Frage an Philipp Graf von und zu Lerchenfeld von Achim M. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Herr Lerchenfeld,
mich interessiert ihre Meinung zum Thema Mindestlohn. Für die Großverdiener unserer Gesellschaft (Großaktionäre, Manager, Grafen usw. ) taucht das Thema ja immer nur als Kostenfaktor auf.
Nun ist es so, dass selbst in einigen von den "Sozialpartnern" ausgehandelten Tarifverträgen Löhne ab ca. 5 Euro/h vereinbart wurden. Der Verweis auf die Tarifautonomie hilft also nachweislich nicht wirklich weiter.
Die meisten Menschen können von derartigen Löhnen natürlich nicht vernünftig leben. Also muss doch der Staat handeln.
Was meinen sie, Herr Lerchenfeld?
Gruss
Achim Meiners
Sehr geehrter Herr Meiners,
danke für Ihre Frage zu meiner Einstellung zum Mindestlohn. Wenn Sie auch gewisse Vorurteile gegen manche Mitglieder unserer Gesellschaft zu haben scheinen, möchte ich Ihnen doch unvoreingenommen antworten, dass der Gesichtspunkt des Kostenfaktors bei der Frage des Mindestlohns nicht der wesentliche Punkt ist. In erster Linie geht es darum, dass durch die Einführung eines flächendeckenden, branchenübergreifenden Mindestlohns Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet werden.
Gleichzeitig möchte ich Ihnen auch sagen, dass ich es unverantwortlich finde, wenn im Zusammenhang mit der Mindestlohn-Kampagne der politischen Konkurrenten ein ganzer Berufsstand durch eine Wahlwerbung massiv verunglimpft wird. Ich finde es unerträglich, dass eine Partei wider besseres Wissen ein ehrbares Handwerk, wie das Friseurgewerbe bayernweit mit großen Plakaten in unverschämter Weise angreift und dabei nachweislich falsche Behauptungen unwidersprochen aufstellt. Es scheinen also nach Ansicht der politischen Konkurrenten nicht, wie Sie es schreiben, die Großverdiener unserer Gesellschaft (Großaktionäre, Manager, Grafen usw.) zu sein, die dem Mindestlohn skeptisch gegenüber stehen, sondern ehrbare Handwerker und Kleinunternehmer, die viele Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland zur Verfügung stellen.
Aber nun zu Ihrer Frage: Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn Arbeitsplätze gefährdet. Wenn Sie sich beispielsweise die Probleme der Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich mit allen erschreckenden Begleiterscheinungen ansehen, erkennen Sie sehr schnell, welche Auswirkungen die Einführung eines Mindestlohns haben kann. Es gibt zwar andere Länder (z.B. USA, Großbritannien), in denen der gesetzliche Mindestlohn keine erkennbaren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze brachte, allerdings muss man dazu bedenken, dass dort der Arbeitsmarkt wesentlich weniger reguliert ist als bei uns. Die in Frankreich beobachteten Beschäftigungsverluste durch den Mindestlohn wären auch bei uns zu erwarten, da Frankreich hinsichtlich der strengen Regulierung des Arbeitsmarktes unmittelbar mit Deutschland vergleichbar ist. Wenn wir vernünftig über die Einführung eines Mindestlohns diskutieren wollen, dann müssen wir auch über die strikte Regulierung unseres Arbeitsmarktes sprechen. Dabei stellt sich dann die Frage, ob wir unsere umfangreichen Schutzvorschriften für Arbeitnehmer, wie beispielsweise den Kündigungsschutz, dem Mindestlohn opfern wollen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Sie sich in Deutschland einen so freien, ungeregelten Arbeitsmarkt wie in den USA wünschen. Ich persönlich jedenfalls halte nichts davon, dass wir uns in dieser Richtung an die USA angleichen.
Natürlich muss gute Arbeit auch gut bezahlt werden. Aber in Wirklichkeit geht es nicht darum, dass man einen gesetzlichen Mindest-Stundenlohn einführt, sondern darum, dass man ein entsprechendes Mindesteinkommen hat, von dem man leben kann und seine Familie ernähren kann. Der Sachverständigenrat („die fünf Weisen“) hat dazu ein vernünftiges Kombilohnmodell vorgestellt, dass allen Arbeitnehmern ein ausreichendes Mindesteinkommen garantiert und gleichzeitig Arbeitslosen eine realistische Chance gibt, wieder in das Arbeitsleben einzusteigen. Das kann dazu führen, dass im Niedriglohnbereich Arbeitsentgelte gezahlt werden, die für eine Existenzsicherung nicht ausreichen. Dann ist es aber die Aufgabe des Staates dies auszugleichen, wie das heute bereits teilweise der Fall ist.
Die fünf Weisen führen in ihrem Gutachten aus, dass ein Mindestlohn nur dann ohne Beschäftigungsverluste eingeführt werden könnte, wenn er deutlich unter dem heute diskutierten Niveau von 7,00 bis 9,00 EUR liegen würde. Nur dann könnte vermieden werden, dass Arbeitsplätze durch die Einführung eines Mindestlohns abgebaut werden. Was die Einführung von Mindestlöhnen bewirken kann, haben wir am Beispiel der Deutschen Post AG gesehen. Ich zitiere hier aus dem Gutachten des Sachverständigenrates 2006/07: „Wettbewerber der Deutschen Post AG werden massiv bedrängt und verdrängt und neue Konkurrenten abgewehrt. Die Arbeitsplätze bei der Deutschen Post AG werden geschützt, die bei ihren Konkurrenten gefährdet und das Entstehen neuer Arbeitsplätze wird gefährdet.“ Mit dem Mindestlohn hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG, Herr Zumwinkel, in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in der Bundespolitik das Postmonopol verteidigt und die lästigen Konkurrenten, die viele Arbeitsplätze geschaffen haben, ausgeschaltet.
Für mich ist es sehr viel wichtiger, die Abgabenlast für die Arbeitnehmer zu senken statt einen Bruttomindestlohn zu fordern. Damit die Arbeitnehmer ein auskömmliches Nettoeinkommen erhalten, müssen wir alles dafür tun, dass die Sozialabgaben und die Lohnsteuern gesenkt werden. Es ist sinnvoller, Arbeitsplätze zu erhalten und den Arbeitnehmern durch eine Steuersenkung ein höheres Nettoeinkommen zu gewährleisten als durch gesetzliche Mindestlöhne Arbeitsplätze zu gefährden. Wer dann noch kein ausreichendes Einkommen erwirtschaften kann, muss zumindest teilweise staatliche Unterstützung erhalten.
Wie oben bereits gesagt, muss gute Arbeit auch zu einem Einkommen führen, von dem man leben und seine Familie ernähren kann. Ihr Weg über den Mindestlohn führt langfristig in die Irre und bewirkt das genaue Gegenteil von dem, was wir alle wollen, nämlich gute Arbeitsplätze für alle.
Ich hoffe, Ihnen meine Meinung ausreichend dargestellt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Graf Lerchenfeld