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Frage von Benjamin C. •

Frage an Rainer Stinner von Benjamin C. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Stinner,

1. Die Schulden Deutschlands belaufen sich auf rund 2000 Mrd €. Die Verpflichtungen aus der sogenannten "Euro-Rettung" sind schwer zu schätzen, diese liegen nach meinen Recherchen bei aktuell 800 Mrd€ (Quelle: Ifo Institut), könnten aber noch deutlich ansteigen, ich schätze 1500 Mrd€ in 2 Jahren. Welchen Quellen soll man vertrauen? Es gibt zu möglichen Risiken keine offiziellen Angaben, weder von der Seite der Bundesbank noch dem Bundesfinanzministerium.

2. Warum spielt die Regierung und das Parlament die hohen Risiken in Bezug auf das Währungssystem bzw. der EZB herunter? Die Target2 Forderungen erweist sich als große Gefahrenquelle: die Deutsche Bundesbank hat im Euro System Forderungen von 800 Mrd€ gegenüber dem Ausland von sehr fragwürdiger Bonität. Warum verlangt man hier nicht Sicherheiten?

3. Warum gibt es keine Untersuchen zu diesen Sachverhalten, bevor neue unbegrenzte Haftungsvolumina beschlossen werden?

4. Warum verringert die EZB ständig den Standard der verlangten Sicherheiten?

5. Warum werden die Anleihen im Rahmen des Ankaufs von Staatsanleihen bei der EZB nicht zu Marktpreisen gebucht?

6. Wie soll die Geldwertstablität erhalten werden, wenn die Geldmenge derart ausufert? Die Bilanzsumme der EZB beträgt 3000 Mrd€ und steigt im rapiden Tempo (Steigerung um 1000 Mrd€ seit Jahresanfang). Im Gespräch mit der FAZ bezeichnet der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark die Qualität der EZB-Bilanz als "erschreckend". Was passiert bei einer Reihe von Pleiten der Banken im Süden? Wie soll die EZB einen solchen Forderungsausfall verkraften? Wie soll man bei diesen ganzen Vorgängen noch Vertrauen in diese Währung haben? Die massive Kapitalflucht in Spanien und Griechenland wird sich nicht stoppen lassen. Man muss irgendwann als Bürger davon ausgehen, dass die Staatsinsolvenz Deutschlands und eine Währungsreform möglich und nicht unwahrscheinlich ist. Es gibt bereits eine Haftungsunion - sie heißt Europäische Zentralbank.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Cordes,

Sie weisen völlig zu Recht auf Risiken hin, die sich aus der Finanz- und Staatsschuldenkriese ergeben haben. Durch eine kluge Politik versuchen wir, diese Risiken zu minimieren. Durch Nichtstun würden wir das Risiko nur vergrößern.
Sie sprechen insbesondere die Target2-Forderungen der Deutschen Bundesbank bei der EZB an. Diese werden regelmäßig veröffentlicht und belaufen sich nach letztem Stand auf 729 Mrd. Euro. (Quelle: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Statistiken/Aussenwirtschaft/Auslandspositionen_Bundesbank/S201ATB39697A.pdf?__blob=publicationFile )
Ein Forderungsausfall dieses Betrags würde nur dann eintreten, wenn das Euro-System insgesamt auseinanderbricht. Ein solches Szenario hätte zudem erhebliche wirtschaftliche Folgen für uns, die weit gravierender wären als der Target2-Zahlungsausfall.
Die EZB ergreift verschiedene Maßnahmen dagegen. Ihre Fragen zur EZB müssten Sie bitte direkt an die EZB richten ( info@ecb.europa.eu ), da sie unabhängig von der Politik ist und darauf lege ich großen Wert.
Als Bundestag leisten wir ebenfalls unseren Beitrag zur Stabilisierung des Euro-Systems mit verschiedenen Rettungsmaßnahmen. Z.B. hat die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) für Griechenland, Irland und Portugal insgesamt 192 Mrd. Euro vorgesehen, wovon bereits 135 Mrd. Euro ausgezahlt wurden (Quelle: http://www.efsf.europa.eu/about/operations/index.htm ). Für Spanien hat der Bundestag gestern ein Programm von bis zu 100 Mrd. Euro über den EFSF bewilligt. Für die dann insgesamt 292 Mrd. Euro beim EFSF haftet Deutschland mit 29,07%, also mit 84,9 Mrd Euro. Das ist natürlich ein gewisses Risiko, aber wenn wir nichts tun würden, dann wäre das Risiko viel größer.

Mit freundlichen Grüßen,

Rainer Stinner