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Frage von Sabine G. •

Frage an Peter Simon von Sabine G. bezüglich Verbraucherschutz

Bei den Provisionen für Finanzprodukte haben sich die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament für die Interessen der Banken entschieden
Konkret geht es um die Frage: Sollen Provisionen für den Verkauf von Finanzprodukten verboten bzw. wenigstens an die Kund_innen weitergereicht werden?
Die Fraktionen hatten zunächst einen Kompromiss ausgehandelt, Provisionen an die Kunden weiterzugeben. Zwei Tage später, in der Sitzung des federführenden Ausschusses am 26.September, löste die sozialdemokratische Fraktion den Kompromiss wieder auf – mit einem geschickten Antrag, der lediglich ein “und” durch ein “oder” ersetzte. Mit den Stimmen von Konservativen und Liberalen wurde die Weitergabe der Provision damit von einer Pflicht zu einer möglichen Option heruntergestuft.
Wer diesen Antrag eingebracht hat, konnte man trotz zahlreicher Nachforschungen und Anfragen bis jetzt nicht herausfinden. Die Geschichte bleibt nebulös und keiner will es gewesen sein.
Auch die beiden deutschen sozialdemokratischen Mitglieder im Ausschuss, Udo Bullmann und Peter Simon, beantworteten diese Frage nicht.

Am Freitag wird das ganze Thema im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie “Mifid II” im Plenum verabschiedet.

Meine Fragen konkret:
Wie positioniern Sie sich in der Frage der Provisionen?
Warum und mit welchen Lobbyisten hatten sie in dieser Sache Kontakt ?
Wissen Sie welche sozialdemokratischen Mitglieder den Antrag eingebracht haben?
Wenn Sie es nicht wissen können Sie es bitte für mich herausfinden – und mir melden?

MfG Sabine Goisser, Wahlkreis Schorndorf

(Text zur Verfügung gestellt von H. Kutar auf der Seite www.lobbycontrol.de)

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Goisser,

vielen Dank für Ihr Interesse, gerne beantworte ich Ihnen Ihre Fragen.

