Frage an Petra Sitte von Adalbert Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Sitte,
weshalb wird im Parlament nicht die Möglichkeit geschaffen, im Zeitalter der Digitalisierung, elektronisch Abzustimmen? Damit wäre die Beschlussfähigkeit sofort
ersichtlich und der urzeitliche zeitraubende Hammelsprung hinfällig.
Sehr geehrter Herr Z.,
elektronische Stimmverfahren haben das Potential, bestimmte Abläufe zu vereinfachen und deshalb werden sie zwischen den Fraktionen im Bundestag auch zu Recht diskutiert.
Allerdings klingt das Verfahren einfacher als es ist. Erstens dürfen die Fragen rechtlicher Natur nicht außer Acht gelassen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Einsatz von Wahlgeräten vom 03. März 2009 deutlich gemacht, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen müssen und das meint im Besonderen, dass die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. (Siehe auch: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2009/03/cs20090303_2bvc000307.html )
Meine Partei DIE LINKE hat sich in der Vergangenheit deutlich gegen Wahlcomputer ausgesprochen. Aus Sicht der LINKEN sind mit Wahlcomputern die Wahlgrundsätze des Artikels 38 GG nicht gesichert, hier insbesondere die geheime Wahl. Deshalb soll die Möglichkeit Wahlen mittels Wahlcomputern durchzuführen entfallen. Bei Stimmzettelwahlen in demokratischen Staaten ist der gesamte Wahlablauf, vom Aufstellen der Urne bis zur Ergebnisfeststellung, grundsätzlich öffentlich und damit verifizierbar. Beim Einsatz von Wahlcomputern werden wesentliche Schritte des Wahlablaufs in das Innere eines Gerätes verlegt und damit der öffentlichen Kontrolle entzogen. Die Integrität der Wahl hängt damit vom ordentlichen Funktionieren der Wahlcomputer und von deren Manipulationssicherheit ab und kann allenfalls noch von den wenigen Personen beurteilt werden, die mit der Prüfung von Wahlgeräten befasst sind.
Zum zweiten muss die Frage der Praktikabilität besprochen werden. Tatsächlich sind sogenannte Hammelsprünge eher selten. In dieser Legislaturperiode kamen sie bisher elf Mal vor. In der gesamten vergangenen Legislaturperiode sogar nur zweimal. (Siehe auch: https://www.bundestag.de/resource/blob/196290/73f5eb089d98a897381f23143f2a80f0/Kapitel_07_12_Hammelsprung-data.pdf ) Die meisten Abstimmungen im Bundestag sind nach wie vor offen und werden per Handzeichen durchgeführt.
Und drittens möchte ich die Frage der zukünftigen Entwicklung stellen. Eine Vereinfachung von Wahlen oder parlamentarischen Handlungen im Bundestag darf kein Selbstzweck sein. Es muss ausgeschlossen werden, dass die Abstimmungen von den inhaltlichen Debatten getrennt werden, wie es schon mehrfach in der Vergangenheit vorgeschlagen wurde. Die Idee wurde eingebracht, dass ganze Abstimmungsblöcke am Ende aller Debatten stattfinden. Abstimmungen per Handy-App außerhalb des Plenarsaals wird es mit uns nicht geben!
Mit freundlichen Grüßen
Petra Sitte