Portrait von Rainer Stinner
Rainer Stinner
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Rainer Stinner zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Stephan S. •

Frage an Rainer Stinner von Stephan S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Dr. Stinner,

die politische Entwicklung Griechenlands lässt die vergangenen Versuche, dieses Land in der Euro-Zone zu stabilisieren fast hoffnungslos erscheinen. Einige Volkswirtschaftler hatten bereits in der Vergangenheit dazu ihre Bedenken angemeldet, welche sich jetzt mehr und mehr bewahrheiten. Dazu einige Anmerkungen - der Euro wurde als rein politsche Währung eingeführt, ohne die bisweilen erheblichen ökonomischen Diskrepanzen der einzelnen Teilnehmerländer überhaupt hinsichtlich eines einheitlichen Währungsgebietes zu würdigen. Gerade Deutschland hat mit seinen Erfahrungen durch die Einführung der DM damals im Beitrittsgebiet damit sehr schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Nun mag Deutschland zwar diese Last hinsichtlich der Neubundesländer insgesamt schultern können, zwar mit viel Gemurre, aber immerhin. Die Südländer der EU besitzen, ähnlich wie die damalige DDR, einen erheblichen Produktivitätsrückstand. Im Allgemeinen beziffert man diesen auf bis auf ca. 30% . Ähnlich wie in der ehemaligen DDR nach der Einführung der DM, gab es in den Südländern nach der Einführung es Euro einen sehr grossen Kapitalzufluss, welcher vorrangig im Konsum und auch im Konsum auf "Pump" - sprich Investitionen im Bau u.ä. verankert wurde. Renditen wurden versprochen, welche sich als Luftblase erwiesen. Hier wie dort gibt es massenhaft "Investitionsleichen". Nun gibt es wahrscheinlich noch vier Varianten, dieses finanzökonomische Dilemma zu lösen. 1. Eine Absenkung der Preise von Dienstleistungen und Waren der betreffenden Länder mit allen Konsequenzen - dies ist politisch kaum durchsetzbar, ausser man will mit geballter Staatsgewalt Proteste dort niederknüppeln.2. Sparen bis zum Abwinken - mit gleichem Effekt ohne Aussicht auf Erholung der dortigen Wirtschaft. 3. Eine weitere Transferunion - bedeutet Versailles II für Deutschland und nicht nur für Deutschland.
4. Einen Ausstieg der Südländer, Abwertung der Währung und Neuanfang. Welchen Standpunkt vetreten Sie?

Portrait von Rainer Stinner
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schreiter,

herzlichen Dank für Ihre Frage.

Ich glaube, dass nur ein Mix von Maßnahmen helfen wird. Eine Transferunion, bei der die reicheren Länder zahlen, die Krisenländer aber nicht reformieren, wird mit Sicherheit scheitern, denn Deutschland und die anderen Geberländer sind gar nicht in der Lage, dauerhaft eine solche Last zu schultern. Deshalb kann ein Land auch nur dann mit weiterer Unterstützung rechnen, wenn es seine eingegangenen Verpflichtungen erfüllt.

Die notwendigen Reformen sind aber nicht gleichzusetzen mit einem reinen Sparprogramm. Dieser Fehler wird leider in der öffentlichen Debatte häufig gemacht. Wenn in Griechenland die Verwaltung auf Vordermann gebracht wird, überflüssige Posten im öffentlichen Dienst gestrichen werden, Wettbewerbsbeschränkungen für Unternehmen aufgehoben werden und ein vernünftiges Steuersystem eingeführt wird, dann ist das wesentlich mehr als ein reines Sparprogramm. Ich warne auch davor, alle Krisenländer in einen Topf zu werfen. Die Probleme die Spanien oder Italien haben, sind lange nicht so tiefgreifend, wie die griechischen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist eine ganz andere.

Entscheidend ist, dass Europa weiter an einem Strang zieht und eine glaubwürdige Perspektive für die nächsten Jahre aufzeigt. Das erscheint mir das Wichtigste. Wir konzentrieren uns, entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, durchaus nicht auf ein angebliches "Kaputtsparen", sondern wollen einen Dreiklang erreichen aus Solidität, Solidarität und Wachstum. Solidität entsteht durch den Fiskalpakt, mit dem die Länder sich verpflichten, keine übermäßigen Schulden mehr zu machen. Solidarität sind die europäischen Rettungsschirme, mit denen den akuten Krisenländern geholfen wird. Wachstum entsteht zum einen durch Strukturreformen in den Ländern, aber auch durch eine stärkere Ausrichtung der EU-Förderprogramme auf unternehmerisches Wachstum.

Das bedarf noch großer Anstrengung und leider ist eine schnelle Lösung nicht in Sicht. Ein Auseinanderbrechen des Euro ist für mich aber immer noch mit Abstand die für Deutschland und Europa teuerste und schlechteste Alternative.

Mit besten Grüßen
Rainer Stinner