Frage an Philipp Gliesing von Wolfgang K. bezüglich Verkehr
Straßenbau und Abwasserentsorgung gehören zur öffentlichen Daseinsvorsorge und sind damit gesamtgesellschaftliche, aus Steuermitteln zu finanzierende Aufgaben. Für die Umsetzung ist eine Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und der Thüringer Kommunalordnung erforderlich. Eine Mindestforderung wäre die Änderung des § 54 Abs. 2 ThürKO (Einnahmebeschaffungsgrundsatz) nach dem Beispiel des Freistaates Sachsen von einer Soll- in eine Kannbestimmung, wonach die Kommunen über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen selbst entscheiden können.
Hier die Fragen:
1. Werden Sie sich als Partei/Wählergemeinschaft für die Abschaffung der Zwangsbeiträge für Abwasserentsorgung und Straßenausbau im Thüringer Landtag einsetzen und aussprechen und werden Sie dementsprechend im Thüringer Landtag für die Änderung der maßgeblichen Gesetze abstimmen?
Ja O Nein O
2. Werden Sie sich nach dem Beispiel des Freistaates Sachsen als Übergangslösung für eine
Änderung der entsprechenden Gesetze einsetzen und aussprechen, wonach die Kommunen über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen selbst entscheiden können, indem die Satzungen nicht erlassen werden?
Ja O Nein O
3. Werden Sie sich als Partei/Wählergemeinschaft für die Änderung der Thüringer Verfassung im Thüringer Landtag einsetzen und aussprechen, um zukünftig Volksbegehren und Volksentscheide über Abgaben und Gebühren zu ermöglichen?
Ja O Nein O
Gern können Sie zu den Antworten mit Ja oder Nein noch einen Kommentar hinzufügen.
Wolfgang Kleindienst
Sehr geehrter Herr Kleindienst,
entschuldigen Sie, dass ich ein paar Tage gebraucht habe – aber mir war es wichtig eigene Worte zu finden und Ihnen umfassend zu antworten.
*Ihre Fragen kann ich alle mit JA beantworten. *
DIE LINKE Thüringen tritt vehement für die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen ein und steht damit auch an der Seite der Bürgerinitiativen und betroffenen Bürger und Bürgerinnen. Gerade die diesbezügliche Zusammenarbeit in meinem Wahlkreis will ich weiterhin aufrechterhalten und weiterhin zielführend kooperieren.
Unsere Idee für die Zukunft setzt auf eine Infrastrukturabgabe, mit welcher die anfallenden Kosten als örtliche Verbrauchs- und Aufwandssteuer gedeckt werden können. Grundsätzliche wäre es zwar auch denkbar, dass die Straßenausbaukosten durch die bereits von den Bürgern gezahlten Steuern gedeckt werden, die Erhebung von Steuern für den Straßenbau ist jedoch Bundesangelegenheit.
Daher haben wir zusammen mit Bürgerinitiativen nach Alternativen gesucht haben. Mit der zwangslosen Infrastrukturabgabe soll den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt werden, für Investitionsmaßnahmen beim Ausbau von Verkehrsanlagen die Bürger und Bürgerinnen zu beteiligen.
Als Zwischenschritt ist natürlich eine Lösung wie in Sachsen realisierbar und somit auch eine Option für die Gemeinden, um darüber zu entscheiden, ob ihre Einwohner und Einwohnerinnen Straßenausbaubeiträge zahlen müssen oder nicht.
Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zur Lage der öffentlichen Daseinsvorsorge. Im europäischen Rahmen als „Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse“ bezeichnet, ist sie in Deutschland noch weitgehend ein fester Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung. Im Rahmen dieser öffentlichen Daseinsvorsorge werden Leistungen erbracht, die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben sind und die gesellschaftliche Teilhabe Aller sichern – all das wird leider ganz massiv in Frage gestellt. Auf der einen Seite erlebten wir in den letzten Jahren eine Finanznot, die kommunale Einrichtungen zum erliegen brachte und der Haushaltspolitik unserer Landes- und Bundesregierung zu verschulden ist. Während andererseits zentrale gesellschaftliche Bereiche (Energie, Gesundheit, Landwirtschaft, Wasser, Wohnen) durch Hedge-Fonds und private Anteilseigner zum Spekulationsobjekt gemacht werden und gewinnbringend den globalen Marktgesetzen unterworfen werden. Viele Privatisierungen bringen schlechte Ergebnisse für die Nutzerinnen und Nutzer, weil profitorientierte Unternehmen deren Bedürfnisse hinten anstellen.
Wir stellen angesichts dieser Situation den Erhalt und/oder die Wiederherstellung öffentlicher Kontrolle in den Mittelpunkt kommunaler Politik. Wir wollen die Rückeroberung des Öffentlichen mittels Rekommunalisierung aller Bereiche, in denen ein Marktversagen nicht riskiert werden darf. Dies betrifft zum Beispiel besonders die Trinkwasserversorgung. Die Verfügung über die natürlichen Lebensressourcen gehören nicht in private Hand.
Bürgerinnen und Bürger sollen hierbei umfassende Mitsprache- und Mitwirkungsrechte erhalten.
Vielen Dank für Ihre Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Philipp Gliesing