Frage an Peter Lutz Engelmann von Sven B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Hallo Herr Engelmann,
es ist wohl keine Unterstellung zu behaupten, dass die FDP und damit auch Sie als Kandidat für Liberalisierung, Deregulierung und Entbürokratisierung auf dem Arbeitsmarkt eintreten. Wäre es aber dann nicht kosequent, die Handwerksordnung in soweit zu liberalisieren, als dass der Meisterzwang in ausgewählten Branchen abgeschafft würde.
Das müsste doch auch in Ihrem Sinne eine Entbürokratisierung darstellen. Oder ist nicht etwa doch der Verdacht zutreffend, dass Begriffe wie Liberalisierung nach FDP-Logik selektiv angewandt werden, also nur dann, wenn es um Belange von Arbeitnehmern geht, vom Kündigungsschutz bis zum Flächentarifvertrag und wieder zurück?
Zweite Anregung: Dass sich die FDP gegen gesetzlich festgelegte Mindestlöhne ausspricht, ist wahrhaft keine neue Erkenntnis. Doch warum liefern Sie den Wählern ein Paradoxum, indem Sie in Fragen der Honorarordnung eine gänzlich andere Position einnehmen, nämlich Anwälten, Wirtschaftsprüfern etc. einen Quasi-Mindestlohn zugestehen? Kann es vielleicht sein, dass da das eine oder andere Klientelinteresse in der Programmfeder gesteckt hat?
Sehr geehrter Herr Bergmann,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.
Sie haben völlig recht: Die FDP und ich treten mit großem Engagement für eine Liberalisierung, Deregulierung und Entbürokratisierung ein. Also ist das keine Unterstellung, sondern Lob.
Auch die jüngste Studie der Weltbank gibt uns dabei Recht: Bei der weltweiten Untersuchung der Volkswirtschaften ist - wieder einmal - festgestellt worden, dass dort die Arbeitslosigkeit am geringsten ist, wo wenig Regulierung und Bürokratisierung vorherrscht.
Sie haben hinsichtlich der Liberalisierung der Handwerksordnung völlig Recht. Genau dies ist aber auch Position der FDP. Bereits im Juni 2004 - also schon lange vor dieser Bundestagswahl - hat das höchste Beschlussgremium der FDP, der Bundesparteitag, beschlossen, die (von rot-grün) begonnene Reform der Handwerksordnung und der damit verbundenen Aufhebung des Meisterzwangs mit dem Ziel der Liberalisierung fortzuführen.
Hier besteht also kein Widerspruch, und wir wenden Liberalisierung ganz gewiss nicht selektiv an.
Das Aushandeln von Arbeitslöhnen ist Sache der Tarifparteien bzw. von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Der Staat hat sich hier - auch verfassungsrechtlich - herauszuhalten. Es mutet daher für mich auch immer etwas seltsam an, wenn gerade von Verbänden, die ansonsten immer auf die zu Recht bestehende Tarifautonomie pochen, trotzdem nach gesetzlichen Mindestlöhnen rufen.
Gesetzliche Mindestlöhne führen nicht zu höheren Löhnen, sondern zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Denn wenn sie zu niedrig festgesetzt werden, bringen sie nichts, werden sie zu hoch angesetzt, werden entsprechende Arbeitsplätze nicht angeboten.
Die von Ihnen angesprochenen Honorarordnungen haben mit Mindestlöhnen gar nichts zu tun. Denn sie gelten für Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Architekten, Ärzte usw., die im Rahmen eines Arbeitsvertrages tätig werden, überhaupt nicht. Sie haben also gerade keinen Einfluss auf die Lohnhöhe in diesen Branchen; auch dort werden die Löhne und Gehälter von den Tarifparteien bzw. Arbeitgebern und Arbeitnehmern festgelegt. In diesen Tagen wird ja auch ausführlich über die Tarifauseinandersetzung z. B. der Klinikärzte berichtet.
Dass auch beim Verhältnis zwischen Freiberufler und "Endkunde" Liberalisierungsbedarf besteht, teile ich im Übrigen. Auch wenn der Grundgedanke, dass sich hier nicht zwei gleichberechtigte "Marktteilnehmer" begegnen und man als Patient nicht wirklich den Preis einer Gehirntumoroperation einschätzen kann, was ja der Grund für die Honorarordnungen ist, nicht von der Hand zu weisen ist, so gibt es m. E. schon Spielräume für eine Zurücknahme der staatlichen Regulierung, insb. in einigen Branchen. Hierfür einzutreten ist sowohl im Interesse der Patienten bzw. "Kunden" wie der Leistungserbringer, hat also nichts mit Klientelpolitik zu tun.
Mit nettem Gruß
Peter L. Engelmann