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Petra Pau
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Frage von Horst M. •

Frage an Petra Pau von Horst M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pau,

ich hätte diese Fragen auch unter Soziales stellen können, habe mich aber für dieses Thema entschieden.

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.10 zu HartzIV hat das BVerfG etliche Kritik an die Regelsätze für Erwachsene und noch mehr für Kinder und Jugendliche geäußert.

In allen Fällen kam unterschwellig heraus, daß auch das BVerfG die Sätze für zu niedrig und "aus der blauen Luft gegriffen" hält..

Die neuen, ab 1.1.11 geltenden Sätze sind ein Hohn für diese Urteil, denn das BVerfG hatte explizit gefordert, daß die neuen Sätze transparent zu ermitteln seien. Da aber die Daten und die Ermittlungsmethoden nicht offen gelegt werden, ist keine Transparenz gegeben.

Das BVerfG hat auch klargestellt, daß der Staat das sozio-kulturelle Existenzminimum eines jeden Bürgers gewährleisten muß.

Wie verträgt sich dies mit Sanktionen/Strafen der Argen?
Wenn der Regelsatz ohnehin bestenfalls gerade ausreicht, müßte doch jede Sanktion verboten werden?
Verstoßen diese Sanktionen von 10%, 30% und mehr nicht gegen Artikel 1 des GG, auf den das BVerfG expliziet hinweist?
Verstößt das Prinzip des "forderns -und damit des bestrafens" nicht gegen Menschenrechte?
Können wirklich Beamte andere Menschen sanktionieren und bestrafen - oder liegt dies nicht in der Hand von Richtern?
Man wird zu Jobs durch Beamte verurteilt, verstößt dies nicht gegen Art. 12 GG - und wird damit sogar wieder Zwangsarbeit auf kaltem Wege eingeführt?

Gruß aus Neukölln
Horst Murken

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Horst Murken,

die Neuregelungen zu „Hartz IV“, die CDU/CSU und FDP vorige Woche durch den Bundestag gepresst haben, sind in der Tat eine Verhöhnung aller Betroffenen. Die Berechnungen, auf die sich die Regierungsparteien berufen, sind nicht transparent und obendrein falsch. Sie können davon ausgehen, dass dieses neue Gesetz erneut beim Bundesverfassungsgericht landen wird.

Wie Sie ahnen oder wissen, hat die Fraktion DIE LINKE dagegen gestimmt. Unsere Positionen dazu können Sie unter http://www.linksfraktion.de/reden/sie-beschliessen-wieder-verfassungswidriges-gesetz/ nachlesen und hören.

DIE LINKE, damals noch PDS, hat von Anfang an gegen „Hartz IV“ gestimmt. Einige Gründe für unsere Ablehnung haben Sie in Ihrer Frage selbst angeführt. „Hartz IV“ wurde übrigens am 19. 12. 2003 beschlossen. In der damaligen Debatte hatten die CSU und die SPD ebenso arrogant agiert, wie nunmehr, also im Bundestags-Plenum am 03. 12. 2010, die CDU und die FDP.

Bei alledem empfehle ich Ihnen noch einen weiteren Blick. Anfang der 1990er Jahre gab es einen so genannten Zukunftsbericht der Freistaaten Bayern und Sachsen, unterzeichnet von den Ministerpräsidenten Stoiber und Biedenkopf.

Die alarmierende Kernbotschaft hieß sinngemäß: Wenn Deutschland im weltweiten Wettbewerb zukunftsfähig bleiben will, dann müsse ein Drittel der Bevölkerung verarmt werden. Was damals als asoziale Vision „verkauft“ wurde, ist heute Realität, dank CDU, CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.

Was ich Ihnen damit nahelegen will, ist: Weder „Hartz IV“, noch die gesamte neoliberale Politik sind ein dummer Ausrutscher. Auch die aktuellen Attacken gegen angeblich faule und dumme Migrantinnen und Migranten sind es nicht.

Seit Jahren wird beides politisch aufs Spiel gesetzt: der Sozialstaat und der Rechtsstaat. Ich vermute: mit Vorsatz. Insofern sind auch Ihre Verweise auf verschiedene Artikel des Grundgesetzes durchaus zutreffend.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau

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