Welche Alternative gäbe es für Sie zum ständigen Wirtschaftswachstum?
Sehr geehrter Herr Messaoudi
in Zeiten fehlender Arbeitskräfte und Spezialisten sollte man als Politiker doch in der Lage sein, sich Alternativen zum (ungebremsten) Wachstum zu überlegen und ggf. auch öffentlich zu vertreten. Sind wir nicht jetzt schon an die Grenzen der Ressourcen gestoßen?
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Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Wenn die weltweite Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ohne Ressourcen künftiger Generationen zu verbrauchen weltweit gerecht verteilt und eine Wirtschaftsform, die Profitgier ausschließt, realisiert wären, brauchte es keinen Wirtschaftswachstum.
Dass wir fehlende (spezialisierte) Arbeitskräfte haben, ist Folge unzureichender Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen, schlechte Bildung durch unzureichende Finanzierung und auch teilweise unzureichende Bereitschaft, die erworbenen Qualifikationen ausreichend zu vergüten sowie Menschen mittleren oder höheren Alters einzustellen. Das sind alles hausgemachte Probleme, die zu lösen wir imstande wären. Lediglich aufgrund der enormen Schieflage in der ungleichen Verteilung fehlt es an guten Bildungsmöglichkeiten, Ausbildungsplätzen und Zahlungsbereitschaft. Dies ließe sich beheben, allerdings nur im kleinen Ausmaß kurzfristig. Erst mittelfristig könnten die Probleme nahezu vollständig behoben werden.
Schlechter sieht es bei den natürlichen Ressourcen aus. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland den s. g. Earth Overshoot Day, also der Tag, an dem wir unsere Ressourcen verbraucht haben, die wir verbrauchen können, ohne die der nachkommenden Generationen zu verbrauchen, am 2. Mai 2024 hatte (1. August 2024 weltweit) leben wir deutlich über unseren Verhältnissen und haben die Grenze weit überschritten.
Daher wäre es enorm wichtig, einen stärkere Fokus darauf zu legen, qualitativ zu wachsen. Für einen sozial-ökologischen Umbau gäbe es noch sehr viele Wachstumspotenziale. Es braucht noch einige Innovationen, für weniger Umweltbelastende Produktion. Von Verkehrswende, nachhaltiger Energieversorgung, gesteigerte Ressourceneffizienz sowie mehr Bildung, Erziehung, Gesundheit, Pflege und kulturelle Angebote könnten einen positiven Einfluss auf sowohl die Gesellschaft, als auch auf die Umwelt haben. D. h. auch, dass besonders ressourcenintensive und umweltbelastende Produktionen abgebaut werden müssten. Dies natürlich nur dann, wenn Alternativen vorhanden sind. Darüber hinaus gäbe es noch die Möglichkeit, Einspar- und Vermeidungspotenziale durch neue Technologien und Organisationsformen auszuschöpfen. Recht auf Reparatur, keine Fastfashion, Langlebigkeit von Elektrogeräten und gesellschaftliche Abkehr davon, ständig das neueste Modell von was auch immer haben zu müssen, alles wegzuwerfen, statt länger zu verwenden oder dem Gebrauchtmarkt zu zuführen oder zu recyceln, wären ebenfalls wichtige Schritte. Je später wir handeln, desto restriktiver müssten die Schritte sein. Von den Folgen der Umweltschäden sind wir sozial ungleich betroffen. Reiche können sich Schutzmaßnahmen, Umzug in weniger stark betroffene Regionen oder teurere Lebensmittel, die nicht so stark belastet sind, leisten.
Hoffe, die Fragen ausreichend beantwortet zu haben. Für weitere Fragen stehe ich gerne, auch in einem persönlichen Gespräch, zur Verfügung.
Beste Grüße
Rachid Messaoudi