Frage an Ralf Klapdor von Herbert D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Klapdor,
vor nicht ganz vier Jahren wetterte Herr Westerwelle (FDP) gegen Arbeitslose und bedürftige Menschen und sprach in diesem Zusammenhang von "römischer Dekadenz". Schon Herr Müntefering (SPD) stieß zuvor ins gleiche Horn mit den Worten "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." (und zitierte dabei August Bebel falsch).
Solche markigen und unangemessenen Sprüche erinnern mich an die Zeiten der Industriellen Revolution vor etwa 200 Jahren. Denn dort äußerte sich Thomas Malthus, der im Fortschritt ein Übel sah, in seelenloser Weise: "Auch Wohltätigkeit ist keine gute Idee - füttre die Hungernden heute, und du hast morgen noch mehr Hungernde." Die Bourgeosie dachte damals genauso und sprach von Sozialdarwinismus, eine Pervision von Darwins Evolutionstheorie.
Wie stehen Sie zum Sozialstaat? Worin sehen Sie die Ursache von Arbeitslosigkeit und Armut in unserem Staat (u.a. Ostdeutschland)? Und wie könnte man die Ursache des Übels ihrer Ansicht nach am effizientesten und nachhaltig beseitigen?
Schon Adam Smith erkannte, dass die Arbeiter eine schlechtere Verhandlungposition als die Unternehmer haben und daher vom Staat geschützt werden sollten. Die Arbeiter mussten damals Niedriglöhne und elende Arbeitsbedingungen akzeptieren. In der heutigen Zeit sind diese Zustände zurückgekehrt, ob nun in Bangladesch, Griechenland oder Deutschland. In unserem Staat sind ca. ein fünftel der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten im Niedriglohnsektor zu finden ( http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/neue-studie-zum-niedriglohnsektor-gerhard-schroeder-lag-falsch,1473632,23826060.html ) die mit ALG II aufgestockt werden müssen. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde die Situation vieler Menschen verbessern und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, da durch diese die Kaufkraft gestärkt wird. F.D.Roosevelt kam zu folgender Ansicht: http://www.xsized.de/2006/08/von-arbeit-muss-man-leben-koennen/
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Werden Sie sich für einen gesetzlichen Mindestlohn einsetzen?
MfG
Sehr geehrter Herr Derksen,
ich werde mich nicht für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einsetzen, da er Arbeitslosigkeit nicht abbaut, sondern im Gegensatz verstärkt. Die Lehre beispielsweise aus der Wirtschaftskrise 2009 ist doch, dass es nichts unsozialeres als Arbeitslosigkeit gibt. In den letzten Jahren sind mehr als 1 Million sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zusätzlich entstanden. Dies ist aus meiner Sicht eine effektive Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit und Armut. Sozialleistungen wie Hartz IV (egal in welcher Höhe) beseitigen keine Probleme sondern sind lediglich nachrangig einzusetzende Reparaturmaßnahmen. Davon unabhängig stimme ich Ihnen zu, dass die Verhandlungsposition von Gewerkschaften punktuell gestärkt werden muss, beispielsweise durch Verbesserungen bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, um damit branchen- und regionenspezifische Lohnuntergrenzen in noch weiterem Maße als bisher zu schaffen. Noch nie wurden so viele Lohnuntergrenzen in Deutschland geschaffen, wie unter dieser Bundesregierung.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Klapdor