Frage an Philipp Murmann von Mareike H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie sehen sie die aktuelle Diskussion zur Überwachung durch die NSA?
Werden sie als Abgeordneter aktiv auf eine vollständige Aufklärung drängen?
Warum wurde die Überwachung für die Bundesregierung erst zum Skandal, als die Kanzlerin persöhnlich betroffen war? Vorher hat sich Hr. Friedrich mit allgemeinen Erklärungen abspeisen lassen.
Wo sehen sie den größten Investitionsbedarf in unserem Bildungssystem?
Bitte beziehen sie ihre Antwort auf Schleswig-Holstein.
Welche Lösungen favorisieren sie für die Lösung der Wohnungsknappheit, besonders für Stundenten?
Sehr geehrte Frau Hussen,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Fest steht: nach den Anschlägen des 11. September 2001 war es die rot-grüne Bundesregierung, die den Vereinigten Staaten unsere „uneingeschränkte Solidarität“ zusicherte, wie es der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am Tag danach verkündete. Dies beinhaltete, so der frühere Direktor der NSA, Michael Hayden, in einem Interview, eine enge Zusammenarbeit der Nachrichtendienste und auch einen verstärkten Datenaustausch. Diese Zusammenarbeit ist seit langem bekannt, sie ist richtig und auch nach Auffassung von Rot-Grün unverzichtbar. Wir verdanken einen großen Teil unserer Sicherheit in Deutschland nicht zuletzt dieser Zusammenarbeit.
Dass die Nutzung des Internets vielfältige Möglichkeiten der Ausspähung bietet, ist nicht neu. Vielleicht waren einige von uns zu leichtfertig, dieses Risiko nicht in vollem Umfang wahrgenommen zu haben. Vielleicht waren einige von uns auch zu naiv, die Möglichkeit einer Ausspähung von bestimmter Seite nicht zu erwarten. Was uns allerdings sicherlich überrascht hat, ist das vorgeworfene Ausmaß der Datenerfassung.
Als Abgeordnete habe wir verschiedene sinnvolle Möglichkeiten, wie wir die Überwachungsaktivitäten ausländischer Geheimdienste aufklären können. In erster Linie ist dafür das Parlamentarische Kontrollgremiun zuständig. Denkbar ist zudem ein Untersuchungsausschuss. Für mich ist die angekündigte Debatte im Bundestag am 18.November ein erster vernünftiger Start. Insgesamt müssen wir uns auf europäischer Ebene für vernünftige Datenschutzstandards einsetzen. Solche Abkommen benötigen aber - leider - Zeit. Aber auch hier sollten wir realistisch bleiben, denn viele Staaten werden darauf dringen, den Bereich der Nachrichtendienste, der ihre Souveränität im Kern betrifft, auszunehmen –wie überhaupt unser umfassendes Verständnis von Datenschutz noch nicht einmal überall in Europa, geschweige denn in der Welt geteilt werden wird.
Letztlich werden wir daher nicht umhin kommen, Maßnahmen des technischen Selbstschutzes zu ergreifen. Ohne eine vertrauenswürdige „IT-Sicherheit - Made in Germany“werden wir, der Staat und unsere Wirtschaft nicht in der Lage sein, uns wirkungsvoll gegen Ausspähung durch wen auch immer zu schützen. Die Schaffung und der Erhalt einer vertrauenswürdigen IT-Industrie ist dabei einer der wesentlichen Bausteine in dem Gesamtkomplex IT-Sicherheit. Es geht dabei auch um die Frage einer technologischen Souveränität unseres Staates. Diese wird nur möglich sein, wenn wir für bestimmte, besonders schützenswerte Bereiche wie kritische Infrastrukturen oder sensible Kommunikation auf eigene nationale Produkte und Lösungen setzen. Dieses Thema wird auch intensiv in den laufenden Koalitionsverhandlungen - auch in meiner Arbeitsgruppe Bildung/Forschung/Wissenschaft - diskutiert.
Im Bereich Bildung und Forschung haben wir in den letzten 4 Jahren auf Bundesebene erheblich investiert: + 40 Prozent gegenüber 2009. Wir wissen, dass unser Wohlstand in Deutschland von gut ausgebildeten Fachkräfte und Akademikern abhängt. Leider investieren viele Bundesländer, wie auch Schleswig-Holstein, nicht ausreichend in ihre Bildungsinfrastruktur. Es wäre nötig, sowohl in Köpfe (Ausbildung der Lehrer), als auch in die physische Infrastruktur (Gebäude, IT-Ausstattung, Bücher) zu investieren. Dazu kommen Ausgaben z.B. für Inklusion oder Schulsozialarbeit. Hier ist gerade auch Schleswig-Holstein gefordert, sich an den Besten, wie z.B. Bayern oder Sachsen, zu orientieren.
Ich persönlich glaube, dass wir zudem einen besonderen Augenmerk auf die MINT-Ausbildung legen müssen. Deswegen engagiere ich mich auch z.B. für Jugend forscht, für Schüler-Labore oder für das "Haus der Kleinen Forscher". Auch hier muss die Landesregierung noch mehr tun, um die Schulen, aber auch private Initiativen (der Wirtschaft) flankierend zu unterstützen.
Durch unsere stark angestiegenen Investitionen in Bildung und Forschung entschließen sich erfreulicherweise immer mehr junge Menschen dazu, ein Studium aufzunehmen. Dies kann auf der anderen Seite natürlich auch dazu führen, dass es gerade für Studienanfänger vereinzelt schwierig ist, eine Bleibe in "ihrer" Uni-Stadt zu finden. Zum einen müssen die Länder daher dafür sorgen, dass z.B. Studentenwerke/Unis dazu in der Lage sind, mehr Plätze in Wohnheimen zu schaffen. Zum anderen ist es auch sinnvoll, die degressive Abschreibung für den Mietwohnungsbau einzuführen.
Ich hoffe, liebe Frau Hussen, ich konnte Ihnen meinen Standpunkt verdeutlichen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Philipp Murmann, MdB