch nicht mehr realistisch. In der nächsten Wahlperiode wird es entscheidend sein, die bisherigen Erkenntnisse gründlich auszuwerten und den Prozess konsequent weiterzuführen, um eine fundierte Entscheidung zu erreichen.
Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Anfrage und Ihr Engagement für den Schutz unserer Demokratie. Lassen Sie uns auch weiterhin gemeinsam daran arbeiten, rechtsextremen Tendenzen entschlossen entgegenzutreten.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Stegner