Frage an Philipp Murmann von Heinrich K. bezüglich Soziale Sicherung
Der Arbeitgeber spart seine Anteile an der der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn er Teile des Entgeldes an eine Direktversicherung weiterleitet, da bei der Auszahlung der Kapitalleistung der Arbeitnehmer den gesamten Krankenversicherungsbeitrag zahlen muß. Zunächst ist dies eine nicht unerhebliche Verringerung der Rendite, aber es ist vor allem anderen eine Abkehr vom Grundsatz des Sozialversicherungssystems.
Auch wenn das BvR so entschieden hat, es belastet den Arbeitnehmer und entlastet den Arbeitgeber und verhilft den Krankenkassen zu erhöhten Einnahmen (Krankenversicherungsbeiträge für Kaitalerträge aus einer Direktversicherungen). Ist dies sozial ?
Sehr geehrter Herr Klimek,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Um es vorweg zu sagen: Ich halte das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) gerade auch im Sinne der Generationengerechtigkeit für sozial.
Wie ist der Hintergrund zu Ihrer Anfrage?
Die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes auf Betriebsrenten und Versorgungsbezüge sowohl für Pflichtversicherte als auch für freiwillig versicherte Rentner ist in den zurückliegenden Verhandlungen zum GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2003 damit begründet worden, dass die eigenen Beitragszahlungen der Rentner heute nur noch gut 40% ihrer Leistungsausgaben in der Krankenversicherung abdeckten. Im Jahr 1973 seien die Leistungsaufwendungen der Krankenkassen für Rentner in den alten Ländern noch zu rund 72% durch die für sie gezahlten Beiträge gedeckt worden. Um die Belastung der erwerbstätigen Beitragszahler nicht noch stärker ansteigen zu lassen und die Lohnnebenkosten zu senken, sei es erforderlich gewesen, die Rentner wieder verstärkt an der Finanzierung ihrer Leistungsausgaben zu beteiligen.
Zudem sind Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten seit jeher alleine vom Versicherten zu tragen. Damit soll die Bereitschaft des Arbeitgebers erhalten und gefördert werden, sich freiwillig am Aufbau einer Betriebsrente mit eigenen finanziellen Aufwendungen zu beteiligen. Allerdings wurde in der Vergangenheit auf Betriebsrenten für pflichtversicherte Rentner nur ein halber Beitrag (z.B. 7,2% statt 14,4%) an die Krankenkassen abgeführt, während für Betriebsrenten bei freiwillig versicherten Rentnern der volle Beitrag gezahlt wurde. Diese Ungleichbehandlung wurde mit dem GKV-Modernisierungsgesetz mit Wirkung zum 01. Januar 2004 beendet. Nunmehr müssen auch Pflichtversicherte den vollen allgemeinen Beitragssatz ihrer jeweiligen Krankenkasse auf die Versorgungsbezüge entrichten. Der Grundsatz bleibt, dass alle beitragspflichtigen Einnahmen zusammen nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Versorgungsbezüge – unabhängig davon, ob sie laufend oder einmalig gezahlt werden – sind als Rente vergleichbare Einnahmen beitragspflichtig, wenn sie auf eine frühere Erwerbstätigkeit des Versorgungsempfängers zurückzuführen sind und bei Eintritt des Versicherungsfalles (Erwerbsminderung oder Alter) ausfallendes Erwerbseinkommen ersetzen oder im Fall des Todes der Sicherung von Hinterbliebenen dienen sollen.
Was hat das BVerG genau entschieden?
Das BVerfG hat in seinem Urteil aus dem vergangenen Jahr festgestellt, dass Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen Versorgungsbezügen nach § 229 SGB V gleichgestellt und damit der Beitragspflicht unterworfen werden. Dieses sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, weil der Gesetzgeber berechtigt ist, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Der Vertrauensschutz der betroffenen Versicherten wird dabei nicht unzumutbar beeinträchtigt. Allerdings bewertet das BVerfG die vom Bundessozialgericht vorgenommene Typisierung mit Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes als unvereinbar, wonach Zahlungen aus Beiträgen, die der Versicherte nach Ende seines Arbeitsverhältnisses auf eine auf ihn als Versicherungsnehmer übertragene Kapitallebensversicherung eingezahlt hat, als betriebliche Altersversorgung zu werten, obwohl der Gesetzgeber Erträge aus privaten Lebensversicherungen pflichtversicherter Rentner keiner Beitragspflicht unterwirft.
Vor diesem Hintergrund hat das BVerfG entschieden, dass der Teil einer Direktversicherung, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers und von ihm allein gezahlte Beiträge nicht der Beitragspflicht unterliegen. Demnach haben in Zukunft die Versicherungsunternehmen, die diese Daten vorliegen haben, die Zeiten der gemeinsamen Einzahlung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesondert an die Krankenversicherung zu melden.
Was hat das für Konsequenzen?
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung ist diesem Beschluss bereits gefolgt und hat in einem Rundschreiben an die gesetzlichen Krankenversicherungen zur Umsetzung des Beschlusses des BVerfG bereits dahingehend informiert, dass der Teil der Versorgungsleistung, der auf Beiträgen beruht, die der Bezugsberechtigte als Versicherungsnehmer für die Zeit nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf den Lebensversicherungsvertrag eingezahlt hat, nicht als Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V anzusehen sind. Daraus folgt auch, dass zu Unrecht entrichtete Beiträge im Rahmen des § 256 Abs. 2 SGB V zu erstatten sind. Die Erstattung steht dabei dem Mitglied zu.
Der Beitragspflicht, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Beitragszahler berücksichtigt, steht als Gegenleistung der Bestand des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber. Die Versicherten sind im Rahmen des Solidaritätsprinzips an der Finanzierung der GKV beteiligt und erhalten hierfür den umfassenden Krankenversicherungsschutz.
Lieber Herr Klimek,
ich hoffe, ich konnte Ihnen die Hintergründe zu diesem Thema und meinen Standpunkt dazu näher bringen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Philipp Murmann, MdB