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Frage von Erich N. •

Frage an Rainer Stinner von Erich N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Stinner,

folgende Frage möchte ich Ihnen als Verteidigungspolitiker stellen. Zur Einleitung stelle ich immer wieder fest, dass Politiker in Deutschland im Bezug auf unser Engagement in Afghanistan immer nur von einer "Exit-Strategie" reden, als von einer Strategie für Afghanistan, wichtig ist doch der Erfolg. Zum Hintergrund möchte ich ihnen diesen Artikel vorlegen, der sich mit Counter-Insurgency beschäftigt. http://weblog-sicherheitspolitik.info/2009/09/02/afghanistan-nicht-offensiv-genug/

Darin wird ein deutscher Offizier zitiert. Man könnte auch sagen, dass Politiker seine Meinung ernst nehmen sollten. Ich muss dies leider so betonen, da seitens aller Parteien (die Linke ganz außen vor) keine konkreten, und ich meine wirklich konkreten, Erklärungen, Strategien, Ziele, Maßnahmen formuliert werden, um die Sicherheitslage im deutsch-verantwortlichen Raum in den Griff zu kriegen.

Der Offizier spricht hier von, ich zitiere:
"Unsere Aktionen verpuffen. Wir fahren in ein Gebiet rein – und so schnell wie möglich wieder raus. Aber wenn wir das Vertrauen der Menschen gewinnen und mit unseren Projekten helfen wollen, müssen wir ihnen Sicherheit bieten. Das heißt, wir müssen dann auch in der Fläche bleiben."
"Wir müssen das so bald wie möglich in den Griff bekommen in Kundus und Umgebung, sonst fährt das gegen die Wand." Und die Amerikaner, da ist er sich sicher, werden nicht zulassen, dass auch der Norden den Alliierten völlig entgleitet. "Wenn sich nach der Bundestagswahl nicht entscheidend etwas ändert, machen die Amis das selbst. So schnell können wir gar nicht gucken."

Der Bundeswehr wird inbesondere von den Amerikanern vorgeworfen, dass sie kein Gegner für die Taliban ist, kaum präsent am Boden ist und nicht in der Lage ist Sicherheit zu gewährleisten. Wie bewerten sie diese Vorwürfe? Wie gedenken Sie als Politiker diese Probleme in den Griff zu bekommen unter dem Aspekt konkreter Maßnahmen, wenn Sie nach der Wahl der Regierung angehören würden?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Nolte,

herzlichen Dank für Ihre Mail.

Sie sprechen eine Reihe von wichtigen Aspekten an, zu denen man eine Menge schreiben könnte. Ich versuche, mich kurz zu fassen:

1. Es ist in der Tat ein grundsätzliches Problem, dass wir in Afghanistan zu wenig Sicherheitskräfte haben, um das gesamte Gebiet dauerhaft zu sichern. Es gibt im Kern zwei Möglichkeiten, das zu ändern: entweder mehr ausländische Soldaten oder eine wesentlich schnellere und intensivere Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten. Und hier muss man auch mal deutlich sagen, dass Deutschland bei der Polizeiausbildung kläglich versagt hat. Deutschland hat vor 8 Jahren die Verantwortung für den gesamten Polizeiaufbau in Afghanistan übernommen, und dann versucht, diese Riesenaufgabe mit 40-80 deutschen Polizisten in Afghanistan zu regeln. Dass das völlig unzureichend ist, hätte jedem klar sein müssen. Es führt kein Weg dran vorbei: Wir brauchen schleunigst mehr Ausbilder in Afghanistan.

2. Sie wollen konkrete Maßnahmen der Politik für die Sicherheit in Afghanistan. Einen wesentlichen Punkt habe ich schon angesprochen. Allerdings bin ich als Politiker kein Militärstratege. Es ist auch nicht die Aufgabe von Politikern, auf dem Feldherrenhügel zu stehen und militärische Taktik auszuarbeiten. Ich frage im Verteidigungsausschuss bei jedem Militäreinsatz, den der Bundestags beschließen muss, die militärische Führung: ist der Auftrag für Sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erfüllbar? Die Antwort darauf lautet immer ja. Und da muss ich mich als Politiker darauf verlassen können.

3. Die Kritik der Amerikaner hat es lange Zeit gegeben. Mittlerweile gibt es aber einen klaren Strategiewechsel. Gerade die Counterinsurgency-Guidance des amerikanischen ISAF-Kommandeurs sagt sehr deutlich: Ziel ist nicht, Taliban zu töten, sondern Afghanen zu schützen. Das bedeutet natürlich, dass auch die Bundeswehr mehr in der Fläche präsent sein muss und vor allem einen wesentlich engeren Kontakt zur Bevölkerung aufbauen muss, als bisher. Hierbei stehen wir aber auch vor dem weiteren Problem, dass wir alle paar Monate die Kontingente wechseln und jeder neue Kommandeur sich das Vertrauen der Bevölkerung wieder neu erarbeiten muss.

Zusammenfassend: Hauptpunkt, der sich ändern muss, ist für mich, mehr Ausbilder nach Afghanistan, längere Stehzeiten in Afghanistan bei den Soldaten, die für den Kontakt zur Bevölkerung zuständig sind (ich bin sicher, dafür lassen sich auch auf freiwilliger Basis genügend Soldaten finden) und eine besser Koordination zwischen Militär und ziviler Hilfe. Und auch hierbei müssen wir bei uns zu Hause anfangen: die Kooperation zwischen den zuständigen Ministerien, Außen, Innen, Verteidigung und Entwicklungshilfe ist klar verbesserungsfähig.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Stinner