Frage an Peter Weiß von Erwin T. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Weiß,
ich bin Mitglied im Verein der Direktversicherungsgeschädigten, habe eine Petition bei Change/org laufen mit über 1500 Zustimmungen und über 35 Seiten Kommentaren von betroffenen Bürgern, die in den 70-er und 80-er Jahren dem Aufruf der Bundesregierung Kohl / Genscher / Blüm gefolgt sind und etwas für ihre private Altersvorsorge getan haben. Wir haben jedem Monat von unserem Gehalt einen Betrag an eine Kapital-Lebensversicherung eingezahlt. Als dann die Auszahlung anstand, wurden wir von der Kranken- und Pflegeversicherung zur Kasse gebeten. Ich habe die Petition und die Kommentarliste an alle 630 Bundestagsabgeordneten geschickt mit dem Versprechen, keine CDU / CSU, SPD und Grüne mehr zu wählen, weil diese Parteien an dem 2003 / 2004 beschlossenen GMG "schuld" sind. Angeblich sollte das Gesetz nach schließen der Finanzlücke bei den Gesetzlichen Krankenkassen nochmal auf den Tisch - dazu ist es aber nie gekommen. Obwohl die GKV zeitweise mehr als 20 Mrd. als Rücklage auf dem Konto hatte. Ich zahle gern in die Krankenversicherung für Rentner, ich zahle auch für meine betriebliche Altersversorgung ( die vom Arbeitgeber bezahlte ) aber ich will nicht für eine privat angesparte Lebensversicherung zahlen, weil es eben keine betriebliche Altersversorgung ist! Ich hoffe, dass dieses Unrecht im Zuge der Rentenreform der Großen Koalition beseitigt wird, ansosnten bleibt für mich und über 6 Millionen Betroffene mit über 8 Millionen Verträgen nur die LINKE, die F.D.P und die AfD wählbar, wobei letztere aus meiner Sicht ein schlechter Behelf wäre. Aber die F.D.P. und die Linke stehen auf der Seite der Direktversicherungsgeschädigten. Soviel ich weiss, stammt von Ihnen der Spruch: "Für die heutigen Rentner können wir nichts mehr tun" oder so ähnlich. Deshalb ganz gezielt an Sie die Frage: Wie halten Sie es mit der Verbeitragung der Direktversicherungen vor 2002 zur Kranken- und Pflegeversicherung?
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Tischler, 49124 Georgsmarienhütte, Am Naturpark 28
Sehr geehrter Herr Tischler,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 18. Juli 2016.
Ich möchte vorausschicken, dass die politische Debatte um die Zukunft der BAV zuweilen sehr stark fokussiert wird auf die seit 2004 für alle Alterseinkünfte - auch für solche aus Direktversicherungen - gleichermaßen geltende volle Beitragspflicht zur Krankenversicherung. Das ist aus Ihrer Sicht verständlich, in die politische Debatte müssen wir aber auch übergeordnete Aspekte einfließen lassen. Neben der materiellen Sicherheit im Alter stellt z. B. auch eine umfassende Gesundheitsversorgung über alle Generationen hinweg ein zentrales Anliegen dar. Diese ist, gerade auch im Vergleich zu anderen Ländern wie z. B. Großbritannien mit seinem Leistungsausgrenzungen, vorbildlich und steht für uns absolut nicht zur Debatte. Die Beitragseinnahmen sind in dieses Gesundheitssystem geflossen - und nicht im Bundeshaushalt versickert und erst recht nicht in irgendwelchen Politikertaschen gelandet. Eine Rückkehr zum alten Recht für eine Einkunftsart würde also zwangsläufig eine Umfinanzierung zu Lasten der rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten bedeuten und wäre schon deshalb für mich keine gute Lösung. Zudem würde sie den Ruf nach "Gleichbehandlung" anderer Einkunftsarten laut werden lassen, für die seit jeher die volle Beitragspflicht gilt.
Sie wissen sicher auch, dass die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes auf Betriebsrenten und Versorgungsbezüge sowohl für Pflichtversicherte als auch für freiwillig versicherte Rentner in den Verhandlungen zum GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2003 gerade auch damit begründet worden ist, dass die eigenen Beitragszahlungen der Rentner nur noch gut 40 Prozent ihrer Leistungsausgaben in der Krankenversicherung abdeckten. Im Jahr 1973 seien die Leistungsaufwendungen der Krankenkassen für Rentner in den alten Ländern noch zu rund 72 Prozent durch die für sie gezahlten Beiträge gedeckt worden. Um die Belastung der erwerbstätigen Beitragszahler nicht noch stärker ansteigen zu lassen und die Lohnnebenkosten zu senken, im Interesse der Generationengerechtigkeit also, sei es erforderlich gewesen, die Rentner wieder verstärkt an der Finanzierung ihrer Leistungsausgaben zu beteiligen.
Hinzuweisen ist auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die betreffenden Regelungen des § 229 SGB V nicht gegen den Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Auf diesen stützen Sie ja auch Ihre Kritik. Somit können Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen Versorgungsbezügen nach § 229 SGB V gleichgestellt und damit der Beitragspflicht unterworfen werden. Dieses sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, so das Bundesverfassungsgericht, weil der Gesetzgeber berechtigt ist, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Der Vertrauensschutz der betroffenen Versicherten werde dabei nicht unzumutbar beeinträchtigt.
Dass ich mich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt habe und die derzeitige Situation ungeachtet der dargestellten Argumente nicht für befriedigend halte, mögen Sie daran ersehen, dass ich mit drei weiteren Abgeordneten einen konkreten Vorschlag für eine konkrete Rechtsänderung unterbreitet habe. Danach könnte der Arbeitgeber verpflichtet werden, die im Zuge der Entgeltumwandlung ohne eigenes Zutun eingesparten Beiträge in die BAV des Beschäftigten fließen zu lassen. Viele Arbeitgeber behalten diese ein, statt sie in die Absicherung ihrer Beschäftigten fließen zu lassen. Beim vollen GKV-Beitrag auf die Auszahlung würde es zwar bleiben, ein halber Beitrag würde aber vorab kompensiert. Auch vor der Rechtsänderung 2004 war ja ein halber Beitrag auf Auszahlungen aus Direktversicherungen zu zahlen - das wird oft übersehen.
Wir wissen, dass bezüglich des Vorschlages noch Details zu klären sein werden, und ich habe auch - darauf bezieht sich vermutlich Ihre Anmerkung - darauf hingewiesen, dass dieser Vorschlag nicht alle Fragen in diesem Zusammenhang beantwortet. Das Problem wird aber zumindest zu 60 oder vielleicht 70 Prozent gelöst (u.a. für diejenigen, die ihre Ansparungen aktuell zu Niedrigzinsbedingungen vornehmen müssen), die Umsetzung wäre insofern ein Fortschritt. Nicht erfasst wären, weil der Vorschlag sich auf einen Arbeitgeber stützt, der aus Vorteilen der Entgeltumwandlung kompensierende Einzahlungen vornimmt, insbesondere Personen im Rentenalter sowie auch Fälle, in denen die Einzahlungen nicht aus entgeltumgewandeltem Einkommen erfolg(t)en. Daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass ich - jenseits des Weges einer Umverteilung der Belastung etwa auf die Krankenversicherten - gegen geeignete Vorschläge wäre, gerade auch zugunsten des letztgenannten Personenkreises, wäre verfehlt.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Weiß MdB