Frage an Ralf Stegner von Volker H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Stegner,
viele Studien von Medizinern und objektive Messungen anerkannter Akustiker (McPherson Study googeln) zeigen, dass die Abstände von Wohnbebauung zu Windkraftanlagen zu gering und gesundheitsgefährdend sind. WKA-Investoren bestreiten dies noch immer.
Nicht bestreiten kann man jedoch die Gefährdungen durch herumfliegende Trümmer, wenn die Anlagen zerbrechen, explodieren oder abbrennen. Im Netz findet man eine 100-seitige Aufstellung mit über 1000 bekannt gewordenen WKA-Unfällen (caithnesswindfarms googeln). Einen nennt das Nordfriesland Tageblatt am 20.2.97:
Eine nur 41 m hohe HSW 250 auf Nordstrand verlor zwei Rotorblätter, die über eine Straße mehr als 300 m weit flogen. Besitzer H. P. Carstensen war erleichtert, dass niemand getroffen wurde. Mit zunehmender Höhe und größeren Rotordurchmessern fliegen die Teile viel weiter. In Schottland werden deshalb 2000 m Abstand von Wohnbebauungen verlangt.
Auch schon darum sind die Abstände von Wohnbebauung zu WKA in SH zu gering und 2011 wurden sie sogar noch um 1/5 reduziert.
Was unterscheidet den Bewohner einer Splittersiedlung 400 m von einer WKA von einem am Ortsrand und einem Ferienhausvermieter in SH, dass diesen der doppelte Abstand gewährt wird? Wieso bekommt ein Gewerbegebiet 500 m zugebilligt, wo nachts keiner schläft?
Gibt es dafür einen einleuchtenden Grund? Gilt da nicht der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG, das allgemeine Willkürverbot?
Danach darf der Staat nicht willkürlich wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandeln. Es muss hierfür ein Differenzierungskriterium vorliegen. Dieses fehlt nach einer vielfach verwandten Formel der Rechtsprechung, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die staatliche Maßnahme nicht finden lässt.
Hält Ihre Partei diesen SH-Erlass und diese Abstandsregelungen mit dem Grundgesetz für vereinbar?
Mit freundlichem Gruß
V. Heidemann
Sehr geehrter Herr Heidemann,
inzwischen ist es gesellschaftlicher und fast auch parteipolitischer Konsens, dass wir die nicht-beherrschbaren enormen Risiken der Atomkraft durch die Abschaltung der AKWs verringern und die klimaschädliche und ressourcenbedingt endliche Nutzung fossiler Energieträger beenden müssen. Dementsprechend bekennen sich mittlerweile alle ernstzunehmenden Parteien zur Energiewende, auch wenn sie diese unterschiedlich konsequent vorantreiben. Wir Sozialdemokraten haben uns in unserer langjährigen Regierungsverantwortung konsequent für erneuerbare Energien und damit auch aktiv für die Windkraft eingesetzt und große Erfolge erreicht.
Wir werden Schleswig-Holstein zu einem Vorzeigeland für die Energieversorgung des 21. Jahrhunderts machen! Dabei werden wir Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz gewährleisten. Eine solche konsequente Energiewende der Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien ist der Wachstumsmotor für Schleswig- Holstein und schafft viele tausend neue und qualifizierte Arbeitsplätze vor Ort im Mittelstand und beim Handwerk und Wertschöpfung im Lande. Dafür brauchen wir einen Energiemix der erneuerbaren Energien, wo die Windenergie eine entscheidende Rolle spielen wird. Wie bei Biomasse und Solarenergie setzen wir auf erneuerbare Energien, werden aber Rahmen setzen.
Ein Zuwachs an neuen Flächen für die Windenergie muss allerdings immer im gesellschaftlichen Konsens geschehen. Ohne den Rückhalt in der Bevölkerung kann die Windkraft nicht wachsen. Daher sind für uns vor allem als Bürgerwindparks betriebene Anlagen besonders zu begrüßen. Schon Lothar Hay hat als für die Landesplanung zuständiger Innenminister den Prozess zur Ausweisung neuer Flächen 2008 angestoßen und über die Kreise an die Gemeinden forciert. Wir halten die Erweiterung der Windenergieeignungsflächen auf zunächst 1,5 % der Landesfläche für einen wichtigen Schritt. Sollte vor Ort der abgesicherte Wunsch nach darüber hinaus erforderlichen Flächen bestehen, werden wir nicht an dieser Grenze festhalten. Der Landesentwicklungsplan ist der raumordnerische „Rahmen“, ein gemeinsamer Runderlass legt die einzuhaltenden Abstandsflächen von Windkraftanlagen fest. Die Abstandsregelungen sind das Ergebnis der Rechtsprechung und Erfahrungswerte jahrelanger Planungspraxis. Eine generelle Ausweitung des Mindestabstandes würde die angestrebte Steigerung der Windeignungsflächen stark einschränken.
Gerade moderne Anlagen sind darauf eingerichtet, Schattenwurf, Lärm und andere Beeinträchtigungen zu reduzieren. Die Technik schreitet auch hier voran. Windenergie-Anlagen, ebenso wie eine Vielzahl anderer Schallquellen (z. B. Wasserfälle, Wind, Heizungsanlagen, Bauwerke, Verkehrsmittel), strahlen Infraschall ab. Nach einer Messung an einer 500 kW-Windkraftanlage liegt der Infraschallpegel in einer Entfernung von 200 Metern deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle nach DIN 45680 und ist mit dem Pegel innerhalb eines Büros vergleichbar. Vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt liegt eine Studie vor, die keine Gesundheitsgefährdung durch Windkraftanlagen sieht.
Ich kann die von den Betroffenen befürchteten Belastungen durch die Ausweitung von Windkraftanlagen dennoch in Teilen nachvollziehen. Deswegen sind eine frühzeitige Bürgerbeteiligung und transparente Planungsverfahren notwendig, um Akzeptanz vor Ort zu schaffen und die von den Menschen befürchteten Belastungen abzumildern. Auf dieser Basis können dann die demokratisch legitimierten Gemeindevertreter unter Abwägung aller betroffenen Belange einschließlich der Beurteilung möglicher gesundheitlicher Auswirkungen entsprechende Beschlüsse fassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ralf Stegner