Frage an Rainer Stinner von Tim G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Stinner,
herzlichen Dank für Ihre Antwort, mit der Sie ehrlich und präziese auf meine Frage antworten, ohne auszuweichen, wie man das leider oft erlebt, wenn man Politikern Fragen stellt. Ihre Antwort hebt sich da sehr wohltuend ab und ich hoffe die Redaktion erlaubt, dass das einmal lobend gewürdigt wird.
Zur Sache noch eine Nachfrage: Die Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen mit Russland haben doch hoffentlich eine andere Qualität und finden in einer anderen Atmosphäre statt, wie seinerzeit das zähe ringen um Abrüstung und deren Kontrolle mit dem Warschauer Pakt unter Führung der Russen?
Und verstehe ich es richtig, dass die Wähler aufgrund der von Ihnen beschriebenen Umstände mehr oder minder blind darauf vertrauen müssen, dass die Bundesregierung in diesen verhandlungen die richtigen Ziele mit den richtigen Mitteln verfolgt und vom Bundestag, konkret von Ihnen und Ihren Kollegen und Kolleginnen im Ausschuss dabei richtig kontrolliert werden? Mit anderen Worten gilt in der Außenpolitik nach wie vor das Prinzip, dass der Souverän sich nicht einmischen darf? Woher soll der Wähler dieses blinde Vertrauen schöpfen, woraus kann es sich speisen?
Oder könnte und sollte das Parlament nicht auch darauf hinwirken, dass die Bundesregierung nicht nur den Ausschuss, sondern in angemessener Weise und soweit unter Berücksichtigung der von Ihnen erwähnten Belange möglich, die interessierte Öffentlichkeit ebenfalls über den Stand internationaler Verhandlungen informiert?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Gerber,
danke für Ihr Kompliment.
Zu Ihrer Nachfrage drei Anmerkungen:
1. Ob eine außenpolitische Angelegenheit im Ausschuss geheim oder öffentlich diskutiert wird, bzw. ob die Regierung bestimmte Informationen nur vertraulich im Ausschuss weitergibt oder sie öffentlich macht, hat überhaupt nichts mit der objektiven Wichtigkeit des Gegenstandes zu tun, sondern nur mit der Frage, ob die Veröffentlichung eines bestimmten Sachverhaltes, einer politischen Meinung der Regierung oder eines Verhandlungstandes den Interessen der Bundesrepublik Deutschland schaden würde oder nicht.
2. Es ist ja nicht so, als wären die geheimen Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses der einzige Ort in Deutschland, wo außenpolitische Themen diskutiert werden. In Berlin und in meiner Heimatstadt München finden fast täglich öffentliche Veranstaltungen mit außenpolitischem Bezug statt, an denen auch immer Mitglieder von Bundestag und Bundesregierung teilnehmen. So war Ende September eine große Diskussion in der russischen Botschaft, in der u.a. der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, mit dem Vorsitzenden der russischen Staatsduma diskutiert haben. Der Auswärtige Ausschuss hat in der letzten Sitzungswoche eine öffentliche Anhörung zum neuen strategischen Konzept der NATO durchgeführt. Die können Sie sich komplett anschauen unter http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a03/anhoerungen/index.html
Es gibt auch jede Menge Veröffentlichungen zur Außenpolitik. Ich empfehle Ihnen da sehr die Webseiten der SWP (Stiftung Wissenschaft und Politik) und der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik). Wenn Außenpolitik in Deutschland zu wenig diskutiert wird -was ich so sehe und sehr bedauere - dann liegt das sicher nicht an zu wenig Information für die Öffentlichkeit
3. Wie ich schon in meiner letzten Antwort schrieb: Wenn ein Vertrag ausverhandelt ist und im Bundestag ratifiziert werden soll, dann wird er selbstverständlich veröffentlicht. Und der Bundestag diskutiert darüber auch öffentlich.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Stinner