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Frage von Niki E. •

Frage an Rainer Stinner von Niki E. bezüglich Recht

Sehr geehrter Dr. Stinner,

Ich habe ihnen vor einigen Wochen schon einmal eine Frage zur inneren Sicherheit gestellt, und möchte ihnen zunächst für ihre ausführliche Antwort danken. Es gibt allerdings einen Punkt, der mir hier keine Ruhe lässt. Sie schreiben: "Mit uns wird es keine heimlichen Online-Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss geben, wie Schäuble das will".
Ich verstehe das so, dass heimliche Online-Durchsuchungen mit Richtervorbehalt mit der FDP zu machen sind. Ist das richtig?

Meine Frage: warum? Die derzeitige Gesetzeslage ist soweit ich weiß so, dass alle eingehenden und ausgehenden Online-Aktivitäten, also etwa aufgerufene Webseiten, versendete und empfangene Nachrichten heute bereits "abgehört" werden dürfen. Außerdem kann der gesamte Inhalt meiner Festplatte im Rahmen einer Hausdurchsuchung ausgewertet werden. Allerdings stellt eine Hausdurchsuchung einen so großen Einschnitt in meine Privatsphäre dar, dass sie nie heimlich, sondern nur in Anwesenheit von Zeugen ausgeführt werden darf. Warum soll dieser Schutz jetzt für meine Festplatte aufgehoben werden, die sich ja auch in meiner Wohnung befindet und Teil meiner Privatsphäre ist?

Andersherum gefragt: Wären sie dafür, dass man "klassische" Hausdurchsuchungen heimlich ausführen darf, also mit richterlicher Genehmigung, aber ohne Zeugen, in Abwesenheit des Betroffenen oder Vertreter des Betroffenen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum fänden sie diese Vorgehensweise dann bei einer Festplatte akzeptabel?

(Mir ist natürlich auch klar, dass es keine heimlichen Durchsuchungen in einer FDP-Alleinregierung geben würde, und dass so ein Punkt immer ein Kompromiss mit dem Koalitionspartner wäre. Trotzdem interessiert es mich, warum sie gerade in diesem Punkt kompromissbereit wären.)

Mit freundlichen Grüßen,

Niki Estner

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Estner,

herzlichen Dank für Ihre Frage, die mir die Möglichkeit zur Klarstellung gibt:

Online-Durchsuchungen sind ohne Zweifel ein schwerer Eingriff in die Grundrechte. Dieser Eingriff darf aus unserer, liberaler, Sicht nur erfolgen, wenn er rechtstaatskonform ist und wenn er notwendig ist. An beidem gibt es berechtigte Zweifel. Eine Online-Durchsuchung ohne Richtervorbehalt entspricht in keinem Fall unserem Rechtstaatsverständnis. Deshalb lehnen wir dies grundsätzlich ab.

Bei Online-Durchsuchungen mit Richtervorbehalt wird die Sache etwas komplizierter. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum großen Lauschangriff festgelegt, es müsse einen Kernbereich privater Lebensführung geben, der definitiv nicht staatlich überwacht wird. Beim großen Lauschangriff bedeutet das, die Ermittler müssen die Abhörung unterbrechen, wenn die abgehörten Personen eindeutig private Dinge bereden. Damit wird die gesamte Abhörung natürlich wenig ergiebig für Ermittlungsbehörden. Das ist der Preis, den wir für unseren Rechtstaat zahlen müssen.

Wenn man das gleiche Kriterium des Verfassungsgerichts an die Online-Durchsuchung anlegt, dann heißt das: Jeder von uns hat auf seiner privaten Festplatte sehr persönliche Dinge gespeichert. Das reicht von Kontoauszügen über Briefen bis zu Tagebüchern. Ein Ermittler muss diese Daten jedoch erst sichten, bevor er Privates aussortieren kann - und genau dies wird den Anforderungen des höchsten deutschen Gerichts nicht gerecht. Und deshalb sehe ich nicht, wie ein Gesetz zur Online-Durchsuchung verfassungskonform gestaltet werden könnte.

Ihre Analogie zu einer Hausdurchsuchung stimmt hier nicht ganz. Selbstverständlich kann eine Hausdurchsuchung auch ohne Anwesenheit des Betroffenen durchgeführt werden. Sonst ließe sich ja jeder Durchsuchungsbefehl einfach durch Abwesenheit aushebeln. Allerdings müssen gewisse rechtstaatliche Grundsätze gewahrt bleiben. Das sehe ich bei den Vorschlägen von Schäuble nicht. Und die saloppe Art, in der Minister Schäuble und einige seiner CDU/CSU-Kollegen über derart tiefgehende rechtliche Probleme hinwegsehen, bestärkt mich in meinem Misstrauen natürlich noch zusätzlich.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Stinner