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Frage von Bernhard S. •

Frage an Rainer Erdel von Bernhard S. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Erdel,

die Bundesregierung will kurzfristig im November einen Gesetzentwurf einbringen, der die Beschneidung von nichteinwilligungsfähigen Jungen ohne medizinische Indikation legalisiert. Hintergrund ist ein Urteil des LG Köln von Mai und eine Bundestagsresolution vom 19. Juli 2012. Über 60 Ihrer Kolleginnen und Kollegen haben jetzt einen Alternativentwurf vorgelegt, der die Legalisierung dieses mit Risiken behafteten, schmerzhaften und irreversiblen Eingriffs von der Einwilligung ab dem Alter von 14 Jahren und nur durch zugelassene Fachärzte nach ausführlicher Aufklärung vorsieht.
Können Sie diesem Alternativentwurf zustimmen?
Sind Sie mit mir der Meinung, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht vereinbar ist mit dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2,2 GG), dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3, Satz 1 und 2 und dem Artikel 24,3 der UN-Kinderechtskonvention, der die Vertragsstaaten verpflichtet „alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen zu treffen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen"?

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Schoch

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schoch,

haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben zur gesetzlichen Regelung der religiösen Beschneidung minderjähriger Jungen.

Das Urteil des Landgerichts Köln mit der Wertung von religiöser Beschneidung als rechtswidrige Körperverletzung hat für große Verunsicherung vor allem bei jüdischen und muslimischen Gläubigen gesorgt. Auch Ärzte sind verunsichert, ob sie strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie künftig Beschneidungen vornehmen. Gerade in der öffentlichen Diskussion in den letzten Monaten wurde deutlich, dass das Beschneidungs-Urteil auch als religiöse Diskriminierung empfunden werden kann.

Fakt ist, dass auf schnellstmöglichem Wege Rechtssicherheit geschaffen werden musste – schließlich handelt es sich um ein sehr persönliches Thema, das zu sehr großer Verunsicherung führte. Ich begrüße es auch ausdrücklich, dass es eine Gruppe von Abgeordneten gab, die einen alternativen Gesetzesentwurf ausarbeiteten. Damit wurde die öffentliche Diskussion und die Auseinandersetzung mit allen Argumenten intensiviert und gewährleistet. Um es vorweg zu nehmen: Diesem alternativen Gesetzesentwurf konnte ich aber nicht zustimmen.

Lassen Sie es mich begründen:
Der alternative Gesetzentwurf schließt die von Juden am achten Tag nach der Geburt und von Muslimen ebenso in jüngeren Jahren praktizierte Beschneidung aus, da der Junge mindestens 14 Jahre alt sein muss. Zudem sollen Beschneidungen nur von Kinder- und Jugendchirurgen oder Urologen durchgeführt werden können. Problematisch an dieser Art der Neuregelung wäre die eigentliche Bedeutung der religiösen Beschneidung, nämlich den Eintritt in den Bund mit Gott. Das Recht auf Religionsausübung würde durch den Eingriff in jüdische Feste tangiert werden: Die Bar Mizwa, also das Fest zur Erlangung der religiösen Mündigkeit und zur Vollmitgliedschaft in der Synagogengemeinde, findet am Schabbat nach dem 13. Geburtstag statt, kommt also chronologisch nach dem Beschneidungsfest. Ein Verbot der Beschneidung verhindert den Eintritt des Kindes in die Religionsgemeinschaft als solches und betrifft nicht nur die Art und Weise der Religionsausübung. Eine zeitliche Verschiebung dieser Feste würde die Religionsfreiheit verkennen und keinerlei Verständnis für religiöse Überzeugungen offenbaren.

Des Weiteren wird durch die Strafbarkeit von Beschneidungen erheblich in das Erziehungsrecht eingegriffen. Die Entscheidung über die Erziehung des Kindes obliegt grundsätzlich den Eltern des Kindes. Das gilt auch gerade für die Religion des Kindes. Nur bei einem Missbrauch ihres Erziehungsrechts ist der Staat verpflichtet, dieses für die Eltern auszuüben. Die jüdischen und muslimischen Eltern aber lassen ihr Kind beschneiden, um ihr Kind in ihre Religionsgemeinschaft aufzunehmen.
Eine Strafbarkeit der Beschneidung in Deutschland könnte zu einer familiären Ausgrenzung des Kindes führen, da es bis zu einem gewissen Alter außerhalb der elterlichen Religionsgemeinschaft aufwachsen würde. Zudem setzt man das Kind einer viel größeren gesundheitlichen Gefahr aus, wenn man die Beschneidung in unserem Land unter Strafe stellt. Denn dadurch wird die Beschneidung nicht unterlassen. Viele Eltern sähen sich gezwungen, ihre Kinder von nicht medizinisch ausgebildetem Personen im Ausland beschneiden zu lassen. Die damit für das Kind verbundenen gesundheitlichen Risiken können nicht im Sinne des Kindes sein.

Gerne bleibe ich weiterhin Ihr Ansprechpartner für Mittelfranken und darüber hinaus.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Rainer Erdel, MdB