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Petra Pau
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Frage von Albrecht W. •

Frage an Petra Pau von Albrecht W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Pau,

mit Blick auf die Bundestagswahl im September habe ich mir Ihr Wahlprogramm "Für eine neue soziale Idee" von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen.
Dabei stellten sich mir einige Fragen, ich hoffe Sie können mir diese beantworten.
In ihrem Bundestagswahlprogramm stellen Sie folgende Forderungen auf, die Sie den Wählern in Aussicht stellen:

-Ausweitung von Öffentlichen Dienstleistungen
-Massive Ausweitung von öffentlichen Investitionen durch ein Investitionsprogramm im Umfang von 30 Mrd. Euro mit Lohnkostenzuschüssen im Niedriglohnbereich
-Wiederherstellung der längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I
-Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro in Ost und West
-Aufstockung des steuerfreien Existenzminimums auf 12000 Euro
-800 Euro Grundrente für alle
-Gebührenfreiheit in Schule, Lehre und Universität
-Gebührenfreie Kita-Plätze für alle Kinder
-Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro, keine Anrechnung des Kindergeldes bei Beziehern von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe
-Abschaffung der Kaffee-, Bier-, Feuerschutz- und Weinsteuer
-Ermäßigte Mehrwertsteuer beim Handwerk und apothekenpflichtigen Medikamenten
-Anhebung der Fahrtkostenpauschale auf 40 Cent/km
-Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7% des BIP

Ich frage Sie, wie möchten Sie diese Wahlgeschenke gegenfinanzieren angesichts einer Staatsverschuldung von 1,4 Billionen Euro (1400 Milliarden Euro)?

Da in Ihrem Wahlprogramm keinerlei Sparmaßnahmen genannt werden, gehe ich davon aus dass diese Wahlgeschenke ausschließlich über Steuererhöhungen und Neuverschuldung finanziert werden sollen. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass die Spitzenverdiener in unserem Lande (ich gehöre leider nicht dazu) wohl kaum bereit sind noch weitere Steuererhöhungen hinzunehmen und ihr Kapital schleunigst ins Ausland schaffen werden, wenn sie das nicht schon längst getan haben. Angesichts dieser Aussichten dürften die von Ihnen geplanten Steuererhöhungen doch eher Kapitalflucht als zusätzliches Geld in die Kassen für Ihre sozialen Wohltaten bringen.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir mitteilen würden, wie Ihre Wahlversprechen gegenfinanziert sind.

Des Weiteren ist es für mich intellektuell nicht nachvollziehbar, wie Sie in Ihrem Wahlprogramm schreiben können: "Der Trend, die Arbeitszeiten wieder zu verlängern, meist ohne Lohnausgleich, muss gestoppt und umgekehrt werden. Er bedeutet Lohnsenkung und führt zu mehr Arbeitslosigkeit."
Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Löhne sinken, dann wird es auch für den Unternehmer rentabel neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Arbeitslosigkeit sinkt. Das hat schon Karl Marx vor über 100 Jahren gewußt, und das beweisen die vielen Unternehmen, die Arbeitsplätze ins billigere (osteuropäische) Ausland verlagern.

Da Sie Ihr Wahlprogramm hoffentlich nicht nur für die Opposition geschrieben haben, denn warum sollte man dann Ihre Partei wählen, wäre ich erfreut, wenn Sie mir meine Fragen beantworten könnten.

Mit freundlichen Grüßen und herzlichem Dank

Albrecht Walther

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Sehr geehrter Herr Walther,

vielen Dank für Ihre ausführliche Frage, die ich gerne beantworten möchte. Ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unser Wahlprogramm durchzulesen!

Nun zum Inhaltlichen. Ich entnehme Ihrer Frage, dass Sie den Sinn der von uns geforderten Investitionen bejahen, sich aber fragen, wie wir das ganze finanzieren wollen. Abgesehen davon, dass es sich keinesfalls um "Wahlgeschenke", sondern vielmehr um notwendige Maßnahmen handelt, um soziale Gerechtigkeit herzustellen und die Binnennachfrage wieder anzukurbeln, haben sie Ihre Frage schon selbst beantwortet: Über anstehende Steuererhöhungen für Besserverdienende und Unternehmen brauchen Sie ja nicht mutmaßen, wir kündigen sie ja offen an. Durch die Wiederanhebung des Spitzensteuersatzes von 42% auf 50%, der Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer und der Anpassung der Körperschafts- und Vermögenssteuer rechnen wir mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von jährlich 64 Mrd. Euro. Steuerflucht und -hinterziehung werden dabei intensiver bekämpft werden. Was die Neuverschuldung angeht, so wird diese geringer ausfallen als unter der aktuellen Regierung, denn wir würden die 3%-Hürde der EU einhalten.

