Frage an Petra Selg von Stephan H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Selg,
als langjähriger Luftsportler habe ich drei Fragen an Sie:
1.)
Im §7 des LuftSiG werden Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Privatpiloten gefordert.
In §17 des gleichen Gesetzes ist geregelt, daß es einer vom Bundesrat bestätigten Durchführungsverordnung bedarf. Diese gibt es derzeit nicht, Herr Schily hat dennoch die Regierungspräsidien angewiesen, sofort mit ZÜP zu beginnen. Das führt zu einer völlig unübersichtlichen Situation, da keiner weiß, was geprüft werden soll, was es kosten soll und dergleichen.
Werden Sie im Falle eines künftigen Abgeordnetenmandats diesen Rechtsbruch stoppen und werden Sie sich dafür einsetzen, daß Piloten von Kleinflugzeugen von dieser Pflicht zur Zuverlässigkeitsüberprüfung ausgenommen werden?
2.)
Alle Piloten müsen sich einer Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) nach LuftSiG unterziehen lassen. Dies ist auch kostenpflichtig. Die Untersuchung soll periodisch wiederholt werden. Sind Sie der Meinung, daß ein solcher Globalverdacht angemessen ist? Wird dadurch nicht der Grundsatz «in dubio pro reo» und damit unser Rechtsverständnis ausgehebelt?
Sollte nicht ein gewisser Anfangsverdacht wenigstens die ZÜP rechtfertigen?
3.)
Am 1. Mai 2005 trat in Deutschland JAR-FCL 3 in Kraft, welche die Lizenzierung für Privatpiloten regelt. Als Europäische Regelung gedacht, wurde diese jedoch in Deutschland wesentlich schärfer formuliert als der englische Originaltext, was dazu führt, daß Piloten bei minimalen medizinischen Ereignissen teure bürokratische Verfahren über sich ergehen lassen müssen. Durch diese Vorschriften ist der Bestand des Luftsports in Deutschland ernsthaft gefährdet.
Werden Sie sich für Regelungen einsetzen, die dem Verhältnis Arzt/Pilot wieder mehr gerecht wird, sodaß der Arzt über die Tauglichkeit eines Piloten entscheiden kann.
Werden Sie die überzogenen Gesundheitsanforderungen wieder auf ein praxisgerechtes Maß zurücknehmen?
Ich danke Ihnen im voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Hestermann
Sehr geehrter Herr Hestermann,
vielen Dank für Ihre Fragen rund um die Problematik Luftsicherheit.
Zu Ihrer ersten Frage:
Es ist richtig, dass sich die Verordnung derzeit noch in der Abstimmung befindet. Allerdings trifft es nicht zu, dass dadurch die Behörden nicht arbeitsfähig sind. Die wesentlichen Grundsätze für die Zuverlässigkeitsüberprüfung ergeben sich bereits unmittelbar aus den Regelungen des § 7 des Luftsicherheitsgesetzes. Was die Kriterien zur Beurteilung der Zuverlässigkeit anbelangt, hat das Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 15. Juli 2004 (3 C 33/03) und 11. November 2004 (3 C 8/04) festgestellt, dass der Begriff der Zuverlässigkeit aus sich heraus genügend bestimmt sei.
Für das Verfahren der Zuverlässigkeitsüberprüfung gelten die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Darüber hinaus erfolgt auf fachlicher Ebene eine enge Abstimmung mit allen Bundesländern, um ein weitgehend einheitliches Vorgehen zu gewährleisten.
Ich gehe davon aus, dass vor diesem Hintergrund keine rechtlichen Bedenken bestehen und halte die Zuverlässigkeitsüberprüfung grundsätzlich für erforderlich. Allerdings setze ich mich als Abgeordnete für eine weniger bürokratische und verhältnismäßige Anwendung ein. So hatte Bündnis 90/ Die Grünen bereits bei den Verhandlungen zum Luftsicherheitsgesetz gefordert, die Zuverlässigkeitsüberprüfung nur alle 5 Jahre zu wiederholen, wie es die EU-Verordnung das als Mindestrahmen vorsieht. Angesichts der ernsten Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und der Tatsache, dass auch von Kleinflugzeugen eine erhebliche Gefährdung ausgehen kann, halte ich einen Verzicht auf Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Piloten von Kleinflugzeugen für nicht vertretbar.