Bei der Debatte um die Revision der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) im Europäischen Parlament geht es neben der Regelung des Hochfrequenzhandels und der Spekulation mit Rohstoffen auch um die Fragen eines verbesserten Verbraucherschutzes. Eine zuerst im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und anschließend im Plenum des Europäischen Parlaments diskutierte Möglichkeit war die vollständige Abschaffung von Provisionszahlungen. Ich finde die Idee sympathisch, wenn sie in der Praxis verbraucherfreundlich umgesetzt werden kann. Beispiele in den Ländern, die sich derzeit unabhängig von der Revision der Finanzmarktrichtlinie auf diesen Weg machen und ab 2013 nur noch Honorarberatung zulassen, zeigen jedoch, dass Banken nach dem Systemwechsel auf reine Honorarberatung ihr Beratungsangebot großflächig abbauen. Damit droht die Gefahr, dass dort künftig gerade Kunden mit kleinen und mittleren Einkommen von professionellen Beratungsleistungen ausgeschlossen bleiben. So hat unseren Informationen zu Folge etwa die Lloyds Banking Group im Vereinigten Königreich beschlossen, nur noch Beratung für Kunden mit einem Investitionsvolumen von über 100.000 £ zur Verfügung zu stellen, die Banco Santander ab 25.000 £. Auch Barclays, HSBC sowie Royal Bank of Scotland reduzieren ihre Beratungskapazitäten drastisch (vgl. hierzu auch Financial Times 28/09/2012 und The Independent 30/09/12). Ein kompletter Systemwechsel hin zur reinen Honorarberatung könnte meines Erachtens nur dann mit einem verbesserten Verbraucherschutz einhergehen, wenn gleichzeitig eine kompetente öffentliche und kostenfreie Beratungsinfrastruktur aufgebaut wird, mit deren Hilfe Nachteile für Anleger mit kleinen und mittleren Einkommen vermieden werden. Eine Alternative hierzu könnte sein, das System der Provisionszahlungen sehr viel härter zu reglementieren, sie dabei entweder zu verbieten, auf Vertriebskosten zu reduzieren oder auf absolute Transparenz zu verpflichten und damit in einen für den Kunden durchschaubaren Wettbewerb zu stellen.
Hierfür hat sich der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments Ende September, im Übrigen ohne Gegenstimme oder Enthaltung eines Mitglieds, ausgesprochen. Das Europäische Parlament hat dann in seiner Plenarsitzung am 26. Oktober 2012 in Straßburg mit überwältigender Mehrheit (495 Ja-Stimmen, 15 Nein-Stimmen, 19 Enthaltungen) die Revision der Finanzmarktrichtlinie verabschiedet.
Beide Systeme haben Unzulänglichkeiten, könnten aber mit dem entsprechenden Begleitschutz staatlicher Politik zu direkten Verbesserungen für den Kunden führen. Deshalb habe ich mich persönlich im Wirtschaftsausschuss und vor der Abstimmung im Plenum für zwei Regelungen stark gemacht: Nämlich erstens jede Regelung nach spätestens 42 Monaten durch die EU-Kommission auf ihre Kundenfreundlichkeit und Effektivität überprüfen zu lassen (inkl. der Möglichkeit gesetzgeberischer Neuregelung auf Vorschlag der EU-Kommission); und zweitens europaweit nur noch denjenigen Händlern die Bezeichnung "unabhängig" zu gestatten, die keine Provisionen erhalten, damit Kundentäuschung vermieden wird. Durch dieses Provisionsverbot für unabhängige Berater wird ´unabhängige Beratung´ zu einem starken Gütesiegel, nach dem sich Anleger richten können und auf das Verbraucherzentralen gezielt hinweisen können. Der vom Europaparlament verabschiedete Gesetzestext, der in den kommenden Monaten noch in Verhandlungen mit dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission finalisiert werden wird, erlaubt außerdem die Zahlung von Provisionen nur noch in drei Fällen: Entweder Provisionen werden in Gänze an den Kunden weitergereicht, oder Provisionen dienen allein zur Deckung der bei der Beratung und Anlage entstandenen Kosten und Gebühren, oder Provisionen werden bei Geschäftsabschluss an den verkaufenden Berater oder das verkaufende Institut entrichtet; der Kunde wird aber umfassend über Art und Höhe der Provisionen und wer diese erhält informiert. Damit verschärft die Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie die derzeit geltende Richtlinie, die sich in der Vergangenheit in diesem Punkt als unzureichend erwiesen hat.

Für unsere Fraktion S&D sind die Verhandlungen zur Neuregelung der Finanzmarktrichtlinie, wie dies üblich ist, von unserem Schattenberichterstatter Robert Goebbels geführt worden. Der von Ihnen angesprochene Kompromissantrag wurde nach meiner Kenntnis vom Berichterstatter der Europäischen Volkspartei EVP mit den Schattenberichterstattern von S&D sowie Liberalen verhandelt und technisch durch den S&D Schattenberichterstatter eingebracht. Zwischenzeitliche, am britischen Modell der Honorarberatung orientierte, Übereinkünfte zwischen einzelnen grünen sowie einzelnen britischen Abgeordneten der Konservativen und Labour dürfen nicht zwangsläufig als bereits abschließende Positionsbestimmung des Wirtschaftsausschusses missverstanden werden.

Es gehört aus meiner Sicht zur demokratischen Verpflichtung eines Abgeordneten, mit einem breiten Kreis von Vertretern des öffentlichen Lebens über anstehende Gesetzgebungsverfahren zu sprechen, um sich einen möglichst umfassenden Überblick über mögliche Auswirkungen unterschiedlicher legislativer Maßnahmen zu verschaffen. Als Abgeordneter, der die Gründung einer alternativen Verbraucherorganisation und Lobbyeinrichtung wie Finance Watch unterstützt und aktiv betrieben hat, ist es für mich selbstverständlich, dass sich meine Mandatsausübung an den Interessen der von mir vertretenen Bürgerinnen und Bürgern orientiert und sich eine davon abweichende Beeinflussung durch beteiligte Wirtschaftsinteressen strikt verbietet.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Simon, MdEP