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Petra Sitte
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Frage von Peter G. •

Frage an Petra Sitte von Peter G. bezüglich Soziale Sicherung

Seit geraumer Zeit bin ich im Erziehungjahr, eingteilt als SGB2 Empfänger von Sozialleistungen.

Das Haus, in dem ich wohne gehört mir zur Hälfte. Damit begründet das Amt, daß mir null € Erhaltungaufwand für die Wohnung berechnet wird.
Der austausch eines defekten Warmwasserboilers wurde mir untersagt , weil es eine "unzulässige Wertsteigerung der Immobilie seien würde.
Beim Jugendamt habe ich wegen Hilfe zur Antragstellung bei Ämtern (Familienepädagogische Beratunghilfe nach SGB) angefragt und die Gesamtsituation der Wohnung geschildert.

Dort wurde mir nur gesagt, daß ich besser keinen Antrag stelle, wenn die Wohnung wirklich so weit unbewohnbar sei, wie ich es schildere. Sie können mir zwar nicht helfen, daß meine Unterkunftskosten von der KoBa / SBK auch bezahlt werden, doch sie würden meine Kinder in einem Heim unterbringen müssen, "Bis ich meine Wohnungssituation wieder Im Grtiff habe."

Im SGB 2 steht drin, daß ich die Tatsächlichen Kosten der Unterkunft angemessen erstattet bekomme. Jedoch sind Tatsachen nun mal Vergangenheit und ich soll Rechnungen / Quittungen vorlegen deswegen. Diese werden jedoch abgelehnt als "gedeckter Bedarf".

Meine Frage:
Warum wird an jeden Hartz 4 Empfänger Miete erstattet nur mir nicht?
Miete ist fällig für eine Wohnung, die in Ordnung ist. Meine Grundrecht auf menschenwürdige Wohnung wird uminterpretiert auf ein Grundrecht auf eine Baustelle. Selbst das Sozialgericht Magdeburg unterstützt dieses Verfassungswidrige und Menschenwürde verletzende Verhalten noch mit ewig langen Wartezeiten auf eine Verhandlung.

Das Gericht entscheidet nach Antrag.

Für einzelne "Tatsächliche Kosten" besteht keine Handhabe im SGB 2
Für eine Pauschale in vorm einer vergleichbaren Mite besteht angeblich auch keine Handhabe.

Ich kann einzig immer wieder nur Schadenersatz vor dem Gericht geltend machen.

Ach das ist so verworren, und die Antworten sind so wirdesprüchlich,die meisten schalten nach kurzer Zeit schon ab und kommen sellber nicht weiter.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Görgens,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich kann Ihnen hier lediglich Tipps geben, wie Sie Ihre Rechte geltend machen können, eine Rechtsberatung darf ich Ihnen nicht erteilen. Deshalb betone ich ausdrücklich, dass die nachstehenden Tipps kein Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit haben.

Zunächst: Ich hoffe, Sie haben gegen den Bescheid des JobCenters fristgerecht Widerspruch eingelegt. Sollte auch dieser Widerspruch abgelehnt worden sein, haben Sie die Möglichkeit vor dem Sozialgericht Klage zu erheben oder eine Einstweilige Verfügung zu beantragen. Die Klage ist kostenfrei; Gerichtskosten müssen Sie nicht im Voraus entrichten. Sie können sich aber zuvor auch von einem Rechtsanwalt beraten lassen. Bei ihm beantragen Sie einen Beratungsschein, so dass Sie als SGB II-Empfänger nur für 10 Euro Zuzahlung an Anwaltskosten aufkommen müssen. D.h. Sie müssen keine Angst haben, dass Sie durch Beschreiten des Klageweges oder durch die Inanspruchnahme eines Rechtsbeistandes noch wesentlich mehr Kosten auf Sie zukommen.

Widerspruch, Klage oder einstweilige Verfügung müssten darauf gerichtet sein, dass Sie einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses (nicht Darlehen) für die Kosten des Warmwasserboilers haben.

Sollte Ihr Widerspruch bereits verfristet sein, weil Sie gegen den Bescheid des Jobcenters nicht innerhalb von 4 Wochen vorgegangen sind, sollten Sie versuchen, diesen Zuschuss-Anspruch erneut beim Jobcenter geltend zu machen. Stellen Sie also einen neuen Antrag:

Denn: Nach dem Landessozialgericht Baden-Württemberg kann es einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses bei Ersatz eines Boilers bei einer selbst genutzten Eigentumswohnung geben. Dieser Anspruch kann sich aus § 22 Abs.1 S. 1 SGB II ergeben, denn bei den Kosten für den Neueinbau des Boilers handelt es sich um Kosten für Unterkunft und Heizung.

