Frage an Petra Pau von Arne B. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrte Frau Pau,
Ich habe ihre Antwort zu den Kosten des Bundestages für jeden Bürger gelesen (10€ im Jahr pro Bürger). Was mich jetzt persönlich interessieren würde ist, wie viel uns der Bundestag und alle Landesparlamente zusammen kosten.
Eigentlich genauer: Was kostet uns unsere Demokratie?
(Im Idealfall wieder pro Bürger aufgeschlüsselt und in Relation zu anderen Dingen wie Steuerhinterziehung oder Instanthaltung der Straßen (Bund und Länder))
Das kann ich dann nämlich nächstes Mal nutzen, wenn mir jemand sagt „die Politiker verschleudern ja nur unser Geld“. Bisher ist meine Datenbasis in den Diskussionen leider noch etwas zu knapp.
Liebe Grüße,
Arne Babenhauserheide
PS: Ich habe ihre Antwort über den Twitter-Feed von Abgeordnetenwatch gefunden: https://twitter.com/a_watch/status/20776492702
Sehr geehrter Herr Babenhauserheide,
sehen Sie es mir bitte nach: Ich muss passen. Mit derart umfassenden und zugleich konkreten Zahlen kann ich nicht dienen. Ich kann sie auch nicht selbst ermitteln. Das wäre zu aufwendig. Vielleicht gibt es dazu einschlägige Diplomarbeiten. Möglicherweise wäre dies auch ein „Fall“ für den „wissenschaftlichen Dienst“ des Deutschen Bundestages. Darüber werde ich nachdenken.
Das eigentlich Komplizierte beginnt mit der Frage: Was sind „Kosten der Demokratie“? Der Etat des Bundestags, gewiss, ebenso die Ressorts der Landesparlamente, die sehr unterschiedlich sind. Wussten Sie übrigens, dass das Berliner Abgeordnetenhaus nur als Halbtags-Parlament ausgestattet ist?
Auch das noch zum Thema „Abgeordneten-Kosten“: Das EU- Parlament ist im Vergleich zu (fast) allen EU-Länder-Parlamenten noch das preiswerteste. Trotzdem ist sein Ruf schlecht. Ob zu recht, will ich hier nicht bewerten.
Zurück zur eigentlichen Frage: Was kostet „unsere“ Demokratie?
Die Aufwendungen für das Bundesverfassungsgericht wären sicher ebenso einzubeziehen. Wenn Ja, dann müssten allerdings auch die Budgets aller anderen Gerichte als „Demokratie-Kosten“ zu Buche schlagen.
Auch Wahlen kosten Geld. Millionen! Selbst Volksentscheide sind nicht zum Null-Tarif zu haben. Ich will sie dennoch endlich auch auf Bundesebene! Wie viel Mehrkosten dann allerdings für das mehr an Demokratie entstehen, ist wiederum unbestimmt.
Datenschutz ist ein kostbares Grundrecht, ohne das es keine Demokratie geben kann. Dasselbe trifft auf seinen Zwillingsbruder zu, dem Auskunftsrecht aller Bürgerinnen und Bürger auf Akteneinsicht bei Behörden.
Innenpolitische Hardliner werden hinzufügen: Ohne die Ämter für Verfassungsschutz sei die Demokratie gefährdet. Das sehe ich zwar anders. Aber natürlich brauchen oder verschlingen auch die Geheimdienste viele Euros.
Ich finde viel mehr: Demokratie lebt vor allem von zivilgesellschaftlichem Engagement. Dabei wird manches steuerlich „entlastet“, anderes wird durch staatliche Extra-Programme „gefördert“.
Aber auch hierbei dürften sich die politischen Geister von Fall zu Fall heftig streiten und trennen. Ich bin zum Beispiel sehr dafür, dass mehr Geld für den Kampf gegen Rechtsextremismus und für Demokratie investiert wird. Andere fördern lieber eine von mir abgelehnte „Stiftung“ gegen Vertreibung.
Ich könnte die Skala der „demokratischen (Un)-Möglichkeiten“ weitertreiben. Mitglieder Freiwilliger Feuerwehren, die von der Arbeit zum Einsatz gerufen werden, erleiden oftmals Lohneinbußen und damit letztlich Rentenkürzungen.
Das alles ist unvollständig und unsystematisch. Ich habe es aus dem Steh-Greif aufgeschrieben. Aber es könnte verdeutlichen: Mit den „Kosten der Demokratie“ ist es so einfach nicht.
Gleichwohl: Demokratie ist nicht zum Null-Tarif zu haben, auch nicht finanziell. Zugleich wette ich: Alle Demokratie-Kosten addiert werden unterhalb der Milliarden des aktuellen Rüstungs- und Bundeswehr-Etats liegen.
Doch Vorsicht: Flugs wird mir die SPD - die Union ohnehin - entgegnen: Das Grundgesetz (also die Demokratie) wird auch am Hindukusch verteidigt.
Ich hoffe Sie verstehen nun, warum ich Ihre Frage nicht einfach mit zwei, drei Zahlen beantworten kann. Und vielleicht erhellt dies noch mehr, weshalb ich die Ursprungsfrage, die Sie bei „Abgeordnetenwatch“ angeregt haben, nämlich die nach „Zander in Weißwein“ im Bundestag, nicht für entscheidend halte.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau
Allgäu, 11. 08. 2010