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Frage von Tammo T. •

Frage an Rainer Stinner von Tammo T. bezüglich Wirtschaft

Ich habe gelesen, dass sich Frankreich und Deutschland geeinigt haben Griechenland zu unterstützen und dabei nur auf "freiwillige" Hilfe des privaten Sektors zu setzen.
Was mich dabei beschäftigt ist, dass ja gerade aufgrund der Risiken die Zinsen griechischer Anleihen sehr hoch sind. Wenn der Staat das Risiko übernimmt ist es meiner Ansicht nicht mehr gerechtfertigt, dass die Banken auch noch hohe Zinsen bekommen.
Anscheinend ist es ja so, dass mehr oder weniger die EU die Risiken schultert.
Dann wären aber nur Zinsen gerechtfertigt wie sie Deutschland auch bezahlt. Ich finde es richtig Länder in Not zu unterstützen. Ich halte es aber für unakzeptabel, wenn die Steuerzahler auch noch die hohen Zinsen finanzieren sollen. Wenn schon keine Umschuldung stattfindet, werden dann zumindest die Zinsen beschränkt?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Tjarks,

ganz grundsätzlich haben Sie recht: Die Höhe der Zinsen muss mit dem Ausfallrisiko eines Kredits zusammenhängen. Nur dann kann die Zinshöhe auch ein funktionierendes Regulativ sowohl für den Gläubiger als auch den Schuldner sein. Die hohen Zinsen kommen durch zwei verschiedene Ursachen zustande. Einerseits durch den Wertverfall der Anleihen. Eine Anleihe zu 100 € verzinst sich mit z.B. 5%, d.h. der Gläubiger bekommt pro Jahr 5€ Zinsen. Wenn jetzt die Anleihe auf 50 fällt und jemand kauft diese Anleihe zu 50, dann erhält er natürlich auf pro Jahr 5 € Verzinsung, was auf seinen Kapitaleinsatz von 50 einem Zinssatz von 10% entspricht. Der zweite Grund für die steigende Zinsen ist das schwindende Vertrauen des Marktes in die Schuldner. So musste z.B. Italien noch im Mai bei seinen neuen Anleihen nur einen Zins von 2,5% bieten, bei der Ausgabe gestern aber 4%.

Die von Ihnen angesprochenen hohen Zinsen sind nun zu einer Zeit vereinbart worden, als eben noch nicht klar war, ob und wie die andere Länder, der IWF und die EU sich an der Lösung der griechischen Schuldenkrise beteiligen. Deshalb entsprachen die höheren Zinsen, die dabei vereinbart wurden, auch durchaus dem höheren Risiko. Dass es nun einen EU-Rettungsschirm gibt, ändert and er Vertragsgestaltung zwischen Schuldner und Gläubigern zunächst einmal gar nichts.

Das dies im Ergebnis politisch höchst unbefriedigend ist, da gebe ich Ihnen recht. Deshalb arbeiten wir auch jetzt auf zwei Ebenen:

1. Wir wollen dafür sorgen, dass eine solche Situation nicht wieder vorkommt. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Staatsanleihen in Zukunft mit sogenannten "collective action clauses" ausgestaltet werden, also Bestimmungen, darüber, was im Falle eines Staatsbankrotts geschieht. Damit würden die Käufer von Staatsanleihen von vornherein an dem Risiko beteiligt.

2. Wir müssen die akute Krise lösen. Hier gibt es nun einmal keinen ordnungspolitisch ganz sauberen Weg. Wir müssen es schaffen, eine Umschuldung Griechenlands hinzubekommen, ohne dass in der Folge uns wieder reihenweise Banken in Europa pleite gehen. Dieser Weg lässt sich nur langsam und schrittweise verfolgen. Und da sage ich Ihnen ganz offen: Für mich ist das wichtigste Ziel, dass der Euro und unser Finanzsystem stabil und funktionsfähig bleiben. Dafür bin ich dann auch durchaus zu Kompromissen bereit, die ich nach reiner liberaler Lehre ablehnen müsste.

Ich verstehe jeden, der sich bei diesen Entwicklungen unwohl fühlt. Auch für mich gehört es zu den schwierigsten Entscheidungen , die ich als Bundestagsabgeordneter treffen muss. Ich bin aber nicht bereit, einen Zusammenbruch des Finanzsystems, mit allen seinen negativen Folgen für Deutschland zu riskieren, solange ich begründete Hoffnung habe, dass wir auf einem anderen Weg Erfolg haben können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rainer Stinner MdB