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Frage von Peter D. •

Frage an Petra Pau von Peter D. bezüglich Soziale Sicherung

Guten Tag Frau Pau,

bereits vor Einführung und nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II, gültig ab 01.01.2005) versuchen Sie und Ihre Partei, diese Art der Leistungen wieder abzuschaffen.

Dass durch diese Leistungen viele ehemalige Sozialhilfeempfänger erhebliche Vorteile bekommen haben, blenden Sie vollkommen aus.

Ich selbst habe vom 01.01.2005 bis zum 10.10.2007 Leistungen gemäß SGB II bezogen. Während des gesamten Zeitraums war es mir möglich einen Pkw zu untehalten und verhungert bin ich ebenfalls nicht (auch ohne Suppenküche).

Aufgrund meiner damaligen Situation (Bezug einer BG-Rente, die auf die Leistungen angerechnet wurde) habe ich allerdings auf Vermittlungsbemühungen verzichten müssen, da ich ja sonstiges Einkommen hatte und somit nicht als arbeitslos galt.

Jetzt meine Fragen an Sie:

1. Sehen Sie nicht auch Vorteile in den Leistungen nach SGB II im Bezug auf die Motivation, sich wieder um Arbeit zu bemühen?

2. Hat nicht jeder Bürger die Verpflichtung, den Staat (die Steuerahler) soweit wie möglich zu entlasten?

3. Erklären Sie mir doch mal bitte, wie Sie glaubwürdig Ihre Position vertreten können, ohne jemals von den Leistungen abhängig gewesen zu sein und zu wissen, ob und wie man mit diesen Leistungen sein Leben gestalten kann?

Freundliche Grüße

Peter Dresbach

PS: Bitte versuchen Sie doch bei Ihrer Antwort den in der Öffentlichkeit üblichen Namen dieser Leistungen zu vermeiden. Ich bin der Meinung, dass eine gesetzliche Leistung es nicht verdient hat, den Namen eines vorbestraften zu tragen!

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dresbach,

meine Antwort beginne ich ausnahmsweise mal von hinten, also bei ihrem PS. Das Kürzel „Hartz IV“ ist inzwischen ein bundesweites Synonym. Die SPD-Spitze, die die so genannten Reform-Module ausarbeiten ließ, war 2002 ausgesprochen stolz darauf, dass der ehemalige VW-Personalrat Peter Hartz dafür seinen „guten“ Namen hergab. Das war übrigens sein Hauptbeitrag. Die konzeptionellen Überlegungen für die „Hartz-Gesetze“ lieferte - meines Wissens nach - eine hochdotierte Berater-Agentur für
Unternehmer.

Nun zu ihrer eigentlichen Frage: Ich habe „Hartz IV“ immer abgelehnt, weil das Gesetz einer Philosophie folgt, die ich nicht teile. Sie unterstellt, dass Arbeitslosigkeit ein individuelles Phänomen sei, das durch erhöhtes Engagement der Betroffenen zu überwinden sei. Die Massenarbeitslosigkeit ist demnach kein gesellschaftliches Problem, sondern ein massenhaft privates. Damit entziehen sich der Staat und die Politik ihrer Verantwortung. Das ist eigentlich eine typische FDP-Haltung. Aber die SPD hat diese Sicht forsch übernommen.

Ausdruck findet diese Denkweise in der schönen Floskel „Fordern und Fördern“, wobei man mit dem Fordern flugs bei der Hand war. Das Fördern beschränkt sich häufig auf brotlose Lehrgänge, die mit dem wahren Leben wenig zu tun haben. Vor allem konnte seit dem Inkrafttreten von „Hartz IV“ ein grundlegender Widerspruch nie aufgeklärt werden. Selbst in Wachstumszeiten lag die Zahl der Arbeitslosen stets mehrfach höher, als die Zahl der freien Stellen. Die Massenarbeitslosigkeit kann so also nicht verhindert werden.

Umso verwerflicher sind die Repressionen, die mit „Hartz IV“ verbunden wurden. Erinnern Sie sich an ihren Antrag für das Arbeitslosengeld II? Wer ihn ausfüllt, muss 150 bis 180 persönliche Daten über sich und sein Umfeld preisgeben. Das ist wider den Datenschutz. Oder anders gesagt: Wer arm dran ist, verliert auch noch seine verbrieften Bürgerrechte. Wer das, wie die SPD, als soziales und demokratisches Konzept verteidigt, hat seine sozialdemokratischen Grundsätze längst aufgegeben. Meine Kritik-Liste ist umfangreicher.

Statistisch und empirisch ist nachgewiesen, dass durch „Hartz IV“ die bestehende Armut in Deutschland noch einmal massiv zunahm. Besonders markant ist dies bei der Kinderarmut. Gibt es ein schlimmeres Zeugnis über eine so genannte Arbeitsmarktreform? Und das Unrecht wird forciert. Jüngst gab es eine Erhöhung des Kindergeldes. Gut so. Aber nicht für Kinder von Hartz-IV-Eltern, sie bekamen keinen Cent mehr. Finden Sie das gerecht?

Ihre Frage 2 enthält übrigens eine Gleichsetzung, die ich ebenfalls für falsch halte. Sie schreiben „Staat“ und übersetzen den mit Steuerzahler. Fragen Sie mal die Steuerzahler, ob sie – wie aktuell der Staat – Milliarden Euro für verzockte Banken ausgeben wollen? Das Grundgesetz definiert die Bundesrepublik Deutschland als „Sozialstaat“. Dazu gehört das Solidarprinzip. Nicht die Arbeitslosen haben es aufgeweicht, sondern
die Politik. „Hartz IV“ war dabei ein Baustein, die „Gesundheitsreform“ und die „Rentenreform“ waren weitere.

Ihre dritte Frage beantworte ich mit einer Gegenfrage: Glauben Sie wirklich, ich dürfte nur dann gegen Kriege sein, wenn ich schon selbst im Krieg gekämpft habe? Mein Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf galt noch vor zehn Jahren als „jüngster“ Berliner Bezirk. Inzwischen zählt er zu den „ärmsten“ Berliner Bezirken. Dort, wo ich wohne, ist die zunehmende Armut auf Schritt und Tritt spürbar. Und es gibt keine Sprechstunde, in denen ich nicht mit Schicksalen konfrontiert werde, die einen „Hartz-IV-Stempel“ tragen.

Das alles spricht nicht dagegen, staatliche Leistungen für Sozialhilfeempfänger und staatliche Leistungen für Arbeitslose zusammenzuführen und den Verwaltungsaufwand damit zu vereinfachen. Das habe ich auch nie abgelehnt. Aber das war bestenfalls eine Nebenwirkung der „Hartz“-Gesetze. Mein Befund aber ist anders. Jedes gelobte Medikament würde den Praxis-Test verfehlen, wenn die Nebenwirkungen zwar gut, die Hauptwirkung aber fatal wäre.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau

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