Frage an Petra Pau von Ernest G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Pau,
ich möchte Ihnen ganz gerne folgende Fragen stellen:
1.) Sind Sie zufrieden mit dem derzeitigen Umgang mit dem Tempelhofer Feld?
2.) Wie ist Ihr Standpunkt zu den Mietpreisentwicklungen hier in Berlin?
3.) Inwiefern sehen Sie Notwendigkeiten an Straßenbahn-, U- und S-Bahnverlängerungen hier in Berlin, und wo?
4.) Im Falle einer mehrheitlichen Abstimmung pro Offenhalten des Flughafens Tegel: Würden Sie das Ergebnis so akzeptieren? Und, wie sollte der Senat Ihrer Meinung nach damit umgehen?
5.) Glauben Sie überhaupt noch an eine Eröffnung des neuen Großflughafens BER? Oder, sollte er wieder abgerissen werden?
6.) Wie ist Ihr Standpunkt zum Thema Flüchtlinge? Sollten nicht anerkannte Asylbewerber, sogenannte Gefährder, sowie jene, die kriminell geworden sind, überhaupt abgeschoben werden?
7.) Was sollten Deutschland und Europa, Ihrer Meinung nach, bezogen auf Sicherheit und Terrorabwhr tun?
8.) Sind Sie für Sanktionen gegen die Türkei, wegen Erdogans Politik? Sind Sie dafür, dass, trotz der derzeitgen Umstände, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortgeführt werden?
9.) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit der Politik von Trump umgehen?
10.) Befürchten Sie weitere Eskalationen zwischen Trump und Nordkorea? Und, wie sind Ihre Standpunkte dazu?
11.) Was ist Ihre Meinung zu den oft astronomischen Bonis und Gehälter von Top-Managern?
Ich freue mich auf, und bedanke mich schonmal im Voraus für Ihre Antworten!
Mit freundlichen Grüßen
E. G.
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Fragen:
1.)Sind Sie zufrieden mit dem derzeitigen Umgang mit dem Tempelhofer Feld?
Ich begrüße die aktuelle Nutzung des Freifeldes am ehemaligen Flughafen Tempelhof. Die Größe des Feldes und der damit nutzbare Freiraum lädt zu diversen Freizeitaktivitäten ein und bietet für Berlinerinnen und Berliner aller Couleur ein Mehr an grüner Fläche.
2.) Wie ist Ihr Standpunkt zu den Mietpreisentwicklungen hier in Berlin?
Die ortsübliche Miete kennt in Berlin seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. Die stetig steigenden Mieten werden sich viele Berlinerinnen und Berliner bald nicht mehr leisten können und immer mehr Anteile von Lohn und Gehalt müssen für die Miete aufgebracht werden. Deshalb fordert DIE LINKE einen Neustart und eine neue Mietpreisbremse, die ihren Namen auch verdient. Dies allein wird das Problem allerdings nicht lösen. Daher setze ich mich und DIE LINKE sich für mehr bezahlbare Wohnungen ein – mind. 250.000 neue Wohnungen sollen durch gemeinnützigen Wohnungsbau jährlich entstehen – gefördert durch 5 Milliarden Euro. Der öffentlich geförderte Wohnungsbau darf seine Sozialbindung darüber hinaus nicht abgeben. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass der Mietspiegel kein Mieterhöhungsspiegel wird und wir wollen einen verbesserten Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter. Des Weitern sollte der Wohnungsmarkt frei sein von Spekulationen und Privatisierung und vielmehr in die öffentliche Hand gegeben werden. Wohnen ist ein Menschenrecht und gehört nicht auf dem freien Markt verhökert werden.
3.) Inwiefern sehen Sie Notwendigkeiten an Straßenbahn-, U- und S-Bahnverlängerungen hier in Berlin, und wo?
Momentan sehe ich dringenden Handlungsbedarf bezüglich einer Verkehrslösung für das Ortsteilzentrum Mahlsdorf und setze mich für einen stabilen 10-Minuten-Takt auf der Straßenbahnlinie 62 ein. Außerdem spreche ich mich für einen schnellen Ausbau des ÖPNV aus – u.a. die Ausdehnung der Betriebszeiten der Tramlinien 16 und 18 sowie für Beschleunigungsmaßnahmen auf der Linie M6.
4.) Im Falle einer mehrheitlichen Abstimmung pro Offenhalten des Flughafens Tegel: Würden Sie das Ergebnis so akzeptieren? Und, wie sollte der Senat Ihrer Meinung nach damit umgehen?
