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Petra Pau
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Frage von Bernd H. •

Frage an Petra Pau von Bernd H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Pau,

mich würde interessieren wie sie die Finanzierbarkeit der Linke-Vorschläge beurteilen. Viele der Missstände die die Linke anprangert sind durchaus nicht hinnehmbar. Ich stelle mal folgende Überlegungen an:

1. Unseren Kindern einen noch größeren Schuldenberg zu hinterlassen, kann nicht die Antwort linker Politik sein, zumal es sich dabei unterm Strich um eine enorm unsoziale Politik handeln würde.

2. Deutschland befindet sich in einem Standortwettbewerb der ein höheres Umverteilungsvolumen enorm schwierig macht. Die ´Reichen´ können durchaus die Koffer packen wenn man sie zu sehr belastet und sich woanders niederlassen.

3. Die Antwort Herrn Lafontaines auf Punkt 2 ist sehr rabiat: Zwangsenteignung von Konzernen, Großbanken usw.. Auch habe ich ein Plakat von ´die Linke´ in München gesehen, auf dem die Forderungen "Die Reichen sollen Zahlen" "Enteignung von Großbanken" u.a. stand. Dieses Vorgehen würde ausländische Investoren zweifelsfrei abschrecken und befindet sich in krassen Widerspruch zu Grundgesetz und allegemeinem Demokratieverständnis.

Wie also wollen sie unter diesen Umständen all die Wohltaten finanzieren? Oder irre ich in einem der o.g. Punkte?

MfG

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Antwort von
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Sehr geehrter Bernd Hopp,

bevor ich Ihre Fragen beantworte, eine aktuelle Vorbemerkung. DIE LINKE ringt um viele Änderungen, die für immer mehr Menschen von großer Bedeutung wären. Zum Beispiel eine Anhebung der Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger oder um kostenlose Schulspeisung für Kinder aus finanzschwachen Familien, und so weiter.

Jedes Mal wird uns dann gesagt, das sei utopisch, denn das koste zwei oder vier Milliarden Euro, die niemand habe. Dann aber verzockt sich plötzlich eine Privat-Bank im weltweiten Spekulationspoker und der Staat stellt ebenso plötzlich 35 Milliarden Steuer-Euro als Ausfallbürgschaft bereit. Es stimmt also was nicht im Staate Deutschland.

Nun zu Ihren Fragen, wobei ich vorweg schicke: Ich bin keine Haushaltsexpertin. Aber unsere Fachleute haben in zwei Varianten berechnet, welche Steuereinnahmen die Bundesrepublik Deutschland haben könnte, wenn hierzulande Steuern wenigstens im EU-Durchschnitt erhoben würden.

Die progressive Berechnung besagt: 125 Mrd. Euro jährlich mehr. Die konservative Berechnung kommt auf 80 Mrd. Euro pro Jahr zusätzlich. So oder so: Der Staat verzichtet allein im EU-Vergleich auf riesige Einnahmen und er lädt dieses Minus bei denen ab, die einen Sozialstaat am meisten bräuchten.

Wir haben inzwischen ein Steuersystem, bei dem sich die wirklich Reichen
arm rechnen können und im besten Fall sogar noch Verlusthilfen vom Staat
kassieren. Der Mittelstand trägt die Hauptlast der Steuerforderungen.
Und die Armen werden zunehmend sich selbst überlassen. Das ist extrem
ungerecht.

Kurzum: Die aktuellen politischen Forderungen der Linkspartei zielen weder auf eine weitere Neuverschuldung zu Lasten künftiger Generationen, noch auf ein populistisches Utopia jenseits aller Realitäten. Sie wären obendrein finanziell gedeckt, wenn die jahrelange Umverteilungspolitik von Unten nach Oben gestoppt und umgekehrt würde.

Nun zu den "rabiaten" Vorstellungen von Oskar Lafontaine, wie Sie schreiben. Sie vermuten, sie ständen im "krassen Widerspruch zum Grundgesetz". Genau das tun sie nicht. Das Grundgesetz definiert die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen und als sozialen Rechtsstaat. Und es verpflichtet in diesem Sinne auch das Privateigentum, dazu beizutragen.

Ich empfehle Ihnen hierzu Artikel 14 und 15 Grundgesetz. Ob man deswegen gleich Konzerne und Großbanken "zwangsenteignen" muss, wie Sie formulieren, darüber kann man gerne streiten. Aber wenn der Staat -- siehe oben -- mit 35 Mrd. Steuer-Euro eine private Bank rettet, dann sollte er im Gegenzug zumindest ein adäquates Mitentscheidungsrecht über die Geschäftspolitik dieser Bank erhalten.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau

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