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Frage von Jörg J. •

Frage an Rainer Wend von Jörg J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Dr. Rainer Wend ,

nie hätte ich mir vorstellen können, dass es einmal nötig sein würde, öffentlich zu beklagen, dass ausgerechnet ein SPD-Minister gegen den Artikel 9 des Grundgesetzes (Koalitionsfreiheit) verstößt. Doch exakt dies ist der Fall, denn der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück betreibt ein "Gewerkschaftsverbot durch die Hintertür".

Mit einem am 20. Februar 2007 verfassten Erlass des BMF wird den Vertretern der Gewerkschaft der Polizei der gewerkschaftliche Sonderurlaub (§ 6 SUrlVO) versagt. Ein redaktioneller Klammerzusatz in der Satzung der Gewerkschaft der Polizei ("Bundesfinanzpolizei"), von dem man sich inhaltlich zu distanzieren habe, ist demnach Grund dafür. Mein Gewerkschaftsvorsitzender Konrad Freiberg hat diesen Vorgang vor wenigen Wochen im SPIEGEL www.spiegel.de als klaren politisch motivierten Rechtsbruch bezeichnet.

Als absolut nur ehrenamtlich tätiger Gewerkschaftler in der GdP, der bundesweit für die Kolleginnen und Kollegen unterwegs ist, ist dieser Sonderurlaub für mich unverzichtbar. Ich investiere ansonsten dafür meinen persönlichen Erholungsurlaub oder erarbeitete Überstunden, die berufsbedingt abends, nachts oder an Wochenenden entstehen.

Der Arbeitgeber kann seine Dienstzeit zur Vorbereitung von Entscheidungen nutzen. Gewerkschaften dürfen dies nicht. Um auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber sein zu können, wurde der genannte Sonderurlaub geschaffen. Genau diese Möglichkeit wird durch den Erlass aus dem Hause Steinbrück durch die "kalte Küche" abgeschafft.

Meine Fragen:

1. Wie stehen Sie zu diesem Vorgang?

2. Welchen Rang räumen Sie der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 des Grundgesetzes ein?

3. Was empfehlen Sie mir, um gegen diesen unerträglichen Zustand erfolgreich vorzugehen?

Vielen Dank für Ihr Interesse.

Mit freundlichen Grüssen

Jörg Jungheinrich
Vorstandsmitglied der Kreisgruppe Westfalen der GdP-Bundesfinanzpolizei

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Sehr geehrter Herr Jungheinrich,

wie Sie in Ihrer Anfrage bereits andeuten, ist eigentlicher Streitpunkt des Erlasses des Bundesfinanzministeriums vom 20. Februar 2007 nicht die Frage, ob Gewerkschaftern Sonderurlaub gewährt wird oder nicht. Vielmehr geht es um die Frage, ob es eine "Bundesfinanzpolizei" gibt. Hierzu vertreten der für die Organisation und Strukturierung der Bundesverwaltung zuständige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, unterschiedliche Positionen.

Hintergrund dieser Auseinandersetzung ist, dass es Mitarbeiter der Bundesfinanzverwaltung und hier besonders der Zollfahndung gibt, die in der GdP aktiv sind und in dieser Funktion gewerkschaftlichen Sonderurlaub beantragt haben. Diese Anträge wurden abgelehnt, da Sonderurlaub grundsätzlich nur für Mitglieder berufseigener Gewerkschaften gewährt werden kann. Hierzu zählen für die Bundesfinanzverwaltung die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) und ver.di. Die GdP gilt als berufsfremde Gewerkschaft, so dass hier kein Sonderurlaub gewährt werden kann.

Verschiedene Gerichte haben die Ablehnung der Anträge auf Sonderurlaub bestätigt, da der Zoll bislang nicht in der Satzung der GdP erwähnt wurde. Die GdP hat daraufhin ihre Satzung geändert und um den Begriff "Vollzugsbeschäftigte der Polizei (Bundesfinanzpolizei)" ergänzt. Nach Angaben der GdP existiert Kraft der Tätigkeit der Beschäftigten eine solche "Bundesfinanzpolizei".

Peer Steinbrück, der als Bundesfinanzminister die Entscheidungshoheit über die Struktur seiner Verwaltung hat, verneint allerdings die Existenz einer "Bundesfinanzpolizei". Würde er in der aktuellen Auseinandersetzung nachgeben und für Gewerkschafter der GdP Sonderurlaub gewähren, würde dies eine mittelbare Anerkennung des Begriffs der "Bundesfinanzpolizei" bedeuten. Die GdP würde dadurch die Organisationsstruktur der Bundesfinanzverwaltung ändern und einen Verwaltungszweig benennen, den es nicht gibt. Einen solchen Eingriff in seine Kompetenzen kann der Bundesfinanzminister nicht zulassen.

Nun ist Peer Steinbrück nicht allein aus Prinzip gegen die Einführung einer "Bundesfinanzpolizei". Nach seiner Einschätzung ist eine "Bundesfinanzpolizei" nicht notwendig, da die Kernaufgaben der Zollverwaltung in der Sicherung der Einnahmen des Bundes liegen. Die zur Erfüllung dieser Aufgaben zugewiesenen Vollzugsbefugnisse sind nur Anhang dieser Grundausrichtung und dienen ihrer Durchsetzung. Die Definition des Begriffs "Bundesfinanzpolizei" würde zudem eine Vielzahl von organisatorischen, rechtlichen und vor allem auch verfassungsrechtlichen Fragen aufwerfen und auch auf die entsprechenden Haushaltstitel enorme Auswirkungen haben. Außerdem würde sich die Frage stellen, ob eine "Bundesfinanzpolizei" zum Zuständigkeitsbereich des Bundesfinanzministeriums gehört, da die Polizei dem Einflussbereich des Innenministeriums unterstellt ist. Vor allem zur Gewährleistung der Flexibilität ist es aber enorm wichtig, den Zoll als Einheit zu erhalten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Wend