Frage an Peter Ligner von Klaus G. bezüglich Umwelt
Umgang mit Ressourcen
Sehr geehrter Herr Ligner,
ich schätze ein, dass ihnen die Fragen der Umweltpolitik auch am Herzen liegen und es geht Ihnen wie mir, wenn Sie den Verschleiß von Energie für die Herstellung von gedruckter Werbung in der Hand halten. Ein schlechtes Beispiel bietet das Material von "Mediamarkt".
In gigantischer Übergröße werden die Verkaufsartikel der Branche gezeigt.
Den gleichen Informationswert könnte ich erreichen mit 1/4 des Papieraufwandes.
Auch bei 100 % Altpapier ist der Wasser- und Energieaufwand zu bedenken.
Warum kann man nicht reglementierend eingreifen?
Freundliche Grüße
Klaus Große
Sehr geehrter Herr Große,
leider komme ich erst jetzt dazu, auf Ihre Frage bzgl. unvertretbaren Ressourcenverbrauchs bei gedrucktem Werbematerial zu antworten.
Ganz abgesehen vom Inhalt der Werbung, der Ökobilanz der beworbenen Produkte und der Webestrategie "Geiz ist geil", die auf Billigprodukte im Preis und nicht auf deren ökologisch und sozial vertretbaren Gebrauchswert und Produktentstehungsprozess setzt, ist dies nur die Spitze eines Eisbergs. In Deutschland hat der Papierverbrauch ein Niveau erreicht, das mit einer nachhaltigen Entwicklung und globaler Gerechtigkeit nicht vereinbar ist. Mit rund 230 Kilogramm pro Kopf ist der Verbrauch hierzulande über viermal so hoch wie im Weltdurchschnitt. Weniger als 10 Prozent des Zellstoffs, der benötigt wird, um unseren verschwenderischen Umgang mit Papier aufrecht zu erhalten, werden in inländischen Werken aus hiesigem Holz hergestellt, über 90 Prozent jedoch werden importiert. Unser übermäßiger Verbrauch von Ressourcen aus anderen Erdteilen verschärft die globale Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern. Als Beitrag zu einer sozial und ökologisch gerechten Entwicklung weltweit müssen wir sparsamer mit Papier umgehen. Umweltverbände kommen daher zu folgender Einschätzung:
"Die Zellstoff- und Papierproduktion richtet in vielen Erdteilen immensen Schaden für Mensch und Umwelt an. Weltweit wird inzwischen jeder fünfte Baum für Papier eingeschlagen. Um den Holzbedarf dieser Industrie zu decken, werden wertvolle Waldökosysteme durch großflächigen Kahlschlag und Umwandlung in Monokulturen vernichtet. Der ökologische, ökonomische und kulturelle Wert dieser Wälder geht dadurch für immer verloren. Millionen Menschen, die von und in intakten Wäldern leben, verlieren so ihre Lebensgrundlage, Tier- und Pflanzenarten sterben aus und es kommt zu Klimaveränderungen. In vielen Ländern des Südens wie Indonesien und Brasilien, aber auch in Industriestaaten wie Kanada und Finnland, bestehen schwerwiegende Konflikte um Landrechte und Landnutzung zwischen Papierindustrie und der einheimischen Bevölkerung. In etlichen Fällen verarmen ganze Bevölkerungsgruppen. Verloren geht so auch das traditionelle Wissen indigener Völker um eine angepasste und schonende Nutzung der Natur. Natürliche Wälder beherbergen den größten Teil der bekannten Tier- und Pflanzenarten der Welt. Mit ihrer Zerstörung und Umwandlung in Plantagen oder naturferne Forste trägt die Zellstoffindustrie maßgeblich zum weltweiten Verlust der Artenvielfalt bei. Durch den von der Industrie geplanten Einsatz genmanipulierter Baumarten droht nun zudem deren unkontrollierte Ausbreitung und damit die Verdrängung der ursprünglichen Flora und Fauna auch außerhalb der Plantagen. Wälder spielen eine unersetzliche Rolle für das Weltklima. Sie speichern enorme Mengen Kohlenstoff in Vegetation und Böden und haben einen bedeutenden Einfluss auf Strahlungs- und Wasserhaushalt der Erde. Durch die Zerstörung intakter Wälder wird mehr Kohlendioxid freigesetzt, als durch Aufforstung mit Plantagen gebunden werden kann. Durch die Anlage von industriellen Monokulturen, die in den meisten Fällen den Einsatz von Dünger und Pestiziden erfordern, werden wertvolle landwirtschaftliche Flächen, Wasserressourcen, die ökologische Vielfalt und der kulturelle Lebensraum der lokalen Bevölkerungen zerstört. Trotz technischer Fortschritte bei den Produktionsprozessen werden noch immer große Mengen an Rohstoffen, Energie und Wasser verbraucht, um Papier herzustellen. Insbesondere dort, wo die Umweltstandards der westlichen Länder nicht gelten, belastet die Papierindustrie Wasser, Böden und Luft durch giftige Substanzen wie Chlor und Chlorverbindungen. Um die ökologisch und sozial verträgliche Herkunft von Zellstoff und Primärfaserpapier zu gewährleisten, müssen Papierhandel und -industrie den Rohstoffbezug an die Einhaltung von überprüfbaren Mindeststandards binden." http://www.initiative-papier.de/docs/Papier_m.Aufruf.pdf
Die derzeitige und die prognostizierte Produktionshöhe sind nicht vereinbar mit den Klimaschutzzielen des Kyoto-Protokolls, das für Deutschland bis 2012 die Reduktion der sechs wichtigsten Treibhausgase gegenüber 1990 um 21 % vorsieht. Selbst durch effektivste technische Maßnahmen wird die Papierindustrie in Anbetracht der stetig wachsenden Produktionsmengen diese Ziele nicht erreichen. Für einen sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Umgang mit Papier ist es daher nötig:
- die Verwendung von Recyclingpapier zu steigern,
- Umwelt- und Sozialstandards für die Rohstoffherkunft von Papier und Zellstoff verbindlich festzulegen.
- Transparenz herzustellen und die Handelskette offen zulegen und eine Kontrolle der Produktwege zu ermöglichen.
- Saubere Produktionsprozesse zu wählen und bei der Wahl der Lieferanten von Zellstoff und Papier auch die Umweltbelastungen im Produktionsprozess zu berücksichtigen.
- Transportwege zwischen Hersteller und Verbraucher zu berücksichtigen
Die Umsetzung dieser Ziele kann zum einen im direkten öffentlichen Einflussbereich durch verbindliche Beschaffungsregeln für öffentliche Institutionen erfolgen und muss zum anderen durch schrittweise Einführung verbindlicher Standards für Papierprodukte für Papier- und Druckindustrie erfolgen. Ein ungesteuerter Ressourcenwettbewerb getrieben vom Absatzwahn der Großindustrie kann nur durch staatliche Eingriffe verhindert werden. Die ungezügelte Freiheit dieses Marktes führt sonst zu unbeherrschbaren ökologischen Folgen und zu tiefen sozialen Widersprüchen. Ein sozial gerechter und ökologisch nachhaltiger Umgang mit Papier ist für DIE LINKE ein wichtiges Feld einer nachhaltigen zukunftsfähigen Wirtschaftsentwicklung.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Ligner
www.peter-ligner.de