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Frage von Joe W. •

Frage an Rainer Stinner von Joe W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Stinner,

Wie werden SIE abstimmen, wenn am Montag, den 27.02.2012 im Bundestag eine Abstimmung erfolgt bezüglich des "2. Rettungspaket für Griechenland" in einer EU Gesamthöhe von 130 MRD Euro?

Ich bitte Sie darum, NICHT für dieses Paket zu stimmen, da es sich – nach Meinung etlicher Finanzfachleute - um eine Insolvenzverschleppung seitens Griechenland handelt und letztendlich der deutsche Steuerzahler dafür zur Kasse gebeten wird. Können Sie es verantworten, dass wir, wie auch zukünftige Generationen in Deutschland eine steuerliche Last zu tragen haben, welche sicherlich noch grösser wird als bisher kalkuliert?

Ferner bitte ich um Klarstellung, ob Ihnen von der EU-Finanzminister Vereinbarung bezüglich dieses Rettungsschirms der Text in deutscher Sprache vorliegt?

Mit freundlichen Grüssen
Jo Wolf

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Wolf,

Ich habe dem Griechenland-2-Paket zugestimmt. Mir sind die ganzen damit zusammenhängenden Probleme bekannt, aber ich glaube, diejenigen, die sagen, man dürfe erst etwas entscheiden, wenn man sich über alle Folgen im Klaren wäre, begehen einen Denkfehler, nämlich den, dass Nicht-Handeln keine Folgen hätte. Wenn der Bundestag am Montag dieses Paket abgelehnt hätte, wäre eine unkontrollierte Insolvenz Griechenlands die Folge gewesen. Ich befürchte, dass hätte dann auch Italien und Spanien in die Krise gerissen, würde die griechische Gesellschaft völlig zerstören und den Euro gefährden. Und dass Deutschland in einem kollabierenden Europa die einzige Insel der Seligen bleiben könnte, daran glaube ich nun wirklich nicht. Ich gebe gerne zu, dass dies für mich eine der schwierigsten Entscheidungen meiner Amtszeit war. Deutschland ist für die Griechenland-Rettung jetzt mit 60Mrd.€ im Risiko. Ich verstehe jeden, dem dabei schwindelig wird, es ist ein großes Risiko, aber es ist auch ein begrenztes und planbares Risiko. Die Alternative ist weder planbar noch begrenzt.

Der Bundesregierung wird oft vorgeworfen, sie habe bei der Eurorettung keinen Plan und keine klare Linie. Das ist eindeutig falsch. Woran wir arbeiten, ist die Umsetzung eines Dreiklangs, der aus Solidarität, Solidität und Wachstum besteht:
Solidarität: Dazu gehört das Griechenland-Paket und dazu gehören die Euro-Schutzschirme EFSF und ESM. Damit macht Europa deutlich, dass es zusammensteht und sich eben nicht einzeln von den Märkten vor sich her treiben lässt. Und die Erfahrungen der letzten Wochen, die gelungenen Refinanzierungen z.B. von Italien und Spanien zeigen, dass wir damit bisher nicht falsch lagen.
Solidität: Dazu gehören die Reformen in den Krisenländern und dazu gehört der Fiskalpakt. Die Umsetzung dieses Paktes, also die Einführung einer Schuldenbremse, wird in Zukunft Voraussetzung für weitere Hilfe sein. Ich weiß, dass wir uns gerne auf das konzentrieren, was in den Ländern noch fehlt und nicht schnell genug geht, aber was in Ländern wie Italien, Spanien und Portugal gerade vor sich geht, ist ein völliger Kultur- und Mentalitätswandel, der nach meiner Ansicht den Zusammenhalt in Europa am Ende viel stärker werden lässt als in der Vergangenheit. Die Regierungen aller Länder, die EU-Hilfen in Anspruch nehmen mussten, sind hinweggefegt worden. Ich glaube, das Risiko wird keine Regierung mehr mutwillig eingehen.
Wachstum: Klar ist, nur durch Sparen werden die Problemländer nicht genügend Fortschritte machen können. Entgegen aller Vorwürfe weiß das auch die Bundesregierung und handelt entsprechend. Denn natürlich wächst die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, wenn sich die Löhne an der Produktivität orientieren, wenn ein riesiger unproduktiver öffentlicher Sektor zusammengestutzt wird und wenn durch Liberalisierung von Wirtschaftsbereichen neue Chancen für Unternehmen entstehen. Hier können wir in Einzelfällen noch besser werden, etwa EU-Mittel weniger auf Infrastruktur, wie Straßenbau , ausrichten, sondern mit diesen Mitteln echte Wachstumsimpulse für Unternehmen schaffen, aber auch hier stimmt die grundsätzliche Richtung. Wir müssen das nur besser argumentieren.
Wir stehen vor der schwierigen Lage, Fehler der Vergangenheit korrigieren zu müssen. Und zwar nicht nur die Fehler der anderen, sondern auch unsere eigenen: Deutschland hat die Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages zuerst gebrochen, und damit alle Dämme eingerissen. Die Solidarität, die wir mit schwächeren Euro-Staaten üben, ist kein „Geschenk“, sondern sie ist in unserem eigenen deutschen Interesse.

Mit besten Grüßen
Rainer Stinner