Frage an Peter-Stefan Siller von Christian B. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Kandidat,
im Hinblick auf das ökologische Profil ihrer Partei, wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit für die kommende Legislaturperiode?
In Bezug auf die Feinstaubdiskussion, wie wollen Sie die Lebensqualität verbessern? Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Feinstaubbelastungen zu verringern?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Brabandt
Sehr geehrter Herr Brabandt,
gerne beantworte ich Ihre Frage zur Umweltpolitik:
In der Energiepolitik stehen wir weltweit vor gewaltigen Herausforderungen: 2 Milliarden Menschen haben immer noch keinen Zugang zur Energieversorgung, die Ressourcen werden knapper, der Klimawandel schreitet mit weltweiten Katastrophen voran und die Nachfrage nach Energie wächst dramatisch. Ein "Weiter so" in der Energiepolitik kann es deshalb nicht geben.
Wir setzen auf eine zukunftsfähige Energieversorgung weg von Atom und Öl. Mit der Energiewende haben wir die notwendige Modernisierung der Energiepolitik in Richtung Nachhaltigkeit begonnen. Die Politik der 3 E – Einsparung, Effizienz und Erneuerbare Energien, zielt darauf, den Investitionsstau in der veralteten Versorgungsstruktur aufzulösen und bis zum Jahr 2020 zu einem neuen, umweltfreundlichen und damit zukunftssicheren Energiemix zu kommen: Wir wollen dann mindestens 25 Prozent der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien umstellen. Bis dahin wird auch das letzte AKW abgeschaltet sein. Die verbliebene Strommenge werden wir durch Einsparungen und auf Basis besonders effizienter und klimafreundlicher Kraftwerke sicherstellen.
Die Abschaltung von AKW und Klimaschutz sind kein Gegensatz. Das eine setzt das andere sogar voraus: eine Verlängerung der Laufzeiten von AKW, wie von Union und FDP gefordert, ist nicht nur ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, sondern auch eine Innovationsbremse. Über Jahre hinweg würden die abgeschriebenen AKW verhindern, dass der z.T. museumsreife deutsche Kraftwerkspark durch Erneuerbare Energien und hochmoderne, effiziente Anlagen wie KWK und GUD modernisiert wird.
Wir entscheiden in den nächsten 20–30 Jahren, ob etwa 20 Milliarden € für Investitionen in Erneuerbare Energien und moderne Kraftwerke ausgegeben werden oder in die Kassen der Stromkonzerne fließen. Mit einem Investitionsstau würde man der Volkswirtschaft jedenfalls einen Bärendienst erweisen und enorme Beschäftigungseffekte verhindern: während die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der Atomenergie (38.000 Beschäftigte in 2004) und der Kohle (50.000 Beschäftigte in 2005) für Jahre maximal beim Status quo bliebe, können allein im Bereich der Erneuerbaren Energien nach Berechnungen des BMU bis zum Jahre 2020 etwa 400.000 Arbeitsplätze entstehen.
Wir Grünen wollen auch weg vom Öl, weil die Ressourcen nur noch wenige Jahrzehnte verfügbar sind, die Preise weiter steigen und umwelt-, wirtschafts- und friedenspolitisch eine Notwendigkeit dafür besteht. Daher wollen wir die Energie- und Ressourcenverbräuche deutlich verringern und mit dem Ersatz des Erdöls durch nachwachsende Rohstoffe und anderer Erneuerbare Energien verknüpfen. Je effizienter wir die Ressourcen nutzen, desto größer wird der Anteil nachwachsender Rohstoffe und Erneuerbarer Energien am verbleibenden Energie- und Materialbedarf. Das schützt unsere Wirtschaft gegenüber Ölkrisen und schafft Wertschöpfung im eigenen Land: Wir wollen die etwa 30 Milliarden Euro, die Deutschland jährlich für Erdölimporte ausgibt, zunehmend in nachwachsende Rohstoffe investieren. Dadurch können mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze geschaffen werden.