Ich und DIE LINKE setzten uns nach wie vor für die Schließung des Flughafens Tegel ein. Der Weiterbetrieb von Tegel wäre nicht nur finanziell und rechtlich, sondern auch gesundheitlich fraglich. Daher rufe ich alle Berlinerinnen und Berliner dazu auf, am 24.September beim Volksentscheid mit NEIN zu stimmen. Ein NEIN zum Flughafen Tegel ist ein Bekenntnis für die Zukunft der Stadt Berlin. Ein Volksentscheid gilt als scharfes Schwert der direkten Demokratie und ist eine demokratische Entscheidung der Bevölkerung, die es zu respektieren gilt. Zudem spreche ich mich und DIE LINKE seit langem für mehr direkte Demokratie aus. Sollte am 24. September die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner in erfolgreicher Volksabstimmung für die Offenhaltung des Flughafens Tegel votieren, sollte der Senat die Forderung ernsthaft prüfen. Die an die Entscheidung gekoppelten rechtlichen und finanziellen Realitäten müssen anschließend transparent und zügig geklärt werden.
5.) Glauben Sie überhaupt noch an eine Eröffnung des neuen Großflughafens BER? Oder, sollte er wieder abgerissen werden?
Ja, ich setze mich für die Eröffnung des Großstadtflughafens BER ein, u.a. auch deshalb, weil daran die Schließung des Flughafens Tegel gekoppelt ist. Die Betriebsgenehmigung für Tegel stammt aus der Zeit als Berlin geteilt war und läuft mit der Eröffnung des BER ab. Nach den heutigen Gesetzen ist die Erteilung einer neuen Genehmigung aufgrund der innerstädtischen Lage höchst unwahrscheinlich. Zudem wäre die Inbetriebnahme des BER gefährdet, da dessen Betriebsgenehmigung auf der Schließung von Tegel beruht. Es drohen jahrelange, teure juristische Auseinandersetzungen – auf Kosten der Allgemeinheit. Zudem gilt Lebensqualität statt Flughafen. Weitere Informationen zur Kampagne finden Sie hier http://www.die-linke-berlin.de/wahlen/bundestag_2017/volksentscheid_txl/lebensqualitaet_statt_flughafen_nein_zu_txl/
6.) Wie ist Ihr Standpunkt zum Thema Flüchtlinge? Sollten nicht anerkannte Asylbewerber, sogenannte Gefährder, sowie jene, die kriminell geworden sind, überhaupt abgeschoben werden?
Mein Standpunkt und der der Partei DIE LINKE ist diesbezüglich eindeutig – es braucht einen Kurswechsel. Zuerst muss das Grundrecht auf Asyl in seiner Substanz wiederhergestellt werden. Im Gegensatz zu allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien haben wir jede Einschränkung des Asylrechts abgelehnt. Wir wollen das Grundrecht auf Asyl wiederherstellen. Menschenrechte kennen keine Obergrenze. Wir unterstützen die Forderungen nach einem sofortigen Stopp der Abschiebungen und nach einem Bleiberecht für alle. Regelungen zu vermeintlich sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten, die Ablehnung und Abschiebung von Schutzsuchenden ohne wirksame Einzelfallprüfung ermöglichen, lehnen wir ab. Sie müssen zurückgenommen werden. Mittlerweile reden alle Parteien davon, Fluchtursachen bekämpfen zu wollen. Aber nur DIE LINKE hat Vorschläge, die diesem Anspruch gerecht werden. Die Fluchtursache Nummer 1 ist Krieg. Insofern könnte Deutschland den größten Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen leisten, wenn es konsequent abrüstet und Waffenexporte stoppt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Broschüre der Linksfraktion: „Wie Flucht gemacht wird – Fluchtursachen und die Verantwortung Deutschlands“ verweisen. Asylsuchende sind in erster Linie Opfer von Krieg und Verfolgung und insofern schutzbedürftig und schwer traumatisierte Flüchtlinge brauchen Hilfe und gute psychologische Behandlungsangebote. Bezüglich der Sicherheit lässt sich ergänzen, dass insbesondere gute Präventionsarbeit und ein funktionierender Sozialstaat diese gewährleisten. Radikalisierungen setzen immer häufiger schon in jungen Jahren ein – daher sollten Vereine, Initiativen und Bildungsträger mit den nötigen finanziellen Rücklagen ausgestattet werden, um diese vorzubeugen und um flexibel auf neue Herausforderungen reagieren zu können.
7.) Was sollten Deutschland und Europa, Ihrer Meinung nach, bezogen auf Sicherheit und Terrorabwehr tun?
