Frage an Rainer Stinner von Ottmar M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag Herr Stinner,
Sie sind der außenpolitische Experte der FDP.
2003 haben die USA den Irak unter Mißachtung der UN-Charta mit der Behauptung angegriffen, das Land verfüge über Massenvernichtungswaffen und unterstütze den Terror. Inzwischen haben selbst US-Regierungsmitglieder (Powell, Wolfowitz) zugegeben, daß dies nur erfunden wurde und der Irak weder Massenvernichtungswaffen besaß noch den Terror unterstützte. Der Krieg forderte nach Schätzungen internationaler Organisationen zahllose zivile Opfer, auf diversen Internetplattformen sind die Verbrechen der Besatzer dokumentiert. Der Irak ist bis heute nicht regierbar, die Staatsfinanzen der USA sind ruiniert. Nun strebt angeblich der Iran nach Atomwaffen. Welche Beweise gibt es für diese Behauptungen? Warum soll dem Land die friedliche Nutzung der Kernkraft ohne Abhängigkeit vom Westen vorenthalten werden? Warum werden die realen israelischen Atomrüstungen nicht thematisiert? Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Selbst nach Aussagen der Bundesregierung missachtet Israel Völkerrecht. Warum wird das nicht sanktioniert? Gegen wen und warum soll der Iran überhaupt Krieg führen? Der Irak stellte angeblich eine Gefahr für die gesamt Welt dar. Tatsächlich konnte das Land den USA militärisch so gut wie nichts entgegensetzen. Wie soll der Iran gegen die Atommächte Israel /USA Krieg führen? Welchen Sinn soll ein Angriff auf Israel haben, welches geografisch nur mit Raketen, angegriffen werden kann, haben? Ein Angriff würde doch sofort einen nuklearen Gegenschlag Israels /der USA hervorrufen? Welche Länder hat der Iran im Gegensatz zu den USA und Israel bisher angegriffen? Was sollen hier also neue Sanktionen gegen den Iran? Die USA, die NATO, selbst die Bundesrepublik Deutschland erklären öffentlich, ihre wirtschaftlichen Interessen auch militärisch abzusichern. Welche Möglichkeiten, eigene Interessen durchzusetzen, gesteht der Westen denn dem Iran zu?
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Seit 2002 gibt es Besorgnis bei der Internationalen Atom-Energieorganisation IAEO, dass der Iran die Entwicklung von Atomwaffen anstrebt. Der Sicherheitsrat der vereinten Nationen und der Gouverneursrat der IAEO haben den Iran aufgefordert, alle damit zusammenhängenden Aktivitäten einzustellen, dazu gehört die Anreicherung, die Wiederaufbereitung und der Bau von Schwerwasserreaktoren.
Sie haben Recht, einen eindeutigen Beweis dafür, dass der Iran Atomwaffen baut, liegt derzeit nicht vor. Der Iran hätte aber alle Möglichkeiten, durch eine vollständige Kooperation mit der IAEO alle entsprechenden Verdächtigungen auszuräumen. Diese Chance nutzt der Iran bewusst nicht.
Niemand bestreitet dem Iran das Recht auf die zivile Nutzung der Kernenergie. Dazu gehört aber auch, dass der Iran sich an seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag hält, das ist derzeit nicht der Fall.
Sie fragen, gegen wen der Iran Krieg führen wollte. Rein rational betrachtet, habe ich aus iranischer Sicht auf diese Frage auch keine Antwort. Es gibt mir aber durchaus zu denken, dass ausnahmslos alle meine Gesprächspartner aus der arabischen Welt einen Atomwaffenstaat Iran nachdrücklich ablehnen und größte Bedenken dagegen haben.
Ich unterstütze die Sanktionen gegen den Iran, weil ich hoffe, dass damit die iranische Führung hinreichend unter Druck gesetzt werden kann, damit der Konflikt friedlich beigelegt werden kann. Ich befürchte, jede militärische Aktion hätte noch wesentlich schlimmere Folgen für die gesamte Region als der Krieg im Irak.
Ihr Verweis auf Israel ignoriert zwei wesentliche Unterschiede: zum einen ist Israel nicht Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrag, zum anderen, politisch bedeutsamer: Das iranische Atomwaffenprogramm wird von der gesamten Internationalen Gemeinschaft als Bedrohung angesehen, von allen UN-Sicherheitsratsmitgliedern, von der IAEO und von seinen direkten Nachbarn. Die Gründe dafür liegen auch in der bisherigen Außenpolitik und den Äußerungen des iranischen Präsidenten. Diesen Zusammenhang muss man ebenfalls sehen.
Dr. Rainer Stinner MdB