Unser Ziel bis 2020 heißt "4 x 25" Erneuerbare Energien: 25 Prozent der stofflichen Güter, 25 Prozent der Stromversorgung, 25 Prozent der Wärmenutzung sowie 25 Prozent der Kraftstoffe.
Die Zukunft der Energieversorgung ist nachhaltig, dezentral, vernetzt und innovativ. Sie setzt auf fairen Wettbewerb, Integration und die Teilhabe von vielen, auch neuen Akteuren: Landwirte, Bürgerwindparks, Solarstrom-Einspeiser, KWK-Betreiber, Finanzinvestoren oder innovative Energiedienstleister. Dieser Ansatz, bei dem viele Menschen und nicht nur wenige Stromkonzerne an der Energieversorgung teilhaben und von ihr profitieren können, ist arbeitsplatzintensiver, verbrauchernäher und umweltfreundlicher. Der Boom bei den Erneuerbaren Energien wird beispielsweise vor allem von etlichen kleinen und mittelständischen Unternehmen und normalen BürgerInnen getragen. Dadurch arbeiten in dieser Branche bereits heute mehr Menschen (ca. 130.000), als in der Atom- und Kohleindustrie zusammen.
Die Energiepreise sollen auch in Zukunft für Verbraucher und Industrie bezahlbar bleiben. Deswegen setzen wir uns für mehr Wettbewerb und Transparenz im Energiemarkt ein und gewähren Großverbrauchern bei Härten Rabatte bei energiepolitischen Instrumenten. Unsere Energiepolitik hat viele kleine statt wenige große Akteure, setzt auf Wettbewerb statt auf Monopole, ist erneuerbar statt atomar, will einsparen statt verschwenden, ist verbraucherorientiert und nicht nur an wenigen Stromkonzernen orientiert, ist auf die Zukunft ausgerichtet, statt an kurzfristigen, rückwärtsgewandten Lobby-Interessen.
Was folgt daraus für die nächste Legislatur?
Wir halten am Atomausstieg fest und wollen in der nächsten Wahlperiode dafür sorgen, dass die AKW in Biblis A (2008), Neckarwestheim 1 (2009), Biblis B (2009) und Brunsbüttel (2009) abgeschaltet werden. Wir wollen, dass bis zum Jahre 2020 alle Atomkraftwerke vom Netz sind. Für die verbliebenen AKW verlangen wir von den AKW-Betreibern bessere Sicherheitskonzepte gegen Terror-Angriffe umzusetzen. Wir wollen die Suche nach einem sicheren, nationalen Endlager für Atommüll auf Basis der im AK Endlager erarbeiteten Kriterien fortsetzen und zum Abschluss bringen. Die Vorfestlegung von Union und FDP auf den Standort Gorleben halten wir für unverantwortlich.
Wir wollen Weg vom Öl: Daher beabsichtigen wir, die Energie- und Ressourcenverbräuche deutlich zu verringern und mit dem Ersatz des Erdöls durch nachwachsende Rohstoffe und anderer Erneuerbare Energien zu verknüpfen. Um diese Ziele zu erreichen, wollen wir in der nächsten Wahlperiode im Bereich der Erneuerbaren Energien bewährte Instrumente fortentwickeln, aber auch neue Impulse setzen:
Im Strombereich halten wir an dem weltweit erfolgreichen Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) fest. Wir werden das Gesetz erneut überprüfen und verbessern. Eine Abschaffung des EEG, wie von Union und FDP gefordert, zugunsten eines sog. "Bonus-/Quotenmodells" wird es mit uns nicht geben. Ein solches Modell hat aber bisher in keinem Land erfolgreich funktioniert, ist bürokratischer und z.T. sogar teuerer. In Dänemark hat allein die Ankündigung dieses Modells zu einem Zusammenbruch der Branche geführt. Wir werden die weltweite Spitzenstellung der deutschen EE-Branche, um die uns viele Länder beneiden, keinesfalls leichtfertig auf`s Spiel setzen.
