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Petra Pau
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Frage von Hans R. •

Frage an Petra Pau von Hans R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pau
mir fällt auf, das im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Hartz IV eine vermehrte unerträgliche Hetze gegen Hartz IV-Empfänger losgetreten worden ist. Sei es im Fernsehen, den Printmedien (wobei die Springer-Presse besonders übel hervorsticht)und Wirtschaftsverbänden. Politiker setzen da auch gerne noch einen drauf (insbesondere Roland Koch).
Meine Frage an Sie: Gibt es eine zentrale Planungseinheit der Medien, Wirtschaftverbände und Politik für „Meinungsmache“?

Ich gehe mal davon aus, das Sie Artikel 1 unserer Grundrechte kennen. Falls nicht: In Artikel 1 Absatz 1 steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Wie passt das mit der widerwärtigen demagogischen Hetze zusammen, die Medien, Wirtschaftsverbände und Politiker betreiben, zusammen? Ist es für Sie in Ordnung, wenn Grundrechte (z.Bsp. auch Artikel 3) missachtet werden? Wenn nein, wann werden Sie diese untragbaren Zustände beenden? Wo kann man seine Grundrechte gegebenenfalls einklagen?

Mit freundlichen Grüßen
Hans Richter

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Sehr geehrter Herr Richter,

Ihre Beobachtung teile ich.

Im ARD-Presse-Club wurde vorgestern diskutiert, ob das „Lohn-Abstands-Gebot“ nicht unterlaufen wird, wenn nichtarbeitende „Hartz IV“-Empfänger genau so viel Bezüge summieren können, wie arbeitende Bürgerinnen und Bürger. In der ARD-Talkshow bei „Anne Will“ durfte neidvoll darüber disputiert werden, warum Beamte angeblich wie Könige entlohnt werden.

Zeitgleich wurde „Deutschlands frechster Arbeitsloser“, nunmehr ein Arno D., ins „BILD“ gesetzt. So wie 2004 „Florida-Rolf“, ein Sozialhilfeempfänger, der damals als nationaler Skandal inszeniert wurde. Er habe Steuer-Euro unter kalifonischer Sonne verjubelt, hieß es. Die „Florida-Rolf“-Story war das Propaganda-Vorspiel für „Hartz IV“.

„Hartz IV“ ist ein abgelaufener Begriff, erklärte nun punktgenau Arbeitsministerin von der Leyen (CDU). Denn die damalige Arbeitsmarkt-„Reform“ war Bestandteil der „Agenda 2010“ und das Jahr 2010 sei nun mal keine Zukunft mehr. Befragt, wie der Ersatz-Name heißen könnte, sagte sie: Der müsse sinnvoll von Unten wachsen.

Keine öffentlich-rechtliche Talk-Show der letzten Wochen fragte noch nach den Ursachen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Und keine öffentlich-rechtliche Premium-Sendung stellte die (politischen) Verursacher der weltweiten Systemkrise an den Pranger. Die Arnos und Rolfs sind Schuld und die Ackermänner frohlocken.

Das alles nährt den Verdacht, dass massive Sozial-Kürzungen medial vorbereitet werden sollen. Wozu es übrigens keiner „zentralen Planungseinheit“ für „Meinungsmache“ bedarf. Auch „Hartz IV“ und der Wegfall der Vermögenssteuer, beides übrigens Gemeinschaftswerke der SPD und der Grünen, wurden seinerzeit vom Gros der Medien eifrig unterstützt. Die Talkshow von Sabine Christiansen war dafür ein Parade-Beispiel.

Gleichwohl muss ich Sie doppelt enttäuschen.

Mein Einfluss reicht natürlich nicht, um „diese untragbaren Zustände“, wie Sie schreiben, zu beenden. Außerdem fällt das von Ihnen Beklagte unter Meinungs- und Medienfreiheit. Sie können dagegen also nicht (erfolgreich) klagen. Medien reagieren ohnehin nur auf zwei Regungen: auf massive Kritik ihrer Leser oder Zuschauer und auf sinkende Einschaltquoten bzw. Verkaufszahlen.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau
02. 02. 2010

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