Frage an Ralf Stegner von Karsten K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Stegner,
die folgende Frage richte an Sie in Ihrer Funktion als Fraktionsvorsitzender der SPD im schleswig-holsteinischen Landtag, die soeben gemeinsam mit SSW und B90/Grüne einen Koalitionsvertrag geschlossen hat, in dem Sie sich für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene einsetzen.
Bekanntlich ist Deutschland der einzige Staat in der Europäischen Union, der seiner Bevölkerung die Möglichkeit zu (bundesweiten) Volksentscheiden noch verweigert, obwohl Abstimmungen durch das Volk von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes eigentlich vorgesehen worden sind. (GG Art. 20, (2))
In allen anderen Ländern der EU fanden bereits Volksentscheide auf staatlicher Ebene statt!
Ihrer geäußerten Absichtserklärung hinsichtlich der Ermöglichung von Volksentscheiden auf Bundesebene könnten Sie nun in allernächster Zukunft schon Taten folgen lassen:
Werden Sie sich bei den noch vor der parlamentarischen Sommerpause geplanten Entscheidungen zu ESM und Fiskalpakt, bei denen eine (verfassungsändernde) 2/3-Mehrheit von Bundestag und –rat erforderlich sein werden, mit den Stimmen Schleswig-Holsteins im Bundesrat dafür einsetzen, dass ESM und Fiskalpakt nicht ratifiziert werden dürfen, bevor bei so weitreichenden, die verfassungsmäßig geschützten Rechte des gewählten Parlaments in Haushaltsfragen in alle Zukunft einschränkenden Beschlüssen, hierüber zunächst das deutsche Volk in direkter Abstimmung (Volksentscheid) befragt worden ist?
Sehr geehrter Herr Kuhls,
wie Sie unserem Koalitionsvertrag entnommen haben, setzen wir uns für die Einführung der Möglichkeit von Volksentscheiden auf Bundesebene ein. Noch gibt es diese Möglichkeit nicht. Die Veränderungen, die für eine Rettung Europas nötig sind, können nicht warten, bis wir diese Möglichkeit durchgesetzt haben. Dies gilt, wenn ich auch nicht den Fatalismus von Frau Lagarde teile, die dem Euroraum noch drei Monate gibt, bevor er zusammenbricht.
Im Wahlkampf habe ich, auch wenn es etwas abseits der Landespolitik lag, zwei Veranstaltungen zur Europapolitik gemacht. Denn nicht nur ein Fiskalpakt, auch die jetzige Krise greift massiv in die Zukunft Schleswig-Holsteins ein und ich verfolge die falsche Politik von CDU und FDP mit großer Sorge. Sie ist krisenverschärfend und führt bei vielen Menschen, gerade jungen Menschen, zu Arbeitslosigkeit, Armut und oft auch Fatalismus. Die Bundesregierung betreibt mit ihrer alleinigen Lösung „Fiskalpakt“ einen Katastrophenkurs. Wenn die Wirtschaft in Griechenland, Spanien und vielleicht sogar in Italien zusammenbricht, konterkariert das nicht nur sämtliche Sparbemühungen in den betroffenen Ländern, auch die Exportmöglichkeiten Deutschlands werden massiv eingeschränkt.
Um den verheerenden Folgen der Krise und den falschen Lösungskonzepten entgegenzuwirken, brauchen wir eine Politik, die das Wachstum befördert und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit senkt. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den Ländern Menschen leben, die massiv von der Krise und der verbohrten Sparpolitik, die Frau Merkel durchgesetzt hat, betroffen sind. Dazu kann und muss die Finanztransaktionssteuer einen wichtigen Finanzierungsbeitrag leisten. Sie ist zusätzlich auch ein Instrument, das die Demokratie in unseren Ländern stärkt. Schließlich werden durch sie doch endlich die Krisenverursacher an den Kosten der Krise beteiligt. Wir sind uns inhaltlich wahrscheinlich sehr einig, doch werden wir statt auf einen Volksentscheid auf eine starke Opposition setzen müssen, die ihre Zustimmung zum Fiskalpakt an glasklare Bedingungen knüpft, die endlich den Weg zu einer wirklichen Lösung der Krise freimachen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ralf Stegner