Frage an Petra Pau von Philipp K. bezüglich Bundestag
Sehr geehrte Frau Pau,
im letzten Jahr ist die Föderalismuskommission gescheitert, weil keine Einigung über die Kompetenzen in der Bildungspolitik gefunden werden konnte. Trotz vieler Bekenntnisse zur Notwendigkeit der Reform und Aufforderungen aller seiten wurde bisher kein ernsthafter neuer Versuch unternommen, sicher auch wegen der Unterbrechung durch die Neuwahlen.
Ich halte diese Neuerungen für sehr dringend und interessiere mich daher für Ihre Position zur Reform der föderalen Strukturen. Wo sehen Sie geeignete Ansatzpunkte, um die staatliche Organisation wieder effektiver zu machen, ohne in Zentralismus zu verfallen?
In dieser Diskussion tauchen oft Forderungen nach Länderfusionen auf. Welche Haltung haben Sie dazu, besonders im Hinblick auf einen möglichen Zusammenschluss Berlins mit Brandenburg? Nach einigen Berichten über Expertenmeinungen brächte dies keinen umfangreichen Einspareffekt, und viele sehen die kulturellen Eigenheiten der kleineren Länder gefährdet. Parteiübergreifend wird außerdem mangelnde Gerechtigkeit im Länderfinanzausgleich angeführt, logischerweise meist aus den "reicheren" Ländern heraus.
Wie stehen Sie zu diesen Argumenten?
Mit freundlichen Grüßen
Philipp Krämer
Sehr geehrter Philipp Krämer,
Sie haben ein Paket mit vielen Fragen geschnürt und es mir zur Beantwortung geschickt. Bitte akzeptiere Sie, wenn ich dennoch kurze Antworten versuche.
Die Linkspartei.PDS ist für eine Reform des Föderalismus. Was auch heißt: Das föderale Grundprinzip sollte erhalten und genau deshalb erneuert werden.
Im Angebot sind derzeit – grob betrachtet - zwei Konzepte: Der so genannte Wettbewerbs-Föderalismus. Er wird von den „reichen“ Bundesländern und von der CDU/CSU hofiert. Und der solidarische Föderalismus. Dafür ist die Linkspartei.PDS.
Der „Länderfinanzausgleich“ ist ein Unterproblem des Steuersystems überhaupt. Das geltende geht zu Lasten der Länder und Kommunen. Das ist inzwischen überall spürbar, selbst in München. Es ist zudem ungerecht.
Bildung und Kultur sind ausschließlich Ländersache. Dafür gibt es gute Gründe, aber auch Gegenargumente. Ich will die Zuständigkeit der Länder bewahren, aber zugleich eine verbindliche Kooperation untereinander und im Bund stärken.
Die PISA-Studie bleibt aktuell. Sie ist alles andere als ein Güte-Siegel für die deutsche Bildungspolitik. Und sie wird nach Belieben interpretiert. Bayern zum Beispiel rühmt sich, mit seinem 3-gliedrigen Schulsystem fachlich Spitze zu sein. Wer tiefer blickt, liest: Gerade dort ist die „Sozialauslese“ am schlimmsten.
Hellhörig werde ich immer, wenn die Angriffe gegen den Föderalismus und die Zuständigkeit der Länder ausgerechnet aus der Innenpolitik kommen, vom BKA, vom Verfassungsschutz und so weiter, also von Beckstein, Schily & Co. Deutschland tendiert zum Sicherheits- und Überwachungsstaat. Das will ich nicht. Aber auch das hat etwas mit dem Thema Föderalismus zu tun.
Die derzeitige Länder-Struktur halte ich nicht für zukunftsfähig, nicht in Ost, nicht in West, nicht in Europa. Die PDS hat schon vor Jahren eine Neugliederung angeregt. Für die neuen Bundesländer könnte das z. B. heißen: ein Nord- und ein Südland. Aber das scheint mir derzeit nicht durchsetzbar. Dagegen sprechen vor allem politische, soziale und kulturelle Empfindungen. Man darf sie nicht leugnen.
Übrigens: Ich teile Ihre Vermutung nicht, dass die Föderalismus-Kommission an der Bildungsfrage gescheitert ist. Das wird zwar behauptet, aber es stimmt nicht. Überhaupt war der Ansatz der Kommission viel zu eng. Wir hatten als PDS z. B. die Demokratie-Frage aufgeworfen und mit uns forderten das zahlreiche Parlamentspräsidenten. Denn es gibt eine fundamentale Fehlentwicklung. Wir wollten den Einfluss der Parlamente gegenüber den Regierungen stärken, wir wollten überhaupt mehr Demokratie. Dieser Anspruch wurde klein geschrieben, ja ausgeblendet. Und auch die soziale Frage – ich halte sie nach wie vor für eine zentrale – wurde nie ernsthaft debattiert.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau
Linkspartei.PDS im Bundestag