Frage an Peter Meiwald von Erika S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Moin Moin Herr Meiwald,
wir wohnen südlich von Bremen in einer gesunden Natur- und Kulturlandschaft, haben noch landwirtschaftliche Familienbetriebe, die Kühe, Schafe und Ziegen draußen weiden lassen. Wichtige Bio-Betriebe produzieren Obst, Gemüse, Brot etc. Unsere Mittelweser-Region mit Rad- und Wanderwegen (Weser-Radweg) liegt in der geografischen Mitte Niedersachsens http://www.rem-mitte-niedersachsen.de.
Nun werden wir von Hühner- und Schweinebaronen heimgesucht, die hier ihre Mega-Tierställe bauen wollen. Im Westen geht kaum noch etwas - im Osten ist der Markt hart umkämpft - die Gülle und der Hühnertrockenkot verseuchen das Grundwasser - die Subventionen sprudeln - die Arbeitskräfte sind billig - Schlachtvieh wird aus Dänemark und den Niederlanden angekarrt - Deutschland produziert längst über den Eigenbedarf und subventioniert Exporte.
Wie wollen Sie die Landbevölkerung vor diesen Tierfabriken schützen?
Moin, Frau Sievers,
Ihre Sorge um die massiv zunehmende Industrialisierung unserer Landwirtschaft mit den entsprechenden negativen Auswirkungen für die bäuerliche Agrarstruktur, für Umwelt, Landschaftsbild, Grundwasser, Gesundheit, Tierwohl und letztlich auch die Qualität unserer Lebensmittel teile ich voll und ganz.
Als GRÜNER, der seit vielen Jahren auch kommunalpolitisch aktiv ist, stelle ich fest, dass dem Wunsch des überwiegenden Teils der Bevölkerung, aber oftmals sogar der einstimmigen Position eines Gemeinderates ein Planungsrecht gegenüber steht, welches baurechtlich privilegierten Stallbauprojekten im Außenbereich ein uneingeschränktes Genehmigungsrecht gibt, so lange das Projekt als "bäuerlich" und nicht als "gewerblich" einzustufen ist.
Denn trotz der vom Bundestag im April auf den Weg gebrachten Baurechtsänderung fehlen den für eine sinnvolle Flächennutzungsplanung zuständigen demokratisch legitimierten Gemeinderäten weitestgehend die Möglichkeiten, hier steuernd einzugreifen.
Aktuelle Bauanträge für übergroße Milchviehhaltungen auch in meinem Wahlkreis zeigen dieses Defizit deutlich auf. Die eingeführte Möglichkeit, über eine verpflichtende Bauleitplanung für Ställe, für die aufgrund der geplanten Tierzahlen eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig ist, der Gemeinde ein Planungsinstrument in die Hand zu geben, greift nämlich nicht für „landwirtschaftlich privilegierte Intensivtierhaltungsanlagen“. Großställe, deren Betreiber nachweisen kann, dass er 50 % des Futters auf Betriebsflächen erzeugen könnte, gelten seit einer Baurechtsänderung in 2004 (§201 BauGB) trotz ihrer Größe als „bäuerlich“ und sind somit von der Bauleitplanung ausgenommen.
Nötig ist daher eine Weiterentwicklung des Baurechts, so dass Planungsgrundlagen für die übergroßen (z.B. über 600 Kühe), aber landwirtschaftlich privilegierten Intensivtierhaltungsanlagen (§35 Absatz 1 Nr. 1) genauso geregelt werden wie für die gewerblichen Tierhaltungsanlagen (§35 Absatz 1 Nr. 4). Außerdem muss Städten und Gemeinden zur Steuerung von Intensivtierhaltungsanlagen ermöglicht werden, für neu beantragte Tierhaltungsanlagen ein Bauverbot erlassen zu können, wenn bereits eine Tierdichte von zwei Großvieheinheiten pro Hektar auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche erreicht oder überschritten ist. Drittens ist der §201 BauGB wieder (wie bis 2004) so zu definieren, dass nicht nur das Futter überwiegend (also über 50 Prozent) auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, sondern auch tatsächlich zur Verfütterung im Betrieb verwendet werden muss.
Dieses ist aktuell meine Haltung zu den auf Bundesebene zu leistenden Veränderungen des Rechtsrahmens. Weitere Handlungsfelder liegen natürlich auf EU- und Landesebene in den diversen Förderinstrumenten, wo insbesondere unser neuer Landwirtschaftsminister Christian Meyer in Niedersachsen ja schon sehr engagiert ein Umsteuern zugunsten bäuerlicher, tiergerechter und ökologischer Landwirtschaft bearbeitet.
Abschließend noch der Hinweis, dass die weitere Entwicklung unserer ländlichen Räume natürlich nicht nur von der Politik abhängt, sondern auch durch das Verhalten der einkaufenden VerbraucherInnen maßgeblich mit beeinflusst werden kann. Geiz ist beim Lebensmitteleinkauf keinesfalls "geil", sondern leistet der weiteren Industrialisierung der Lebensmittelerzeugung und der damit einhergehenden Massentierhaltung weiteren Vorschub. Politisch sehe ich hier noch ein wesentliches Handlungsfeld in einer vollständigen Auszeichnung der angebotenen Waren, so dass die KundInnen wirklich bewusst auch die Haltungs-/Erzeugungsform ihrer Lebensmittel mit in ihre Konsumentscheidungen einfließen lassen können.
Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen mit dieser Antwort etwas weiter helfen konnte, und stehe natürlich gerne auch für weitere Kontakte und Nachfragen zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Peter Meiwald