Frage an Peter Weiß von Thomas S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Weiß,
meine Frage bezieht sich auf die „Rente mit 67“. Sie wird ja immer mit dem demografischen Wandel begründet, also damit dass es immer weniger Beitragszahler gibt, die immer weniger lang Rentenbeiträge zahlen, und gleichzeitig Rentner, die immer länger Rente beziehen.
Da klingt es ja eigentlich überzeugend, wenn das Renteneintrittsalter erhöht wird.
Auf der Homepage der Linkspartei habe ich jetzt ein Statement von Herrn Dr. Gysi gegen die „Rente mit 67“ gefunden, welches eigentlich (wie so vieles bei Gysi) auch recht überzeugend klingt. Da Sie ja meines Wissens nach ein Befürworter der „Rente mit 67“ sind, könnten Sie es sich ja evtl. mal anhören
( http://www.linksfraktion.de/audio/?a=&m=1&j=2007; „Rente ab 67: Es gibt keine ökonomischen Gründe“)
und vor allem auf folgende Argumente eingehen (teilweise zitiere ich Gysi):
- Die Produktivität in Deutschland wächst schneller als die Wirtschaft. 2006 z. B. ist die Produktivität um 1,9 % gewachsen und die Wirtschaft um 1,4 %. D. h., dass in 2006 mehr Waren und Dienstleistungen hergestellt bzw. erbracht als erworben wurden. Gysi schlägt hier z. B. höhere Löhne zur Stärkung der Kaufkraft oder Arbeitszeitverkürzungen um die Differenz (0,5%) vor, sagt jedoch auch, dass seiner Meinung nach die "Rente mit 67" vor diesem Hintergrund ökonomisch abartig ist.
- Auch sonst hört man häufiger das Argument, dass mit dem demographischen Wandel eine Produktivitätssteigerung einhergegangen wäre, mit der man den demographischen Wandel mühelos auffangen könnte.
- Mit der Riester-Rente würden Beitragssteigerungen allein den Arbeitnehmern aufgebürdet, während Unternehmen „fein raus“ sind (kein Arbeitgeberanteil).
- Es gäbe einen anderen Weg zur nachhaltigen Finanzierung der Rentenkosten: Einbeziehung a l l e r Einkommen in die gesetzliche Rentenversicherung, Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen, Abflachung des Rentenanstiegs.
Eine ausführliche und fundierte Antwort würde mich freuen!
MfG
Th. Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Anfrage und den Hinweis auf die Äußerungen von Herrn Gysi vom 30.01.2007 "Rente ab 67: Es gibt keine ökonomischen Gründe".
Ich kann Herrn Gysi in seinen Ansichten und in seiner Argumentation leider in keinster Weise zustimmen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales setzt sich bereits seit Jahren mit den Ökonomischen Möglichkeiten zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards für Rentnerinnen und Rentner auseinander. In diesem Jahr wurde neben dem jährlichen Rentenversicherungsbericht dazu von der Bundesregierung auch der Bericht zur Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre vorgelegt. Beide Berichte können Sie auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einsehen.
Fest steht danach, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass wir zwar länger leben, dass aber die Bevölkerung auch deutlich weniger werden wird. Aufgrund dieser parallel verlaufenden Entwicklungen wird sich die Zahl der Menschen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren bis 2030 um über 6 Mio. verringern und die Zahl der Menschen im Alter von 65 Jahren und mehr im gleichen Zeitraum um rund 5,5 Mio. erhöhen. Das bedeutet, dass künftig eine sinkende Zahl von Personen im erwerbsfähigen Alter für eine steigende Zahl von Menschen im Rentenalter aufkommen muss. Die Zahl der Erwerbstätigen wird nicht nur abnehmen, sie wird auch im Durchschnitt älter sein, es droht ein Arbeitskräftemangel, der je nach Branche, Qualifikation und Region unterschiedlich ausfallen wird. Die Rentenbezugsdauer hat sich in den vergangenen 50 Jahren nahezu verdoppelt, von 9,9 Jahren in 1960 auf 18,2 Jahre in 2009. Auch diese Entwicklung wird sich angesichts einer höheren Lebenserwartung fortsetzten.
Die Folge dieser Entwicklung muss für heutige und künftige Generationen fair verteilt werden. Höhere oder mehr Beiträge oder eine Abflachung des Rentenanstiegs belasten einzelne Gruppen einseitig. Die Argumentation zur höheren Produktivität lässt außer Acht, dass die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt massiv abnimmt.
Der Sozialbeirat, ein Gremium aus insgesamt 12 Mitgliedern, die sich aus je vier Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, drei Wissenschaftlern und einem Vertreter der Deutschen Bundesbank zusammensetzen, hat in seiner Bewertung zum Rentenversicherungsbericht auch die Rente mit 67 angesprochen. Auch darin wird deutlich, dass die Rente mit 67 letztlich ohne Alternative ist. Von Kritikern wird immer noch vorgetragen, die Rente mit 67 sei letztendlich ein Instrument zur Rentenkürzung. Der Sozialbeirat stellt jetzt fest, dass die Gruppen, die durch die Anhebung der Altersgrenzen rentenrechtliche Einbußen hinnehmen müssen, deutlich kleiner sind, als gemeinhin angenommen wird. Zu ihnen rechnen insbesondere all die Personen nicht, die bis zum Alter von 67 entweder Arbeitslosengeld oder erstmalig bis zum vollendeten 60. Lebensjahr Erwerbsminderungsrenten beziehen oder latent versichert sind. Negativ betroffen sind insbesondere diejenigen, für die sich der Bezug von Arbeitslosengeld II verlängert, wenn dieses niedriger ist als die Rente.
Als positive Zusatzeffekte der Anhebung der Regelaltersgrenze zählt der Sozialbeirat u.a. auf:
- Soweit Versicherte länger arbeiten, erzielen sie auch einen entsprechend höheren Rentenanspruch.
- Je mehr Versicherte länger arbeiten, desto mehr führt der Nachhaltigkeits-faktor zu höheren Anpassungen.
Ich hoffe, dass ich Sie mit diesen Ausführungen davon überzeugen konnte, dass wir mit der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters auf dem richtigen Weg sind.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Weiß MdB