Frage an Rainer Stinner von Hans D. bezüglich Finanzen
Warum wurden bislang keine Schulden abgebaut?
Sehr geehrter Herr Dr. Stinner,
aus dem Pool enttäuschter Wähler stellt sich mir die Frage, wieso und warum bei florierender Finanzlage nicht längst mit dem Schuldenabbau begonnen wurde. Es wäre ein Leichtes gewesen, den mindestens in dem Umfang zu betreiben, wie die Niedrigzinslage einen überplanmäßigen "windfall profit" hätte ermöglichen können. Statt dessen immer weitere Neuverschuldung bis 2015 (!) und Verplemperung von Finanzmitteln in unsinnige "soziale Wohltaten" wie Betreuungsgeld etc. und ständiges Einknicken vor dem Koalitionsfrieden.
Statt anfänglich die Backen zu voll mit Steuersenkung zu nehmen, wär die Verschuldung ein mehr versprechendes Betätigungsfeld gewesen. Unsere Kinder werden mal zornig auf unseren Grabplatten herumtrampeln und nicht verstehen, dass wir "alles so einfach mit uns machen ließen" und uns schlecht regieren ließen. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis herrscht gallige Unzufriedenheit und wir entrüsten uns. Liberale Grundwerte sind hoffentlich nicht so verkommen, um zu allem zuzustimmen!
Wenn uns schon bei Kauf von Bundestiteln real Kapital entzogen wird, könnte man umgekehrt mehr Haushaltsdisziplin einfordern.
Mit Grüßen, Hans Devin
Sehr geehrter Herr Devin,
Sie drücken in Ihrer mail eine gewisse Einstellung und Stimmung aus, die durchaus weit verbreitet, dennoch meines Erachtens nicht ganz berechtigt ist.
Deutschland ist nicht allein in Europa und der Welt. Und wenn Sie vergleichen, wie Deutschland durch die Krise gekommen ist, dann müssten selbst die größten Kritiker der Regierung dieser zu ihrer Leistung gratulieren (tun sie natürlich nicht). Wir hatten vor 4 Jahren noch eine geplante Neuverschuldung von 80 Mrd. €, ab 2014 haben wir ein strukturell ausgeglichenen Haushalt. Bei einem Volumen des Bundeshaushalt von ca. 300 Mrd. € ist das eine gigantische Leistung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat die schwarz-gelbe Koalition es geschafft, das die Ausgaben im letzten Jahr einer Legislaturperiode geringer sind als im ersten Jahr. Auch das müsste eigentlich Grund für Lob und Anerkennung sein. Das mag Ihnen als nicht ehrgeizig genug erscheinen, aber es bleibt festzuhalten, dass dies in Vergangenheit niemandem gelungen ist. Ich betrachte das als Erfolg. Vor allem vor dem Hintergrund, dass wir in dieser Zeit auch noch die Bareinlage für den ESM in Höhe von 21,7 Mrd. € aufbringen mussten und die Länder und Kommunen um 22 Mrd. € auf Kosten des Bundes entlastet haben.
Wenn sich die Zahlen, etwa bei der nächsten Steuerschätzung, weiter verbessern, dann wollen wir die dadurch frei werdenden Mittel auch konsequent für den weiteren Abbau der Neuverschuldung nutzen. Nun geht Ihnen das alles nicht schnell genug. Aber wie hätten wir denn die 15 Mrd. Neuverschuldung in 2012 im Haushalt von 300 Mrd. einsparen sollen? Hätten wir den Zuschuss zu Rentenversicherung entsprechen kürzen sollen, was zu einer Rentenkürzung geführt hätte? Hätten wir die Beamtengehälter kürzen sollen? Hätten wir aus der UNO austreten sollen, um Beiträge zu sparen? Hätten wir keine Straßen bauen sollen? etc., etc. Der von dieser Regierung betriebene Konsolidierungspfad konnte sinnvollerweise nur schrittweise erfolgen. Das ist gelungen. In den Bundesländern, in denen unsere verehrte politische Konkurrenz regiert, wird gerade genau das Gegenteil gemacht, z.B. in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen.
Ihre Kritik an den Zinssätzen für Bundesanleihen verstehe ich allerdings gar nicht: Niemand ist gezwungen deutsche Staatsanleihen zu kaufen. Deutschland genießt bei Kapitalanlegern zu Recht einen ausgezeichneten Ruf. Das liegt eben auch an der guten Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Koalition und von den günstigen Zinssätzen profitieren wir alle, und niedrige Zinsen sind ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Stinner MdB