Mir ist durchaus klar, dass wir durchaus unterschiedliche Ansätze vertreten. Sie sind der Ansicht, dass Unternehmern alle steuerlichen, arbeitsrechtlichen Vorteile gewährt werden müssen, damit sie die Möglichkeit haben, größtmögliche Gewinne einzufahren. Sie unterstellen, dass dadurch automatisch Arbeitsplätze entstehen. Dies erzählen uns die Vertreter der CDU/CSU, der FDP, aber auch der SPD und der Grünen und natürlich die Unternehmer. Diese Annahme hat sich in den letzten Jahren – gemessen an den Fakten - als völlig irrig erwiesen. Mittlerweile haben wir längere Arbeitszeiten, Niedriglöhne, Massenentlassungen, Senkungen des Arbeitslosengeldes und Einführung des ALG II und des 1-€-Jobs. Es gibt heute 690 Berufsgruppen, in denen die Beschäftigten zwischen 2 € 47 Cents und 6 € die Stunde verdienen. Steuerreformen haben dafür gesorgt, dass besonders die großen Unternehmen und Banken von Steuerzahlungen weitgehend verschont werden. Auf Einnahmen aus der Vermögenssteuer, der Körperschaftssteuer, der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Kapitalgesellschaften etc. wurde in beträchtlichem Maße verzichtet. Milliarden Euro hat man diesen Unternehmern und Aktionären auf diese Weise geschenkt.

Trotzdem hat sich die Arbeitslosigkeit nicht gesenkt, sondern sie war im Frühjahr dieses Jahres auf über fünf Millionen angewachsen. Es ist doch so: Kein Unternehmen, das Riesengewinne macht muss zwangsläufig neue Arbeitsplätze schaffen. Wir erleben ja das genaue Gegenteil: Ein Unternehmen wie die Deutsche Bank macht Riesengewinnen und entlässt gleichzeitig mehrere Tausend Menschen.

Das Resultat einer derartigen Politik ist, dass sich eine kleine Zahl von Personen ungeheuer bereichert. Dieses Land kennt 100 Personen, die zusammen 235 Milliarden € ihr Eigen nennen; während gleichzeitig breite Bevölkerungsschichten immer mehr verarmen.

Zu Ihrem letzten Punkt. Wir wollen die vorhandene Arbeit anders und gerechter zu verteilen. Die Modernisierung des Arbeitsprozesses bringt uns in die Lage, die Arbeitszeiten zu verkürzen und damit mehr Menschen einzustellen.

Zu ihrer Bemerkung, dass Sie hoffen, dass unser Wahlprogramm „nicht nur
für die Opposition“ geschrieben wurde, will ich nur kurz anmerken:
1. Opposition sein ist nichts Negatives. Umgekehrt Herr Walther:
Opposition sein, hat Verfassungsrang und ist ein hohes Gut in der
Verfasstheit unseres Staates. Das Recht Opposition zu sein, zeichnet
unseren Rechtsstaat aus.
2. Rein „realpolitisch“ gesehen ist ihnen doch aber auch bekannt, dass für uns momentan eine Regierungsbeteiligung wegen der völlig tiefen politischen Differenzen zu den gegenwärtigen Fraktionen im Bundestag in der nächsten Zeit nicht in Frage kommt. Hinzukommt – wie Sie ja auch wissen - ,dass diese Parteien auch nicht mit uns zusammenarbeiten wollen. Fakt ist ja, dass die rot-grüne Bundesregierung in vielen wesentlichen politischen Fragen der letzten drei Jahre eine Form der großen Koalition gebildet haben, sei es bei den „Hartz“-Gesetzen, der Gesundheitsreform, den Auslandseinsätzen etc.

Ich hoffe, zur Klärung Ihrer Frage beigetragen zu haben. Wer sich traut, mittels der Politik in diesem Land über die Verhältnisse bestimmen zu können, und dies nicht den Unternehmen zu überlassen, sollte uns wählen.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau

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