Frage an Peter Weiß von Peter H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Weiß,
meine Frage vom 16.7.2015 zu Ihrer Haltung bez. Griechenland-Hilfe wurde bisher leider noch nicht beantwortet. Dies hat sich mittlerweile auch erübrigt, als das Abstimmungsverhalten der Bundestagsabgeordneten kurz danach veröffentlicht wurde.
Nachdem nun die internationalen Geldgeber offensichtlich mit der griechischen Regierung eine Einigung über ein 3. Hilfspaket erzielt haben, gibt es für die Abgeordneten in der nächsten Woche ja noch einmal die Möglichkeit, Position zu beziehen.
Die bisherige Haltung der Bundesregierung war doch, weitere Hilfen nur dann zu gewähren, wenn auch der IWF als Geldgeber dabei ist. Nach dessen Aussteigen (und vermutlich auch dem von Finnland) ist die Voraussetzung für ein weiteres Hilfspaket nicht mehr gegeben. Stattdessen will die EU-Kommission 40 Mrd EUR auf einmal überweisen. Politisch mag dies u.U. noch nachvollziehbar sein, ökonomisch ist es in Anbetracht der damit verbundenen Risiken inakzeptabel und in keinem Fall mehr zu verantworten. Die Bereitschaft, das dem Euro inhärente Problem nicht-vergleichbarer Volkswirtschaften durch immer weitere Zahlungen lösen zu wollen, sinkt in der Bevölkerung rapide. Die Abgeordneten des deutschen Bundestages sollten sich daher bewußt machen, wessen Interessen sie in erster Linie zu vertreten verpflichtet sind.
Ich bitte Sie deshalb um eine möglichst begründete Stellungnahme, wie Sie sich bei der nächsten Abstimmung zu verhalten gedenken.
Mit freundlichen Grüßen,
P. Heck
PS: Bei Ihrem Fraktionsvorsitzenden H. Kauder sollte ich mich vielleicht gesondert bedanken, weil er mir für meinen Politikunterricht ein hervorragendes Beispiel zur Veranschaulichung der Aussage des Art. 38 (1) Satz 2 GG an die Hand gegeben hat.
Sehr geehrter Herr Heck,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 12. August 2015 zum Finanzhilfeprogramm für Griechenland. Mit Interesse habe ich Ihre Kritik gelesen und zur Kenntnis genommen. Dass Ihre Frage vom 16. Juli bisher unbeantwortet blieb, bedaure ich sehr. Ich bitte Sie jedoch um Verständnis dafür, dass ich nicht allen Bürgerinnen und Bürgern aufgrund der Vielzahl der Anfragen immer sofort antworten kann. Gerne hole ich das aber nach.
Gestern hat der Deutsche Bundestag erneut über Finanzhilfen für Griechenland entschieden. Es ging dabei um die Ausfüllung des Programms, das die Staats- und Regierungschefs am 12. Juli 2015 vorgegeben haben.
Griechenland hat bereits vor Aufnahme der Verhandlungen im Juli zuvor zurückgestellte Reformen umgesetzt. Dazu zählen eine systematischere Erhebung und Erhöhung der Mehrwertsteuer, Maßnahmen für ein nachhaltigeres Rentensystem, die Unabhängigkeit der Statistikbehörde, die vollständige Umsetzung des Europäischen Fiskalvertrags, eine effizientere Zivilprozessordnung zur Verkürzung überlanger Verfahren und die vollständige Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken.
Die Umsetzung der vereinbarten Reformagenda im Memorandum of Understanding (MoU) soll die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederherstellen, die Finanzstabilität sichern, für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen sorgen und einen moderneren Staat mit einer modernen öffentlichen Verwaltung schaffen. Die Grundlagenvereinbarung zum dritten Programm sieht dabei vor, dass Griechenland noch vor Auszahlung der ersten Mittel zahlreiche erste Maßnahmen vorab umsetzt. Diese hat das griechische Parlament in seiner Sitzung vom 13./14. August 2015 verabschiedet. Zur Erwirtschaftung von nachhaltigen Primärüberschüssen sind zahlreiche Einnahmesteigerungen und Ausgabesenkungen vorgesehen, um die Schuldenquote kontinuierlich zu senken.