1. Nach dem Urteil des 12. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Entscheidung vom 26.05.2009, L 12 AS 575/09, gehören die Kosten für den Austausch eines Warmwasserboilers bei einer selbst genutzten Eigentumswohnung zu den Kosten der Unterkunft und fallen nicht als „Reparatur und Instandhaltung der Wohnung“ unter die Ihnen gewährte Regelleistung (§ 20 SGB II http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__20.html). Bei den Kosten für den Warmwasserboiler handelt es sich vielmehr um einen von den laufenden Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__22.html) abtrennbaren Verfügungssatz

2. Es handelt sich entgegen der Ansicht Ihres JobCenters bei dem Warmwasserboiler vielmehr um einen Erhaltungsaufwand ohne wertsteigernde Verbesserung, der zu übernehmen ist, sofern die Kosten für die Eigentumswohnung in ihrer Gesamtheit angemessen sind.

Im Einzelnen:

Zu 1:

Die Kosten für den Warmwasserboiler fallen nicht unter die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II.

Zum einen fällt der Austausch eines Warmwasserboilers nicht unter „Haushaltsgeräte und Instandhaltungskosten“, da es sich bei der Abteilung 05 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) um Innenausstattung und Reparatur von Haushaltsgeräten handelt. Ein Boiler wird jedoch mit seinem Einbau wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Er kann somit also kein Haushaltsgerät mehr sein.

Zum anderen fällt der Warmwasserboiler auch nicht unter den Posten „Reparatur und Instandhaltung der Wohnung“. In der Abteilung 04 der EVS sind insoweit nur Ausgaben für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen enthalten, also kleinere Aufwendungen für Material (1,56 Euro) und Handwerker (1,23 Euro). Hier zieht das Landessozialgericht Baden-Württemberg eine Parallele ins Mietrecht. Da der Vermieter nach dem BGB die Mietsache in einem vertragsgemäßen Gebrauch zu halten hat, gehen größere Reparaturen – zu denen wohl auch die Zerstörung eines Warmwasserboilers gehört – zu Lasten des Vermieters. Dafür spricht auch, dass angesichts der gering angesetzten Beträge für Material und Handwerker im Rahmen der Regelleistung keine Ansparungen möglich sind, so dass Sie nicht regelmäßige Reparaturen – wie hier des Wasserboilers – durch Rücklagenbildung finanzieren könnten.

Zu 2:

Die Kosten für den Boiler werden als Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, § 22 Abs.1 S. 1 SGB II, sofern sie angemessen sind. Von dieser Vorschrift werden sowohl die laufenden als auch einmalige Leistungen umfasst, die dem SGB II Empfangenden für eine Unterkunft entstehen. Dabei werden die Kosten ähnlich wie bei der Sozialhilfe berücksichtigt. Danach können Hilfeempfänger, die im Eigenheim wohnen, Erhaltungsaufwand gelten machen. Zum Erhaltungsaufwand zählen die Kosten für Instandsetzung und Instandhaltung, nicht jedoch für Verbesserungen bzw. wertsteigernde Verbesserungsmaßnahmen.

Insofern werden Ihnen als SGB-II-Empfangenden keine grundlegenden Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten finanziert, das ist nicht Aufgabe des SGB II. Zu einer grundlegenden Erhaltungsarbeit gehört bspw. die Erneuerung oder Instandsetzung der Heizungsanlage oder der Austausch eines Warmwasserspeichers. Eine Absenkung des Wohnstandards ist grundsätzlich hinzunehmen, solange für Sie als Leistungsempfänger eine genügende, einfache, ein menschenwürdiges Leben sicherstellende Ausstattungsstandard gewahrt bleibt.

In Bezug auf den Warmwasserboiler hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden, dass es sich um eine Instandsetzung handelt und eine Wohnwerterhöhung damit nicht verbunden ist. Durch den Ersatz des Warmwasserboilers wird der bisherige Zustand der Wohnung lediglich wiederhergestellt, nämlich damit Wasser zu erwärmen und erwärmtes Wasser nutzen zu können. Eine Modernisierung erfolgte damit nicht. Daher wurde entschieden, dass sowohl die Boilerkosten in Höhe von 562 Euro übernommen werden mussten als auch die Einbaukosten und Umsatzsteuer (gesamt 916,30 Euro).

Außerdem waren im vorliegenden Fall die Kosten für den Austausch des Warmwasserboilers angemessen. Das kann ich natürlich in Ihrem Falle nicht beurteilen. Aber Sie haben insoweit Recht, wenn Sie behaupten, dass zwischen einem Eigenheimbesitzer und einem Mieter grundsätzlich kein Unterschied gemacht werden darf.

Ich weise darauf hin, dass natürlich Kommunen und Gerichte unterschiedlich entscheiden. Es gibt also keine Garantie, dass sich das für Sie zuständige JobCenter oder Gericht ähnlich entscheiden wird. Außerdem kommt es im Einzelfall immer darauf an, ob der von Ihnen geschilderte Sachverhalt vergleichbar ist mit dem o.g. Urteil.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls bei dem Durchsetzen Ihrer Rechte viel Glück!

Mit freundlichen Grüßen

Petra Sitte

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