Frage an Petra Hinz von Erwin O. bezüglich Jugend
Was ist die so oft verlangte soziale Gerechtigkeit?
Warum muss die Stadt Essen Millionen für den Osten aufbringen, obwohl sie fast pleite ist?
Warum wird Kindergeld mit der Giesskanne verteilt, an viele die es nicht benötigen und viele die es zweckentfremdet einsetzten, anstatt es zweckgebunden für Kindergärten, Schulen und Ausbildung in unsere Zukunft zu investieren?
Sehr geehrter Herr Ott,
ich danke Ihnen für die an mich gerichteten Fragen. Meiner Partei, der SPD, ging es in ihrer Geschichte, wie auch heute noch immer darum, neben den rechtlichen auch die materiellen Voraussetzungen der Freiheit, neben der Gleichheit des Rechts auch die Gleichheit der Teilhabe und der Lebenschancen, also soziale Gerechtigkeit, zu erkämpfen. Wir stehen für die Schwächeren unserer Gesellschaft und als erstes für die gleichen Bildungschancen aller Bürger ein. Für diese Gleichheiten, diese soziale Gerechtigkeit, stehe ich und die Sozialdemokratie!
In meiner Zeit im Rat der Stadt Essen habe ich mich als stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Frage des Aufbau Ost bereits dafür stark gemacht den Solidaritätszuschlag zu überdenken und vielmehr bundesweit Projekt bezogen, sowie Maßnahmen bezogen zu fördern und sich nicht unreflektiert an Himmelsrichtungen zu orientieren. Im Laufe der zurückliegenden Jahre hat sich die Verteilung der Finanzen durch den „Soli“ als nicht mehr zeitgemäß und mit der Lebenswirklichkeit mittlerweile unvereinbar erwiesen. Dies erkannte Ende des vergangenen Jahres ebenfalls das niedersächsische Finanzgericht und legte dem Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag zur Überprüfung mit der Verfassung vor. Der „Soli“ ist nicht zielführend in seinem Anliegen in unserem föderalen Staatssystem Finanzen zum gemeinsamen Vorteil untereinander gewinnbringend einzusetzen, vielmehr muss unabhängig von Regionen gefördert werden!
Entscheidend sind in diesen Fragen auch und vor allem aber die Bedürfnisse der Kommunen zu berücksichtigen, die in Zeiten angespannter Haushaltslagen verlässliche Einnahmequelle benötigen, wie etwa durch die Gewerbesteuer annähernd gewährleistet, die als enorm wichtige Finanzsäule der Gemeinden fungiert. Mit diesem Bewusstsein war es die SPD, die in der vergangenen Legislaturperiode den Erhalt der Gewerbesteuer gegen Widerstände durchsetzte und sicherte. Das in den ersten Wochen der Regierungszeit der schwarz-gelben Koalition hastig beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz belastet finanziell dementgegen durch derartige Vorhaben die Gemeinden auf eklatante Art und Weise. So steuert die neue Regierung auf das finanzielle Desaster in vielen Kommunen zu, die neben den nach Himmelsrichtungen ausgelotete und für viele ausbleibende Förderung noch weitere, zusätzliche Einschnitte zu befürchten haben. Diese neue politische Ausrichtung der noch jungen Regierung widerspricht dem Grundverständnis der Sozialdemokratie!
Zu Ihrer Frage des Kindergeldes möchte ich anfügen, dass zum „Gießkannen“-Prinzip die deutsche Gerichtsbarkeit nicht differenziert zwischen bedürftigen und nicht bedürftigen Empfängern, sondern als Ausfluss des Gleichheitsgrundsatzes jedem Kind das Kindergeld zuspricht, ob nun von wohlhabenden Eltern geboren oder nicht. An dieser Rechtsprechung hat sich der Gesetzgeber in seinem weiteren legislativen Handeln zu orientieren.
Die neue liberal-konservative Koalition hat in Mitten ihrer Startschwierigkeiten den Kinderfreibetrag auf 7008 € angehoben. Damit kann es künftig bis zu rund 275 € pro Kind und Monat geben. Hiervon profitieren jedoch nur Familien mit hohen Einkommen. Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen bekommen stattdessen 184 Euro Kindergeld. Trotz Anhebung des Kindergeldes müssen sich Verdiener kleiner und mittlerer Einkommen folglich mit deutlich weniger zufrieden geben. Die Kluft zwischen Freibeträgen und Kindergeld wird somit noch größer. Kinder wohlhabender Eltern sind der neuen Regierung rund 90 €/Monat mehr wert als Kinder aus finanziell schwächeren Familien - das ist unsozial. Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, wollen wir die Kinderfreibeträge in einen gerechten Kindergrundfreibetrag umwandeln. Dieser Kindergrundfreibetrag zusammen mit dem Kindergeld würde alle Kinder in gleicher Höhe fördern, unabhängig davon, wie viel die Eltern verdienen.
Im Grundsatz wäre das - trotz Finanzkrise und exorbitanten Belastungen der kommenden Jahre - nun zu verteilende Geld besser im Ausbau und in der besseren Qualität der Kinderbetreuung, sowie in der gebührenfreien Bildung ab der Kita angelegt. Mit den hier ohne Not auf Kredit finanzierten Mitteln hätte der dringend benötigte Ausbau an Kindertagesstätten oder die Renovierung von Schulen finanziert werden können. Dies wären intelligente Lösungen und, wie sie richtig sagen, Investitionen in unsere Zukunft! So wäre die Anhebung des Kindergeldes, wie auch das von der Regierung beschlossene Betreuungsgeld in Höhe von 150 €, das lediglich Kinder aus der Gesellschaft ausgrenzt und zuhause belässt, zielgerichteter und effektiver für die Kinder einsetzbar. Die SPD hat mit dem in der letzten Legislaturperiode beschlossenen Kinderzuschlag und Schulstarterpaket bewiesen und für die jetzige Regierung vorgegeben, wie sozial verantwortliche Politik zu gestalten ist, was der Koalition aus CDU/CSU und FDP offenkundig nicht gelingt.
Ich hoffe, dass ich Ihnen eine Antwort auf Ihre Fragen geben konnte und stehe Ihnen für Rückfragen bzw. weitere Anfragen auch unter 030 - 227 79 000 jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Hinz, MdB