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Frage von Sebastian K. •

Frage an Rainer Wend von Sebastian K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Hr. Wend,
seit mehreren Wochen bemühe ich mich, die Bankenkriese zum einen in ihrer Dimension und zum anderen in der Wirkungsweise zu begreifen. Leider ist mir dieses, trotz entsprechender Konsultation von Fachliteratur, nicht gelungen.

Meine Frage an Sie lautet nun daher: Insgesamt stehen der Hypo Real Estate (HRE) nunmehr über 100 Milliarden Euro an Bürgschaften des Bundes zur Verfügung. (Mir ist bewusst, dass dieses Geld noch nicht geflossen ist.) - Für den natürlich absolut unwahrscheinlichen (?!) Fall dass dieses Geld doch fließen müsste, dann wäre dieser Betrag mehr als 1/3 des Bundeshaushaltes (nach heutigen Meldungen bzgl. weiteren Kapital-Bedarfs) bis hin zu 50 % des Bundeshaushaltes.

Ein (mittlerweile) privates Unternehmen kann also im Kollaps-Fall darauf hoffen, dass es bis zu 50% des Bundeshaushaltes der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehen.

(Gerade zu lächerlich erscheinen dazu im Vergleich Themengebiete wie "Abwrack-Prämie", Erhöhung von Hartz-IV-Leistungen, Besoldungserhöhungen von z.B. Feuerwehr-Beamten usw. wo es letztendlich nur um Promille-Werte des Bundeshaushaltes geht.)

Die bisher einzige belastbare Aussage, warum z.Zt. 1/3 des Bundeshaushaltes "verpfändet" wird, ist: Die HRE ist sehr wichtig für das (Inter-)Bankensystem. Okay.

Können Sie mir nun erklären, warum eigentlich diese eine private Bank so wichtig ist ? - In der finanziellen Wertung ("Gewicht") scheint sie ja sogar wichtiger für die Bundesrepublik Deutschland zu sein, als die Summe aller sozialen Leistungen oder auch der Inneren Sicherheit, oder auch des Verteidigungshaushalt.

Trotz meines Bemühens, hierfür Verständnis aufzubringen, kann ich es leider nicht verstehen.

In der Hoffnung, dass mich Ihre Erklärung weiterbringt,
verbleibe ich mit freundlichem Gruß

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Krug,

tatsächlich scheint nach Beurteilung der vorliegenden Fakten die Insolvenz der Hypo Real Estate (HRE) eine logische und beinahe alternativlose Konsequenz zu sein. Eine Pleite der HRE hätte aber dramatische Folgen für die deutsche Wirtschaft, die ich Ihnen gerne kurz skizziere:

Die aktuelle Finanzmarktkrise ist eine internationale Krise. Das bedeutet, dass sich die Insolvenz eines Finanzinstituts durch die enge internationale Verflechtung der Banken auch unmittelbar auf den Finanzmarkt in anderen Ländern auswirkt. Deshalb hat die die Bundesregierung international zugesichert, dass sie keine systemrelevante Bank in die Insolvenz gehen lassen wird. Eine Bank ist dann systemrelevant, wenn ohne sie wesentliche Teile der Finanzströme in der Volkswirtschaft nicht funktionieren. Und genau das trifft auf die HRE und ihre Tochter Depfa zu. Die Depfa ist eine Pfandbriefbank, die sich auf die Finanzierung der öffentlichen Hand spezialisiert hat. Pfandbriefe sind festverzinsliche Anleihen, die besonders sicher sind, weil dahinter Forderungen gegen die öffentliche Hand stehen. Diese Forderungen gegen die öffentliche Hand resultieren daraus, dass Gemeinden Geld für öffentliche Investitionen also beispielsweise für den Bau von Straßen oder Schulen benötigen. Dieses Geld bekommen die Kommunen bei Banken wie der der Depfa, die dafür Grundstückspapiere als Sicherheiten verlangt. Die Depfa wiederum holt sich das Geld bei privaten Investoren, die dafür Pfandbriefe erhalten. Als Sicherheit für die Pfandbriefe dienen also Grundstücke und Immobilien der Gemeinden. Ginge die Depfa pleite, müssten die Privatinvestoren ihre Ansprüche direkt bei den Kommunen geltend machen. Das würde die Kommunen organisatorisch und finanziell überfordern. Da die Depfa einer der größten Emittenten von Pfandbriefen in Deutschland ist, würde eine Insolvenz der HRE und damit der Depfa zudem dazu führen, dass das Pfandbrief-Geschäft in Deutschland erheblich gestört wäre, was wiederum zu einem Rückgang der öffentlichen Investitionen führen würden. Auch Versicherungen und Pensionsfonds, die Prämiengelder beispielsweise von Lebensversicherungen an Banken weiterreichen, würden bei einer Insolvenz der HRE viel Geld verlieren. Das könnte letztlich dazu führen, dass beispielsweise Lebensversicherungen, die von vielen als Altersvorsorge abgeschlossen wurden, nicht mehr ausbezahlt werden können. Auch andere Banken könnten von einer Pleite der HRE mitgerissen werden. Denn nicht nur die Deutsche Bank, auch andere deutsche Finanzinstitute haben zur Rettung der HRE-Garantien in Milliardenhöhe abgegeben. Würde dieses Geld ausfallen, gerieten diese Banken zum Teil in große Schwierigkeiten und müssten voraussichtlich Gelder aus dem staatlichen Rettungsschirm in Anspruch nehmen. Der Staat müsste dann am Ende möglicherweise sogar noch mehr Geld ausgeben, als jetzt für Rettung der HRE.

Auch wenn es sich bei der HRE um ein privates Finanzinstitut handelt, muss der Staat also eine Insolvenz der HRE vermeiden, um einen Dominoeffekt mit weitreichenden Folgen für den deutschen und die weltweiten Finanzmärkte und damit auch für unsere Volkswirtschaft zu verhindern. Da die internationalen Finanzmärkte immer noch gestört sind, ist derzeit nur der Staat in der Lage einen Zusammenbruch der Bank zu verhindern, weil er sich aufgrund seiner hohen Kreditwürdigkeit problemlos und zu besseren Konditionen als jede Bank finanzieren kann. Deshalb soll die HRE unter staatliche Kontrolle gebracht werden und wäre damit - zumindest für einen Übergangszeitraum - auch kein privates Unternehmen mehr. Da die bisherigen Verhandlungen mit den Anteilseignern über einen freiwilligen Verkauf ihrer Anteile noch keinen Erfolg gebracht haben, hat das Bundeskabinett in der vergangenen Woche ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem die HRE in letzter Konsequenz verstaatlicht werden kann. Diese Enteignung der Anteilseigner wird keineswegs angestrebt, sondern ist eine "Ultima Ratio", also die letztmögliche Option die nur gewählt wird, wenn es nicht mehr anders geht.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Erläuterungen die Bedeutung der HRE ein wenig deutlicher gemacht zu haben. Zu den allgemeinen Hintergründen und Auswirkungen der Finanzmarktkrise möchte ich gerne auf zwei Sonderausgaben meiner Wahlkreiszeitung "Berlin Depesche" verweisen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Sie finden diese Publikationen auf meiner Homepage unter http://rainer-wend.de/Archiv.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Wend