Frage an Rainder Steenblock von Pierre B. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Steenblock,
in der Zeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 26.8., Seite 2) ist folgendes über das Steuermodell von Herrn Kirchhoff zu lesen:
"Auf einen Nenner gebracht lautet die Grundidee des Steuermodells von Paul Kirchhoff: 25 Prozent für alle. Tatsächlich aber handelt es sich um ein Drei-Stufen-Modell. Zunächst wird jedem Familienmitglied ein Grundfreibetrag von 8000 Euro eingeräumt. Erwerbstätige erhalten eine zusätzliche Kostenpauschale von 2000 Euro. Die nächsten 5000 Euro unterliegen der Steuer nur 60 Prozent, was einem Satz von 15 Prozent entspricht. Die folgenden 5000 Euro weden zu 80 Prozent - also mit einem Satz von 20 Prozent besteuert. Die volle Steuerpflicht mit einem Satz von 25 Prozent greift erst bei einem Einkommen von 20001 Euro.
Wegen des steuerfreien Existenzminimums müssen Geringverdienende einen wesentlich kleineren Anteil ihres Einkommens versteuern als ein Spitzenverdiener. Daher wird der Durchschnittssteuersatz des Geringverdieners wesentlich geringer sein als der des Spitzenverdieners, der knapp unter 25 Prozent liegt."
Angenommen, dieses Modell wird irgendwann tatsächlich realisiert, worin sehen Sie dabei Vorteile oder Nachteile? Halten Sie es für sozial ungerecht?
Vielen Dank für Ihre Mühe,
Pierre Bäkler
Sehr geehrter Herr Bäkler,
das Steuermodell von Paul Kirchhof (CDU) bedeutet den Abschied vom solidarischen Prinzip, es ist ungerecht und unsolidarisch: denn nicht Leistungsfähigkeit zählt, sondern es wird ein pauschaler Steuersatz von 25% auf alle Einkommen ab 20 000 Euro erhoben. Gleichzeitig sollen bis auf das Ehegattensplitting alle Steuerprivilegien abgeschafft werden. Damit werden höhere Einkommen entlastet, kleinere und mittlere Einkommen aber belastet. Das heißt: Die Oberkrankenschwester und der Facharbeiter zahlen drauf, weil Kirchhof Feiertags- und Nachtzuschläge besteuern und die Pendlerpauschale streichen möchte. Der Manager mit der nicht-berufstätigen Ehefrau und zwei Kindern hat dagegen dank der Tarifsenkung von 42% auf 25% deutlich mehr in der Tasche. Um die Großverdiener zu entlasten, sollen selbst ALG-I-Empfänger und Ehrenamtliche besteuert werden: Volle Besteuerung der Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit, Steuerpflicht für Arbeitslosengeld-I-Empfänger und Betreuungskosten für Behinderte sollen nicht mehr absetzbar sein. Trotz dieser Maßnahmen zur Gegenfinanzierung kommen die Länderfinanzminister in einer Studie zu dem Ergebnis, dass das Kirchhof-Modell riesige Löcher in die ohnehin maroden Haushalte reißen würde. Sie prognostizieren eine Finanzierungslücke von 42 Mrd. Euro im ersten Jahr und langfristig 11 Mrd. Euro pro Jahr.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen dagegen eine durchgreifende Vereinfachung der Einkommensbesteuerung und eine gerechtere Steuerbelastung. Gerecht bedeutet für uns, dass starke Schultern einen entsprechend höheren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten müssen. Die Finanzpolitik muss so ausgestaltet sein, dass sie Investitionen in Arbeit befördert. Der Subventionsabbau muss fortgesetzt und gleichzeitig die staatliche Investitionsquote deutlich gesteigert werden, insbesondere in Bildung und Forschung.
Mit herzlichen Grüßen
Rainder Steenblock