Nicht alle vorgesehenen Maßnahmen sind schon jetzt unumkehrbar umgesetzt. Weitere Schritte stehen aus. Daher ist es wichtig, dass weiterhin regelmäßige Programmüberprüfungen vorgesehen sind und die Hilfskredite nur in Tranchen und abhängig von diesen Überprüfungen ausgezahlt werden sollen. Das Finanzvolumen des dritten Programms beträgt insgesamt bis zu 86 Mrd. Euro und beinhaltet einen Puffer für die Bankenrekapitalisierung von bis zu 25 Mrd. Euro. Die Beteiligung des IWF an den Krediten wird das auf den ESM entfallende Volumen entsprechend verringern. Die erste Tranche soll ein Volumen von 26 Mrd. Euro haben. Darin enthalten sind zunächst 10 Mrd. Euro zur Bankenrekapitalisierung, die auf ein Sonderkonto eingezahlt werden, sowie 16 Mrd. Euro, die zur Rückzahlung der Brückenfinanzierung dienen sowie für dringendste Verpflichtungen vorgesehen sind. Eine zweite Tranche für Zwecke der Bankenrekapitalisierung und –abwicklung soll nach einem von der europäischen Bankenaufsicht durchgeführten Stresstest und einer Überprüfung der Qualität der Vermögenswerte im November ausgezahlt werden und bis zu 15 Mrd. Euro umfassen. Die Auszahlungen der weiteren Tranchen hängen von der erfolgreichen Umsetzung von Reformen ab.
Für die Bundesregierung ist es unabdingbar, dass der IWF mit seiner besonderen Expertise bei Staatsschuldenkrisen weiter an Bord bleibt. Die Eurogruppe teilt diese Auffassung und hat dies in ihrer Erklärung ausdrücklich niedergelegt. Der IWF seinerseits wird über eine weitere Beteiligung nach einer Überprüfung des Programms im Herbst 2015 entscheiden. Er hat seine grundsätzliche Bereitschaft zu einer weiteren Beteiligung erklärt und Maßnahmen spezifiziert, die jetzt auf den Weg gebracht werden.
Die griechische Regierung hat einen weiten Weg zurückgelegt. Ausgehend von einer Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit den Institutionen hat sie zwischenzeitlich sehr konstruktiv an den Gesprächen mit den Institutionen teilgenommen und sich zum Grundprinzip der Konditionalität bekannt – also zur Verknüpfung von Hilfen mit der Umsetzung entsprechender Reformmaßnahmen, die auf eine Überwindung der Hilfebedürftigkeit abzielen. Der Erfolg eines dritten Programms hängt zuvorderst davon ab, ob sich die Verantwortlichen in Griechenland die vereinbarten Reformen nachhaltig zu Eigen machen und verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Zahlreiche Reformen hat die griechische Regierung bereits verabschiedet. Dass der Ansatz von Hilfen und Reformen grundsätzlich auch in Griechenland funktionieren kann, hat die Entwicklung des Jahres 2014 gezeigt, als sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage in Griechenland deutlich aufgehellt hatte.
Auf der Basis der geänderten Haltung der griechischen Regierung hat der Deutsche Bundestag im Juli entschieden, Verhandlungen über ein drittes Programm aufzunehmen. Die Verhandlungen sind innerhalb des im Juli gesteckten Rahmens abgeschlossen worden. Insofern ist es folgerichtig, jetzt den nächsten Schritt zu gehen und die Zustimmung zum Beginn eines dritten Programms zu geben. In der konkreten Situation des Jahres 2015 dient dies der Stabilisierung der Währungsunion und der Einigung Europas. Der Erfolg der europäischen Einigung ist und bleibt Kerninteresse Deutschlands. Auch Deutschland ist in einer globalisierten Welt auf ein starkes und funktionierendes Europa angewiesen.
Im Anhang möchte ich Ihnen nun noch die Rede unseres Bundesfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble aus der Bundestagsdebatte vom 19. August zu Ihrer Kenntnis zusenden, in der präzise alle Argumente dargestellt werden, die auch mich zu einem JA veranlasst haben.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Weiß MdB