Frage an Rainer Wend von Paul L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wend,
Sie werden in Focus wie folgt zitiert: "Frau Ypsilanti schiebe mit ihrem Plan die Gesamtpartei aus der Mitte in eine Außenposition". Sie warnen vor einem Bündnis mit der Linken.
Aber was wollen Sie denn als SPD für ihre Wähler erreichen?
An Prinzipien festhalten, die nur solange gelten, bis sie in großen Koalitionen bis zur Unkenntlichkeit verändert oder gar ins Gegenteil verkehrt worden sind?
Da ist seit Schröder so viel geschehen, dass man zumindest die Bundes-SPD bei aller Flexibilität nicht mehr wählen kann!
Abgesehen davon, dass die Linke eine demokratisch gewählte Partei ist, vertritt sie Positionen, die vor nicht allzu langer Zeit noch zu den Grundsätzen der SPD gezählt haben (Eine Ausnahme zur Friedenspolitik und dem Verhältnis zur NATO will ich gerne konzidieren).
Letztlich sollten doch die Inhalte entscheidend sein. Die Parteien sind es in Deutschland einfach nicht gewöhnt im Parlament mit wechselnden Mehrheiten für ihre Anliegen zu streiten und zwar im Sinne der Wähler.
Der SPD laufen die Mitglieder und die Wähler nicht deshalb davon, weil das Interesse an Politik schwindet, sondern weil man nicht mehr die SPD wiederfindet, die für soziale Gerechtigkeit einsteht. Sondern eine SPD, die immer mehr austauschbare Positionen vertritt, die man bei CDU, SPD, Grüne oder FDP findet.
Kleine Aufzählung, zu welchen Themen sich die SPD "verbiegen" musste: Gesundheitsfond, Rente mit 67, kein flächendeckender Mindestlohn, keine Abschaffung der KVs, Tempolimit usw..
In Hessen und im Bund hat man dummerweise vor der Wahl die Linke ausgegrenzt. Das Ergebnis in Hessen ist anders gekommen als erwartet und Koch, das eigentliche Problem, ist immer noch an der Macht.
Wir brauchen keine Worthülsen wie "die Mitte" sondern handfeste Politik, die gestaltet und sich nicht von der Wirtschaft vor sich hertreiben lässt.
Herr Dr. Wend, wie stellen Sie sich denn für die nächste Bundestagswahl die Perspektive ohne die CDU vor?
Mit freundlichen Grüßen
Paul Laudenberg
Sehr geehrter Herr Laudenberg,
ich gebe Ihnen Recht, dass über die Möglichkeit von Koalitionen immer auf Grundlage der jeweiligen Inhalte entschieden werden sollte. Meine Schlussfolgerung aus dieser Feststellung ist aber eine andere als Ihre. Denn gerade aufgrund der Inhalte kommt eine Zusammenarbeit mit der Partei "Die Linke" für mich nicht in Frage.
Die Positionen der SPD und der Partei "Die Linke" zur Ausgestaltung der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik sind sehr unterschiedlich. Während die moderne Sozialdemokratie erkannt hat, dass die großen Herausforderungen unserer Zeit -- Globalisierung und demographische Entwicklung -- die Anforderungen an staatliches Handeln stark verändert haben, glaubt die Linkspartei noch immer, die heutigen Probleme mit den Mitteln der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts lösen zu können. Die Realität sieht aber anders aus: Kommunikations- und Transportwege erschließen mittlerweile beinahe jeden Winkel unseres Planeten, viele Produkte können dort hergestellt werden, wo die günstigsten Bedingungen herrschen und das Kapital wird da investiert, wo es die meisten Profite erzielen kann. Gleichzeitig altert unsere Gesellschaft zunehmend, weil die Zahl der Geburten seit Jahren zurückgeht und die Menschen immer länger leben. Wenn wir unsere sozialen Sicherungssysteme nicht jetzt an diese Herausforderungen anpassen und zukunftsfähig machen, werden sie in spätestens 20 Jahren endgültig kollabieren. Wer glaubt, alles beim Alten belassen und einen Zaun um unser Land ziehen zu können, belügt nicht nur die Menschen, sondern verspielt auch unseren Wohlstand.
Auch die außenpolitischen Positionen machen -- wie von Ihnen richtig erwähnt -- eine Zusammenarbeit unmöglich. Die Partei "Die Linke" lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr generell ab. Unstreitig ist aber, dass die Verantwortung Deutschlands für den weltweiten Frieden gewachsen ist. Unsere Außenpolitik dient dem Ziel, Konflikte zu verhindern und Frieden zu schaffen. In einzelnen Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen kann dies auch bedeuten, die Bundeswehr in andere Länder zu entsenden, um den dort lebenden Menschen das Überleben und eine friedliche Zukunft zu sichern. Unsere Außenpolitik basiert zudem auf einer engen Zusammenarbeit mit anderen Ländern, da Interessen in der Welt nur gemeinsam zur Geltung gebracht werden können. Grundlage der Zusammenarbeit in internationalen Organisationen ist die gegenseitige Bündnistreue, auf die sich jedes Mitglied verlassen kann. Eine generelle Ablehnung von Auslandseinsätzen würde eben diese Verlässlichkeit gefährden und unser Land in die internationale Isolation treiben.
Jede politische Koalition erfordert Kompromisse. Die Entscheidung über bestimmte Koalitionen muss deshalb immer in Abwägung der notwendigen Kompromisse getroffen werden. Aufgrund der oben genannten Gründe bin ich der Überzeugung, dass wir durch eine Koalition mit der Partei "Die Linke" den Wohlstand in Deutschland verspielen würden. Deshalb bin ich auch weiterhin strikt gegen eine solche Kooperation auf Bundesebene. Auf Landesebene kann diese Frage anders beantwortet werden. Denn grundsätzlich kann jeder Landesverband eigenständig über Kooperationen mit anderen Parteien entscheiden. Gibt es aber wie in Hessen vor einer Wahl Festlegungen und verbindliche Aussagen zu bestimmten Koalitionsoptionen, müssen diese selbstverständlich auch nach der Wahl Bestand haben. Deshalb bin ich auch weiterhin strikt gegen jede Form der Kooperation mit der Partei "Die Linke" in Hessen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Wend