Zu Ihrer zweiten Frage:
In der aktuellen innenpolitischen Debatte werden zunehmend Forderungen erhoben, die unbescholtene Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht stellen. Bündnis 90/ Die Grünen sehen dies sehr kritisch und lehnen z. B. eine flächendeckende Videoüberwachung des öffentlichen Raumes ab. Wir wollen kein generelles Autokennzeichen-Screening und halten die Speicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten über einen längeren Zeitraum für nicht hinnehmbar. Vor kurzem wurden als Zeugen zu einer Brandstiftung 700 Personen polizeilich vorgeladen, die aufgrund ihres eingeschalteten Handys als Personen, die sich zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes aufgehalten haben, identifiziert wurden. Hier führt normales Alltagsverhalten dazu, zu einem Tatverdächtigen zu werden. Union und SPD befinden sich in einem unheilvollen Wettlauf nach immer mehr Überwachung. Wir halten es für richtig, dass Bürgerinnen und Bürger sich dagegen zur Wehr setzen, unter Generalverdacht gestellt zu werden.
Der in Deutschland lebende Todespilot Atta, war Inhaber einer Privatpilotenlizenz. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 wurde bereits im Oktober 2001 die Verordnung zur Zuverlässigkeitsüberprüfung im Luftverkehr verschärft. Seit Oktober 2001 werden alle Personen einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen, die in beruflichem Zusammenhang regelmäßig in den sicherheitsrelevanten Bereichen der Verkehrsflughäfen tätig sind.
Ich halte es grundsätzlich für verhältnismäßig, dass die Zuverlässigkeitsüberprüfung auf die Piloten des privaten Luftverkehres ausgedehnt wurde. Wenn erst auf der Grundlage eines Anfangsverdachtes überprüft wird, kann es im Ernstfall zu spät sein. Der Staat trägt die Verantwortung, die Bürgerinnen und Bürger vor Anschlägen zu schützen.
Die Zuverlässigkeitsüberprüfungen werden im Auftrag des Bundes von den Ländern durchgeführt. Die Gebühren sind im Bundesgesetz nicht festgelegt. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach dem Grundsatz der Kostendeckung. Die Gebührenhöhe bei der Überprüfung im beruflichen Zusammenhang liegt zwischen 15 und 40 Euro. Wir setzen uns für angemessene Gebühren ein, die möglichst bundeseinheitlich sein sollen.
Bezüglich der Beantwortung Ihrer dritten Frage muss ich noch um ein wenig Geduld bitten.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Selg
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Ergänzung vom 11.08.2005:
Zu Ihrer dritten Frage:
Bezüglich der Feststellung einer medizinischen Tauglichkeit von Segelfliegern (JAR FCL3, gilt auch für andere Privatflieger) hält sich Deutschland an die Empfehlungen der Internationalen Zivil-Luftfahrt Organisation (ICAO). Solche flugmedizinischen Untersuchungen werden in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten durchgeführt und wurden bisher nie in Frage gestellt, auch wenn einzelne Staaten auf nationaler Ebene andere Verfahren eingeführt haben. In Anbetracht einer Anzahl von etwa 100.000 Segelfliegern in Deutschland bei 7.800 zugelassenen Segelflugzeugen, die in einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland fliegen, wird die Durchführung flugmedizinischer Tauglichkeitsuntersuchungen aus Sicherheitsgründen auch weiterhin für erforderlich gehalten. Änderungen können sich zukünftig aufgrund der geplanten Übernahme des Bereichs "Flugmedizin" durch die neue geschaffene Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) auf gesamt-europäischer Ebene ergeben.