Frage an Petra Pau von Klaus T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Pau,
ich frage Sie, weil Sie Vizepräsidentin des Bundestages sind und Ihre Meinung immer sehr konkret und sachlich ist (wenngleich Sie sich in Talk-Shows ziemlich rar machen, was ich angesichts der "Kader"-Auswahl bei vielen Talks verstehen kann).
Aber zur Frage: Warum bekommt der Ostberliner Busfahrer (pars pro toto für zig Berufe) seit dem Beitritt weniger Lohn als sein Westberliner Kollege, obwohl beide die gleiche Linie fahren, wenn andererseits der Ostberliner oder Leipziger Bundestagsabgeordnete die gleichen Diäten und Aufwandsentschädigungen bezieht, wie der Bundestagsabgeordnete aus Westberlin oder Hamburg?
Oder anders: Warum werden die im Alltag des Arbeitslebens Ost- und Westdeutscher üblichen Unterschiede in der Bezahlung nicht auch iim Bundestag gemacht?
Vielen Dank,
Klaus Taubert
Sehr geehrter Herr Taubert,
Ihre Frage würde ich gern umdrehen: Wann gilt für bundesweite Tarife endlich, was im Bundestag Usus ist, nämlich dass dieselbe Arbeit derselbe Lohn gezahlt wird, und zwar in Ost und West?
Immerhin begehen wir demnächst den 20. Jahrestag der deutschen Einheit. Noch immer müssen Beschäftigte (Ost) für weniger Lohn länger arbeiten, als ihre Kollegen (West). Das kreide ich übrigens nicht nur der Politik an, sondern genauso auch den Gewerkschaften, die solche Tarifverträge zulassen.
Übrigens auch bei gesetzlichen Mindestlöhnen. Jüngst wurden sie für Pflegeberufe festgesetzt. Pfleger(innen)-Ost erhalten demnach rund einen Euro je Arbeitsstunde weniger, als Pfleger(innen)-West. Sarkastisch kommentiert: Ossis gelten offenbar als pflegeleichter als Wessis.
Diese Ungerechtigkeiten haben übrigens Folgen bis weit in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts. Ihrem Rentenbescheid können Beschäftigte in den neuen Bundesländern auch dann noch entnehmen, was sie waren: Bürger 2. Klasse.
Direkt im Bundestag gilt diese Trennung nicht, aus einem einfachen Grund. Als Arbeitsort für alle gilt der Sitz des Bundestagspräsidenten. Sein Büro ist im Reichstagsgebäude und das steht auf dem (einstigen) Westterritorium.
Nun noch eine korrigierende Bemerkung zum Land Berlin. Bereits Mitte der 1990er Jahre verfügte der damalige Senat eine Angleichung der Ost-Löhne an West-Niveau, jedenfalls für die Beschäftigten, für die die Landesregierung zuständig ist. Soviel Weitsicht hatte damals übrigens ein CDU-geführter Senat. Mit der Folge, dass Berlin zur Strafe prompt aus der bundesweiten Tarifgemeinschaft der Länder ausgeschlossen wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau