Frage an Petra Hinz von Thorsten G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hinz,
ich wende mich an Sie bezüglich der geplanten Sperrungen von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten.
Wie ist die Haltung Ihrer Partei zu der von Frau von der Leyen geplanten Initiative?
Welche Möglichkeit gibt es zu überprüfen, ob nur illegale Seiten auf Sperrlisten sind? Weder die Judikative, noch die Medien dürfen die Liste überprüfen.
Welche Konsequenzen hat es in Deutschland, wenn das höchste deutsche Gesetz, das Grundgesetz, gebrochen wird und Seiten gesperrt werden, die nicht illegal sind? Sind BKA-Beamte die gegen das Grundgesetz verstoßen für den Staat tragbar? Müssen Beamte, Politiker und andere Personen, die eine Sperrung von legalen Inhalten veranlassen, Strafen befürchten?
Sehr geehrter Herr Gabb,
ich danke Ihnen für die Anfrage und das damit verbundene Interesse an sozialdemokratischer Politik. Ihre Frage bezog sich auf die Sperrungen von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten, somit auf den von der großen Koalition und mir als Abgeordnete beschlossenen Gesetzentwurf zur „Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzwerken (ZugErschwG)“.
Wie Sie wissen, regieren wir, die SPD, in dieser Legislaturperiode in einer großen Koalition. Für uns als Volkspartei bedeutet dies, dass wir nicht all unsere Haltungen voll umsetzen können und auch auf die Vorstellungen unseres Koalitionspartners eingehen müssen. Wir als SPD haben bei unserer Mitwirkung zum Gesetzentwurf die von Frau von der Leyen (CDU) eingebrachte Initiative kritisch geprüft und im Gesetzgebungsverfahren maßgeblich dahingehend auf unseren Koalitionspartner eingewirkt, dass praktische und rechtliche Fragen im Gesetzentwurf verbessert wurden und der Schutz der Grundrechte gewährleistet ist.
Der hier entscheidende, die SPD leitende Gedanke ist die konsequente Bekämpfung von Kinderpornografie. In den vergangenen Jahren haben wir bereits das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt. Verstärkter Anstrengungen bedarf es dabei auch im Internet, das keinen rechtsfreien Raum darstellt. Die Bekämpfung im Internet muss vor allem effizient geführt werden, dabei aber auch rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Mit Blick auf die Effizienz haben wir die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips „Löschen vor Sperren“ im Gesetzestext erwirkt. „Löschen vor Sperren“ bedeutet, dass Internetseiten nur in die Sperrliste aufgenommen werden, „soweit zulässige Maßnahmen, die auf die Löschung abzielen, nicht oder nicht in angemessener Zeit erfolgen“, so der Gesetzestext. Wir haben damit besiegelt, dass nicht nur das BKA zunächst verpflichtet ist die Dienstanbieter zu kontaktieren, um die Löschung von Seiten zu erreichen, bevor diese im zweiten Schritt durch die Aufnahme in die Sperrliste gesperrt würden, vielmehr sind wir der Kritik der Ineffektivität, der dem Gesetz anhaftete, entgegengetreten und haben die Anregungen aus der Netz-Community aufgenommen. Sollten die vorrangig entscheidenden Löschungen also nicht durchführbar sein, wird erst daran anknüpfend gesperrt und somit erschwert.
Um eindeutig klar zu stellen, dass das Gesetz bezweckt Internet-Seiten mit kinderpornographischem Inhalten zu blockieren und nicht eine Zensur legaler Web-Inhalte und somit eine Verletzung von Grundrechten beabsichtigt, insistierten wir die Thematik in einem Spezialgesetz zu normieren um diese Zweckrichtung klar hervorzuheben. Für uns gilt, das Internet als Raum der Kommunikation, der Diskussion und des Wissens zu erhalten und zu schützen. Wir kämpfen auf internationaler Ebene gegen die Zensur des Internets und wollen sie auch nicht in Deutschland. Der Zweck des Gesetzes dient daher ausschließlich der Bekämpfung von Kinderpornografie, genauer gesagt, der Erschwerung des Zugangs zu ihr.
Dass das Gesetz dem entgegen kein vollkommener Schutz vor dem Zugang zu Kinderpornografie bietet, ist mir bewusst. Wege und Mittel die Sperrungen zu umgehen, lassen sich sicher finden. Wie der Name des Gesetzes schon erschließen lässt, bietet es aber ein Erschwernis und ist daher als Teilmaßnahme gegen die Nutzung kinderpornographischer Inhalte im Internet zu verstehen. Für mich gilt im Kampf gegen Kinderpornografie die klare Linie ihn mit allen rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu führen. Somit ist dieses „Erschwernis“, auch wenn es noch nicht das alleinige erfolgversprechende Mittel sein mag, ein Schritt in die richtige Richtung.
Daher ist aber ebenso meine ehrliche Meinung zu diesem Gesetz, dass Politik sich auch irren kann. Hingegen ist sie nicht davon befreit, sich um dringende Probleme zu sorgen und Lösungen zu erarbeiten. Bei einem derart schauerlichen Thema, wie dem Missbrauch von Kindern, ist es unerlässlich seitens des Gesetzgebers in jeglicher Hinsicht zügig und mit Nachdruck aktiv zu sein. Die Kritik anderer Parteien, dass die Bekämpfung nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolge, aber mit solchen möglich sei, diskutiert ein Thema, dass für die SPD und mich außer Frage steht. Gesetzgeberisches Handeln muss immer auf Grundlage des Grundgesetzes geschehen. Die hier aber mit entscheidende Aussage muss sein, dass die Bekämpfung im Bereich Kinderpornografie vor allem nötig ist! Dieser Verantwortung stellen wir uns, für unsere Kinder. Da wir das Gesetz in der Praxis evaluieren werden, ist – wieder durch das Einwirken der SPD im Gesetzgebungsverfahren – die Regelung durch eine Revisionsklausel auf drei Jahre befristet worden, um daran anschließend zu entscheiden und mögliche Fehler und Irrtümer zu revidieren. Die Diskussion über andere und weitere Lösungen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz ist also nicht durch dieses Gesetz beendet, sie fängt an.
Die von Ihnen hinterfragte Überprüfung der Internetseiten, die sich auf den Sperrlisten befinden wird aufgrund unseres Drängens in der Gesetzgebung durch ein Expertengremium nun gewährleistet. Es führt regelmäßige Kontrollen der vom BKA geführten Listen durch. Dieses Gremium ist in seiner Mehrheit durch Personen mit Befähigung zum Richteramt besetzt und untersteht dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Somit ist eine qualifizierte, regelmäßige und unabhängige Kontrolle der „Sperrlisten“ gesichert.
Ihre Bedenken bezüglich des Themas und seiner Verfassungskonformität sind nur gut verständlich und mir als Abgeordnete des Bundestages ein höchstpersönliches Anliegen. Abschließend denke ich, dass die von Ihnen angesprochenen Probleme, wie ein etwaiger Missbrauch durch die Exekutive, im geänderten Gesetz durch die Kontrolle des Kontrollgremiums und auch weitere kritische Fragen gelöst wurden. Das dieses Gesetz zum Schutz der Kinder und Kampf gegen ihre Misshandlung nötig ist, sollte unbestritten sein.
Ich hoffe, dass ich Ihnen eine Antwort auf ihre Fragen geben konnte und stehe für Rückfragen bzw. weitere Anfragen unter 030 – 227 79 000 jederzeit gerne zur Verfügung.
In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Petra Hinz, MdB