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Petra Pau
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Frage von Volker E. •

Frage an Petra Pau von Volker E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pau,

weshalb hat Deutschland eigentlich immer noch keine ordentliche Verfassung? Nach wie vor existiert nur das Grundgesetz FÜR die Bundesrepublik, aber keine Verfassung DER Bundesrepublik. Das GG wurde doch seinerzeit von einer "Übergangsregierung" nach Genehmigung durch die Besatzungsmächte installiert und nicht, wie es bei einer Verfassung üblich ist, vom Volk nach Vorlage eines Entwurfes durch Abstimmung gewünscht.
Nach nunmehr 60 Jahren wäre es nach meiner Meinung höchste Zeit, uns Staatsbürgern in diesem Punkt eine zufriedenstellende und angemessene Grundlage zu bieten. Sicher würde eine Verfassung wesentliche Punkte des GG übernehmen, da dieses ja nicht wirklich schlecht ist. Aber alleine vom inneren Gefühl heraus kann ich mit dieser jetzt noch gültigen Regelung nicht unbedingt den Patriotismus aufbringen, den unser Land in dieser schweren Zeit sicher bitter nötig hätte.
Haben Sie (und auch andere Politiker) dieses Thema bereits ad acta gelegt, oder wird sich daran irgendwann noch etwas ändern?

Mit freundlichen Grüßen

Volker Eichler

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Sehr geehrter Volker Eichler,

da 1990 die BRD und die DDR nicht vereinigt wurden, sondern die DDR der BRD beitrat, entfiel auch die rechtliche Pflicht, das Grundgesetz durch eine Verfassung abzulösen, und zwar per Volksabstimmung. Politisch indes wäre es möglich und aus meiner Sicht auch nötig gewesen. Aber insbesondere die CDU/CSU und die SPD blockierten dies damals.

Umso überraschter war ich, als der aktuelle SPD-Vorsitzende Franz Müntefering kürzlich anregte, das Grundgesetz durch eine Verfassung zu ersetzen. In den Medien wurde dies überwiegend als Wahlkampf-Köder für die Ostdeutschen nieder geschrieben. Ich befürchte, zu Recht.

Nun trifft es sich, dass in dieser Woche, konkret am 23. April 2009, im Bundestag drei Anträge abgestimmt wurden. Alle drei begehrten, dass Volksentscheide auch auf Bundesebene möglich werden sollen. Das Grundgesetz lässt das prinzipiell zu. Allerdings muss dem der Bundestag mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Alle drei Anträge wurden abgelehnt, von der CDU/CSU und von der SPD-Fraktion.

Daraus können sie folgern: So lange die Unions-Parteien und die SPD nicht einmal bereit sind, das Grundgesetz zu entfalten, so lange werden sie sich auch einem neuen Verfassungsprozess verweigern.

In der entsprechenden Plenardebatte im Bundestag habe ich für die Fraktion DIE LINKE gesprochen. In meiner Rede ging ich in einer kurzen historischen Replik auf die ausgeschlagenen Chancen für eine neue Verfassung ein. Das Dilemma begann übrigens bereits im Frühjahr, also sechs Monate vor der Vereinigung. Sie können meine Rede unter www.petrapau.de/16_bundestag/dok/090423_demokratie.htm nachlesen oder als Video unter www.youtube.com/watch?v=2_fnt4tWj6E nachvollziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau

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