Peter Ligner
DIE LINKE
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Frage von Brigit P. •

Frage an Peter Ligner von Brigit P. bezüglich Familie

Noch einmal zum Abzug bei der Rente wegen Kinderlosigkeit.

Ich habe mich wohl falsch ausgedrückt. Es werden 0,25 % bei der Pflegeversicherung aufgeschlagen, die jeder Renter alleine tragen muß.

Ist das auch verfassungswidrig oder verfassungskonform.

Vielen Dank für Ihre vorherige ausführliche Antwort, vielleicht haben Sie auch hierzu eine Antwort für mich.
Würde mich sehr freuen.
B. Plock

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Plock,

leider komme ich erst jetzt zur Beantwortung Ihrer Frage, da ich beruflich sehr stark eingebunden war.

Ihre Frage bezieht sich auf den Zusatzbeitrag für Kinderlose in der Pflegeversicherung, den alle kinderlosen Mitglieder der Pflegeversicherung - nicht nur Rentner - bezahlen müssen.

Diese Regelung gründet sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus 2001 mit folgender Kernaussage:

L e i t s a t z zum Urteil des Ersten Senats vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 -

"Es ist mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden."

Die Pflegeversicherung verteilt daher von Kinderhabenden zu Kinderlosen um. Denn die Systematik der Pflegeversicherung führt dazu, dass die Gruppe der heutigen Kinder in der Zukunft nicht nur für die Pflege der Gruppe ihrer eigenen Eltern, sondern zusätzlich auch für die immer größer werdende Gruppe der Kinderlosen aufkommen muss. Eltern ziehen zwar die nächste Generation an Pflegeversicherungszahlern auf, erhalten aber bei Alterspflegebedürftigkeit nur die gleichen Pflegeleistungen wie die ehemals Kinderlosen, obwohl die Pflegeversicherung auf künftige Beitragszahler, also Kinder angewiesen ist.

Zur Entlastung von Eltern bei der Einzahlung in die Pflegeversicherung zur Honorierung ihrer mit der Erziehung der Kinder übernommenen gesellschaftlichen Verantwortung wurde ein Kinderlosigkeitsmalus gemäß oben erwähntem BVG-Urteil eingeführt, der allerdings aus Sicht von Familienverbänden völlig unzureichend ist.

Danach müssen kinderlose Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung seit 1. Januar 2005 einen um 0,25 % höheren Beitragssatz zahlen als zuvor, sofern sie mindestens 23 Jahre alt, aber nicht vor dem 1. Januar 1940 geboren sind. Damit zahlen sie statt 0,975 % einen Beitrag in Höhe von 1,225 % ihres sozialversicherungspflichtigen Entgelts. Der Arbeitgeberanteil bleibt unberührt und beträgt 0,975 %.

Pflegeversicherte, die Kinder erziehen oder erzogen haben, sind von der Zahlung des Zusatzbeitrags befreit, wenn sie dem Arbeitgeber einen Nachweis über die Elterneigenschaft vorlegen. Bezieher von Sozialleistungen (zum Beispiel Arbeitslose, Rentner) müssen den Elternstatus dem zuständigen Sozialleistungsträger gegenüber belegen.

Eine relative Entlastung der Familien, wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt, wurde durch die Einführung des Zusatzbeitrags jedoch nur mittelbar durch die Mehrbelastung Kinderloser erreicht. Dabei sind auch nachweislich (z. B. erfolglose künstliche Befruchtung) ungewollt Kinderlose betroffen; eine gesellschaftliche Diskussion der ungewollten Kinderlosigkeit als Behinderung, die vom Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes in Artikel 3 Absatz 3 erfasst würde, hat bisher nicht stattgefunden. Ihre Notwendigkeit wird jedoch bestritten, da Kinderlose – ob nun gewollt oder ungewollt kinderlos – durch die vermiedenen Kosten für die Versorgung von Kindern, ohne Probleme einen kleinen Teil der so gesparten Kosten in den geringen gesetzlichen Zusatzbeitrag investieren können.

Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gemäß ist diese Regelung jedenfalls verfassungkonform.

Für DIE LINKE stellt sich, wie in allen Sozialversicherungssystemen, dass grundlegende Problem der gerechten Umverteilung zwischen privaten und gesetzlichen Pflegeversicherungen und des Einbezug aller Einkommensgruppen in die Solidarsysteme-

So wurde mit der Installierung einer privaten Pflegeversicherung neben der gesetzlichen, deren ungerechte und unzureichende Finanzierung faktisch festgeschrieben. Besserverdienende, die, wie Studien belegen, meist zu den Gesünderen zählen und damit ein geringeres Pflegerisiko haben, verursachen in der privaten Pflegeversicherung deutlich geringere Aufwendungen, wodurch hier ein erheblicher finanzieller Überschuss angesammelt werden konnte. (15 Milliarden Euro Ende 2006). Die gesetzliche Pflegeversicherung dagegen muss pro Mitglied, so die Berechnungen von Prof. Lauterbach, beinah viermal höhere Kosten schultern. Dennoch gelang es nicht, mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz einen Finanzausgleich durchzusetzen, obgleich das die Regierungskoalition 2005 in einer gemeinsamen Vereinbarung versprochen hat. Privat Versicherte tragen daher auch zukünftig das besonders hohe Risiko der kranken und einkommensschwachen gesetzlich Versicherten nicht mit.

Weitere Informationen zur Position der LINKE zu sozial gerechten Sozialversicherungssystemen finden Sie in unserem Bundeswahlprogramm unter:
http://www.die-linke.de/index.php?id=4998

Mit freundlichen Grüßen
Peter Ligner