Mit einem Regenerativen Wärmegesetz wollen wir den Durchbruch für die Erneuerbaren Energien auch im Wärmebereich schaffen. Dann soll importiertes Öl und Gas durch heimische, umweltfreundliche Energien mit Solarkollektoren, Holzpelletanlagen oder Erdwärme ersetzt werden. Das Marktanreizprogramm hat Fortschritte für Erneuerbare im Wärmemarkt gesorgt, kann aber keine ähnliche Dynamik wie im Strombereich auslösen. Das gleiche gilt für den Verkehrsbereich: die positive Entwicklung, die wir bei den Biokraftstoffen u.a. durch eine Steuerbefreiung angestoßen haben, müssen wir verstärkt fortsetzen. Das Potenzial von Biotreibstoffen soll durch neue Verfahren, eine Ganzpflanzennutzung sowie die Beimischung von Biokraftstoffen zu herkömmlichen Kraftstoffen ausgeweitet werden.
Im Bereich der Energieeffizienz und des Energiesparens wollen wir mit neuen Instrumenten der unverantwortbaren Energieverschwendung entgegentreten: Das schützt die Umwelt und senkt gleichzeitig die Energiekosten für Wirtschaft und Privatkunden. Eine Verringerung des Energieverbrauchs um etwa 30 Prozent ist technisch und wirtschaftlich möglich. Deshalb werden wir mit einem Klimaschutzfonds Einsparprojekte an Schulen, Krankenhäusern und öffentlichen Gebäuden anstoßen, die sich refinanzieren. Parallel dazu wollen wir (nach dem sog. "Top-Runner-Ansatz") moderne Energiestandards für Elektrogeräte einführen, damit die technisch besten und sparsamsten Elektrogeräte im Markt stärker zum Zuge kommen. Insgesamt wollen wir einen Perspektivenwechsel in der Energiewirtschaft einleiten. Die Zeiten, in denen Energieunternehmen ihre Gewinne an einen möglichst hohen Energieverbrauch ihrer Kunden gekoppelt haben, müssen beendet werden. Im 21. Jahrhundert müssen sie zu Energiedienstleistern werden, die mit intelligenten Konzepten zur Stromeinsparung ihr Geld verdienen. Statt möglichst viel Strom und Energie zu verkaufen, sollen sie Wärme und Licht effizient dahin liefern, wo es nachgefragt wird. .
Mit der Einführung des Emissionshandels geben wir wichtige Anreize für effizientere Kraftwerkstechnologien. Damit der Emissionshandel sein ganzes Potenzial für effizienten Klimaschutz besser entfalten kann, wollen wir die Sonderregelungen verringern, die Verwaltung vereinfachen und die Ziele anspruchsvoller ausgestalten. Technologische Vorreiter und ehrgeizige Investitionen zur Senkung von Treibhausgasen müssen belohnt werden. Darüber hinaus wollen wir die bisherigen Regelungen zur Marktdurchdringung von Zukunftstechnologien wie der Kraft-Wärme-Kopplung, Gas- und Dampfkraftwerke oder der Brennstoffzelle deutlich verbessern. Dafür muss unter anderem das KWK-Gesetz auf Basis des Monitoring-Berichtes novelliert werden. Die Subventionierung der Steinkohle wollen wir bis 2012 sozialverträglich beenden.
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm wollen wir deutlich verstärken und um öffentliche Gebäude ergänzen. Energieausweise für Wohngebäude schaffen darüber hinaus Transparenz über die tatsächlichen Wohnkosten. Daher setzen wir uns für die schnellstmögliche Einführung von bedarfsbasierten Energieausweisen ein. Ebenso wollen wir das Wohneigentumsrecht reformieren, um die Blockaden für wichtige energetische Modernisierungsinvestitionen aufzulösen.
Energieforschung muss eine zentrale Rolle bei der Umgestaltung der Energieversorgung zukommen. Wir wollen dabei nicht wie seit Jahrzehnten in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft investieren. Deshalb werden wir die Forschung für Erneuerbaren Energien und Energieeinsparung deutlich verstärken. Zur Finanzierung wollen wir dafür zum Teil die Forschungsförderung in Kohle und Kernfusion heranziehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage zufriedenstellend beantworten.
Mit herzlichen Grüßen,
Peter Siller