Seit jeher spreche ich mich mit Nachdruck dafür aus, dass die Aufgaben der Terrorabwehr und die Gefahrenabwehr allgemein, in den Zuständigkeitsbereich der Polizei fallen. Des Weiteren sollten die bereits vorhandenen gesetzlichen Regelungen zur Gefahrenabwehr endlich effektiv umgesetzt werden – mit Rücksicht auf den Schutz der Freiheits- und Bürgerrechte. Sicherheit erfordert insbesondere eine gute Präventionsarbeit und einen funktionierenden Sozialstaat. Dafür setze ich mich und die Partei DIE LINKE ein.
8.) Sind Sie für Sanktionen gegen die Türkei, wegen Erdogans Politik? Sind Sie dafür, dass, trotz der derzeitgen Umstände, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortgeführt werden?
Die türkische Regierung, die seit dem vergangenen Putschversuch im Juli 2016 Zehntausende Menschen aus dem Staatsdienst entlassen und hinter Schloss und Riegel gesteckt hat und die deutsche Staatsbürger als Geiseln nimmt, kann kein bevorzugter Partner der deutschen Außenpolitik sein und ich erwarte diesbezüglich endlich eine klare Haltung von der Bundesregierung. Unter den aktuellen Geschehnissen schließe ich mich der Position von DIE LINKE an: Die Türkei kann momentan keinesfalls ein Mitglied der Europäischen Union werden und die Beitrittshilfen sollten umgehend ausgesetzt werden. Außerdem muss der Flüchtlingsdeal mit der Türkei gestoppt werden. Die inhaftierten Journalisten und Menschenrechtsverteidiger müssen umgehend freigelassen werden – genauso wie die vielen Parteimitglieder der Linkspartei HDP.
9.) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit der Politik von Trump umgehen?
Herr Trump ist ein von der amerikanischen Bevölkerung legitim gewählter Präsident – das respektiere ich. Gleichzeitig sollte man ihn weder klein, noch schön reden. Donald Trump ist ein Sexist und ein Rassist, der eine Mauer zu Mexiko errichten will, sich nicht eindeutig vom Ku-Klux-Klan distanziert und der sich für die Wiedereinführung von Foltermethoden ausspricht, die noch schärfer sind als Waterboarding. Die Beziehungen zu Russland befinden sich auf einem Tiefpunkt und es hat eine neue Rüstungsspirale zwischen den USA und Russland eingesetzt. Den neuen Aufrüstungsforderungen, die Trump an die NATO- Partner richtet, diesen wollen wir nicht folgen – stattdessen sollte unser Geld in sinnvollere Projekte investiert werden, wie z.B. in die zivile internationale Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe. Denn letztendlich findet jede neue Waffe irgendwann ihren Krieg.
10.) Befürchten Sie weitere Eskalationen zwischen Trump und Nordkorea? Und, wie sind Ihre Standpunkte dazu?
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf die neueste Presseerklärung meines Kollegen Stefan Liebich (MdB, Obmann im Auswärtigen Ausschuss) aufmerksam machen: http://www.stefan-liebich.de/de/article/5014.deeskalation-trotz-nordkoreas-erneuter-provokation.html . Es sollte weiterhin das Mantra der ‚Deeskalation, trotz erneuter Provokation aus Nordkorea‘ gelten. Für eine friedliche Lösung ist es unabdingbar, alle Konfliktparteien wieder an einen Verhandlungstisch zu bekommen – Nordkorea, Südkorea, die Volksrepublik China, Russland, Japan und die USA. Denn das letzte, was die Welt momentan braucht, ist eine weitere nukleare Aufrüstungsspirale.
11.) Was ist Ihre Meinung zu den oft astronomischen Bonis und Gehälter von Top-Managern?
Ich setze mich für gute Löhne für alle Beschäftigten ein und kann diesbezüglich für die Forderung von DIE LINKE werben. Wir wollen verbindliche Obergrenzen für Manager- und Vorstandsgehälter: Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen. Die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der Schweiz hatten ein Verhältnis von 1 zu 12 gefordert – das ist der nächste Schritt. Jahresgehälter über einer halben Million Euro dürfen nicht mehr steuerlich abzugsfähig sein. Wir wollen Wege prüfen, wie sie in Portland (USA) gegangen werden: Dort wird für Unternehmen eine Strafsteuer erhoben, deren Löhne zu weit auseinander gehen. Wir fordern verbindliche Regeln für alle öffentlichen Unternehmen. Obergrenzen für Gehälter in Unternehmen sollen dazu beitragen, die Einkommen in der Gesellschaft gerechter zu machen. Wir schlagen vor, dass niemand mehr als vierzig Mal so viel verdienen sollte wie das gesellschaftliche Minimum. Das sind derzeit knapp eine halbe Million Euro im Jahr.
Mit freundlichen Grüße
Petra Pau