Frage an Ralf Stegner von Matthias B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Stegner,
als Bordesholmer haben Sie aus der ersten Reihe die Diskussionen um die Errichtung von Windkraftanlagen in unmittelbarer Dorfnähe sicher selbst erfahren. Die vielen Bürgerentscheide zu den potenziellen Standorten von Windturbinen in geringer Nähe zu den Wohnungen der Menschen zeigen, dass hierfür keine allgemeine Akzeptanz vorliegt. Und der Grund ist nicht die gerne verwendete, bequeme Totschlagphrase „not in my backyard“. Sondern, die Menschen haben Angst und Sorge um Ihre Gesundheit.
Die politischen Diskussionen drehen sich nun darum, wie man das den Menschen schmackhafter machen kann. Das Erstaunliche daran ist, dass man Menschen nun mit einem Anlagemodell „Bürgerwindpark“ kaufen will, anstatt die gesundheitliche Betroffenheit zu lösen. Zu der potenziellen Gefährdung war kürzlich in der international renommierten Medizin-Zeitschrift ein Editorial (s. unten) veröffentlich, dass auf die Risiken und unbekannten Faktoren hinweist.
Auch wenn der Energiehunger der Menschheit groß ist, so muss man sich bei der Landesplanung der politischen Frage stellen, wie viel Risiken den Menschen zugemutet werden können. Die Drehschraube ist offensichtlich die per Erlass geregelten Abstände von Turbinen zu Wohnungen neu zu bemessen.
Wie gewichten Sie nun als Politiker die Chancen und Risiken der regenerativen Energiegewinnung gegenüber dem gesundheitlichen Vorsorgeprinzip und dem ernsthaften Schutzbedürfnis des Bürgers?
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Brunke
Hanning CD, Evans A (2012) Wind turbine noise. Seems to affect health adversely and an independent review of evidence is needed. Editorial. British Medical Journal 344:e1527 doi: 10.1136/bmj.e1527
Sehr geehrter Herr Brunke,
inzwischen ist es gesellschaftlicher Konsens, dass wir die nicht-beherrschbaren enormen Risiken der Atomkraft durch die Abschaltung der AKWs verringern. Es ist Konsens, dass wir die klimaschädliche und ressourcenbedingt endliche Nutzung fossiler Energieträger beenden müssen. Dementsprechend bekennen sich mittlerweile alle ernstzunehmenden Parteien zur Energiewende, auch wenn sie diese unterschiedlich konsequent vorantreiben. Eine solche konsequente Energiewende der Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien ist der Wachstumsmotor für Schleswig- Holstein und schafft viele tausend neue und qualifizierte Arbeitsplätze vor Ort im Mittelstand und beim Handwerk und Wertschöpfung im Lande. Dazu gehören auch Bürgerwindparks. Wir brauchen einen Energiemix der erneuerbaren Energien, wo die Windenergie eine entscheidende Rolle spielen wird.
Ein Zuwachs an neuen Flächen für die Windenergie muss allerdings immer im gesellschaftlichen Konsens geschehen. Ohne den Rückhalt in der Bevölkerung kann die Windkraft nicht wachsen. Ich finde es richtig, die Akzeptanz durch Bürgerwindparks zu stärken. Wir halten die Erweiterung der Windenergieeignungsflächen auf zunächst 1,5 % der Landesfläche für einen wichtigen Schritt. Sollte vor Ort der abgesicherte Wunsch nach darüber hinaus erforderlichen Flächen bestehen, werden wir nicht an dieser Grenze festhalten. Die Abstandsregelungen sind das Ergebnis der Rechtsprechung und Erfahrungswerte jahrelanger Planungspraxis. Eine generelle Ausweitung des Mindestabstandes würde die angestrebte Steigerung der Windeignungsflächen stark einschränken.
Gerade moderne Anlagen sind darauf eingerichtet, Schattenwurf, Lärm und andere Beeinträchtigungen zu reduzieren. Die Technik schreitet auch hier voran. Windenergie-Anlagen, ebenso wie eine Vielzahl anderer Schallquellen (z. B. Wasserfälle, Wind, Heizungsanlagen, Bauwerke, Verkehrsmittel), strahlen Infraschall ab. Nach einer Messung an einer 500 kW-Windkraftanlage liegt der Infraschallpegel in einer Entfernung von 200 Metern deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle nach DIN 45680 und ist mit dem Pegel innerhalb eines Büros vergleichbar. Vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt liegt eine Studie vor, die keine Gesundheitsgefährdung durch Windkraftanlagen sieht.
Ich kann die von den Betroffenen befürchteten Belastungen durch die Ausweitung von Windkraftanlagen dennoch in Teilen nachvollziehen. Deswegen sind eine frühzeitige Bürgerbeteiligung und transparente Planungsverfahren notwendig, um Akzeptanz vor Ort zu schaffen und die von den Menschen befürchteten Belastungen abzumildern. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam vernünftige Lösungen entwickeln werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ralf Stegner