Frage an Petra Weis von Birgit H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Weis,
mit Bestürzung habe ich feststellen müssen, dass Sie als Abgeordnete meines Wahlkreises dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen zugestimmt haben.
Diesbezüglich möchte ich Sie um eine Stellungnahme zu folgenden Fragen bitten:
1. Wie kann dieses Gesetz tatsächlich zur Bekämpfung der Kinderpornographie beitragen? Keine der fragwürdigen Seiten wird tatsächlich abgeschaltet, und keine der Seiten wird tatsächlich gesperrt. Die Täter werden vielmehr dadurch, dass ihre Seiten auf die Sperrlisten gesetzt werden, darauf aufmerksam gemacht, dass Sie im Visier der Ermittlungsbehörden sind.
2. Wie ist Ihrer Meinung nach dieses Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar? Die Polizeibehörde erstellt geheime Listen von ihrer Meinung nach zu sperrenden Seiten. Weder gibt es parlamentarische, noch eine richterliche Kontrollinstanzen, die der Exekutive auf die Finger schauen würde. Das "Kontrollgremium" kann und soll ja nur nachträglich tätig werden.
3. Welchen Einfluss hatten die Stellungnahmen von Vereinen wie MOGIS oder dem CCC sowie die Online-Petition mit über 134000 Mitzeichner auf Ihr Stimmverhalten?
4. Wie stehen Sie dazu, dass die Stimmen jetzt wieder lauter werden, die eine Ausdehnung der Sperren auf andere Inhalte (Spiele, Urheberrechtsverletzungen, politische Seiten etc.)? Diese Stimmen hatte es bereits im Vorfeld der Abstimmung gegeben, die Äußerungen wurden da jedoch immer wieder zurückgenommen (...um die Abstimmung nicht zu gefährden?). Jetzt stehen Sie (wieder) im Raum - lauter als zuvor.
Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören, und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Birgit Hüsken
Sehr geehrte Frau Hüsken,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Kinderpornografiebekämpfungsgesetz. Der zentrale Vorwurf ist ja, dass durch das Gesetz eine Infrastruktur geschaffen werde, die später auch für die Sperrung anderer, beliebiger Inhalte genutzt werden kann.
Hierbei gilt es, zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden:
1. Gesetzliche Regelung
Das Kinderpornografiebekämpfungsgesetz regelt eindeutig nur die Zulässigkeit von Sperren bei Seiten mit kinderpornografischen Inhalten. Die SPD konnte bei den Verhandlungen mit der Union am Ende durchsetzen, dass die wesentlichen Regelungen in einem Spezialgesetz normiert werden, das ausschließlich kinderpornografische Inhalte erfasst. Dies wird auch noch einmal in der neuen Gesetzesbegründung festgehalten. Wir sind sogar so weit gegangen, dass die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche auf Grundlage der neu geschaffenen Infrastruktur ausdrücklich ausgeschlossen wird. Zudem dürfen Daten, die aufgrund der Umleitung bei der Stopp-Meldung anfallen, nicht für Zwecke der Strafverfolgung genutzt werden.
Eindeutiger kann man nicht regeln, dass es sich um ein reines Präventionsgesetz in einem besonders gelagerten Fall handelt, das nicht auf andere Inhalte oder Zwecke übertragbar ist.
2. Technische Infrastruktur
Leider wird in der öffentlichen Debatte selten erwähnt, dass die technische Infrastruktur für Internetsperren sich bereits im Aufbau befindet. Durch die Verträge zwischen BKA und den größten Internet-Service-Providern in Deutschland werden diese bereits verpflichtet, die Infrastruktur bereitzustellen und entsprechende Sperrungen in nächster Zeit vorzunehmen. Damit ist der Endkundenmarkt in Deutschland weitgehend abgedeckt. Nach unseren Informationen würden diese Verträge auch dann umgesetzt, wenn es kein Gesetz gäbe.
Ich teile durchaus die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verträge, da sie aus unserer Sicht keinen hinreichenden Grundrechtsschutz gewährleisten. Bis es aber möglicherweise zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache käme, wäre die Infrastruktur schon lange in Betrieb, ohne dass es gleichzeitig hinreichende Schutzbestimmungen für die Internetnutzer gibt, die wir nun gesetzlich regeln.
Für die SPD-Bundestagsfraktion kann ich versichern, dass wir bei dem Entscheidungsprozess auch die Argumente aus der Internet-Community sorgfältig abgewogen haben. Wir möchten uns deshalb noch einmal ausdrücklich und sehr herzlich für den fruchtbaren Meinungsaustausch in den letzten Wochen bedanken. Zahlreiche Argumente und Informationen sind ganz konkret in die parlamentarischen Beratungen eingeflossen.
Der öffentliche Druck der Internet-Community ist also keinesfalls wirkungslos geblieben, sondern hat die allgemeine Sensibilität für diese Thema erhöht und letztlich der SPD-Bundestagsfraktion in den Verhandlungen den Rücken dafür gestärkt, wesentliche Änderungen am Gesetzentwurf vorzunehmen.
In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf folgende Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf hinweisen, die nun im Gesetz enthalten sind:
1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips - Löschen vor Sperren: Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, soweit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben. Wir haben somit ein zentrales Anliegen der Internet-Community umgesetzt.
2. Kontrolle der BKA-Liste und Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener: Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt, dessen Mitglieder mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das Gremium kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren, soweit die Voraussetzungen für eine Sperrung nicht vorliegen. Es wird verankert, dass gegen die Aufnahme in die Sperrliste der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
3. Datenschutz: Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
4. Spezialgesetzliche Regelung mit Befristung: Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie ermöglicht wird, nicht jedoch von anderen Inhalten, werden die wesentlichen Regelungen in einem neuen Zugangserschwerungsgesetz statt im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft, so dass in jedem Falle die vorgesehene Evaluation auszuwerten ist, auf deren Basis endgültig entschieden werden kann. Zusätzlich haben wir eine Bestimmung aufgenommen, die ausschließt, dass die neu geschaffene Infrastruktur zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden kann.
Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Petra Weis, MdB