Frage an Rainer Stinner von Rolf S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Stinner,
in dem Webartikel "Seeräuber vor Afrika" werden Sie mit folgendem Zitiert "Der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner sagte: "Sollte sich herausstellen, dass hier keine genügenden Vorkehrungen getroffen wurden, so dass die Piraten freigelassen werden müssen, wäre das untragbar und für die Motivation der Soldaten verheerend."" Quelle: http://www.stern.de/panorama/:Seer%E4uber-Afrika-Piraten/656749.html
Im 17. Jahrhundert wurde ohne groß Tamtam ein Pirat gehängt. Das Geschrei währe heute bei den Politkorrekten groß, würde die Bundeswehr nach den selben Regeln wie damals verfahren. Durch diverse völkerrechtliche Verträge währe das ohnehin nicht mehr möglich.
Die Piraten vor ein deutsches Gericht schleppen mag man auch nicht, weil diese vermutlich sofort Asyl beantragen und für die Gefängnisunterbringung viel Geld aufgewendet werden muss.
Aus dem selben Grund wollen auch andere Drittländer diese Piraten nicht haben.
Die Bundeswehr aus der Region abziehen, damit es nicht zu gefangenen kommt, mag man auch nicht.
Welche Alternative sehen Sie selbst in dieser verzwickten Lage?
Sehr geehrter Herr Schneider,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Ehrlich gesagt, sehe ich keine verzwickte Lage, sondern eine ganz einfache:
Völkerrechtlich ist glasklar geregelt, dass der Staat, der Piraten Gefangen nimmt, diese bei sich verurteilen kann oder an einen interessierten Drittstaat zur Strafverfolgung übergeben darf. Und nun stehen wir, steht Deutschland, vor der simplen Frage: Ist unsere Interesse an der Freiheit der Meere und der Sicherheit der Seewege groß genug, dass wir in Kauf nehmen, dass eventuell eine geringe Anzahl von Piraten vielleicht unter Umständen nach Deutschland kommt und nicht wieder abgeschoben werden kann, oder ist dieser Umstand für uns so erschreckend, dass wir von Piratieriebekämpfung lieber ganz die Finger lassen. Das ist keine verzwickte Situation, sondern eine einfache Abwägung: was will ich erreichen, und wieviel Mühe und Kosten ist es mir das wert.
Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag im Dezember einen Mandatsantrag vorgelegt, in dem die Gefangennahme von Piraten eindeutig als Teil des Auftrags definiert ist. Ist es wirklich zuviel verlangt, dass die Bundesregierung sich dann auch rechtzeitig Gedanken darüber macht, was zu tun ist, wenn der Fall wirklich eintritt? Es ärgert mich einfach maßlos, dass jetzt der Eindruck erweckt wird, als wäre mit den Festnahmen urplötzlich eine völlig unvorhersehbare Situation eingetreten. Die Bundesregierung laviert in dieser Frage seit einem dreiviertel Jahr völlig plan- und konzeptionslos hin und her. Andere Länder haben ein Auslieferungsabkommen mit Kenia, warum Deutschland noch nicht? Diese Frage konnte mir bis heute niemand beantworten.
Meine Meinung ist eindeutig: Am liebsten wäre mir die Auslieferung der Piraten an einen Drittstaat. Wenn das - durch die mangelnden Vorkehrungen der Regierung - nicht geht, dann müssen die Piraten eben in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Eine Freilassung ist für mich die mit Abstand schlechteste Lösung. Denn dadurch würde das Grundproblem weiterhin ungelöst bleiben und der Einsatz müsste bis in alle Ewigkeit weitergeführt werden. Nicht zuletzt wäre eine Freilassung völlig demotivierend für unsere Marine-Soldaten, die ihren Auftrag diesmal genau so ausgeführt haben, wie es der Bundestag gewollt und beschlossen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Stinner MdB